Furcht und Frust in der Staatsholding

INTERVIEW MIT NEUER OeBIB-CHEFIN MARTHA OBERNDORFER
INTERVIEW MIT NEUER OeBIB-CHEFIN MARTHA OBERNDORFERAPA/GEORG HOCHMUTH
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Schon als Chefin der Bundesfinanzierungsagentur hatte Martha Oberndorfer einen furchterregenden Ruf. Jetzt sitzt sie im Chefsessel der Staatsholding ÖBIB. Und schon geht es dort rund.

Es ist nichts mehr, wie es war. Anfang des Jahres wurde die Staatsholding ÖIAG zur ÖBIB, und alles ist anders. Wohl verwaltet die nunmehrige ÖBIB nach wie vor die Staatsbeteiligungen an der Telekom Austria, der OMV, der Post und neuerdings auch an den Casinos Austria. Mit Betonung auf „verwaltet“ – zu sagen hat die ÖBIB rein gar nichts. Sie ist nicht einmal mehr in den Aufsichtsräten besagter Unternehmen vertreten. Als GmbH ist sie also quasi zum Wurmfortsatz des Finanzministeriums geworden.

Seit Anfang Juni gibt es in der ÖBIB auch eine neue Chefin. Rudolf Kemler musste gehen, dafür gibt es jetzt Martha Oberndorfer. Sie war eine von 23 Bewerbern für den Job und hat den Zuschlag bekommen. Fachlich konnte sie eindeutig punkten: Oberndorfer arbeitete beim Bankhaus Gutmann, später bei der Kommunalkredit. Zuletzt war sie mehr als sieben Jahre lang Chefin der Bundesfinanzierungsagentur. Zweifellos eine große Herausforderung: Die Österreichische Bundesfinanzierungsagentur handelt im Namen und auf Rechnung der Republik Österreich und ist für die Aufnahme von Schulden zuständig. Oberndorfer hat das einwandfrei bewältigt.

Jetzt ist sie also ÖBIB-Chefin. Und es ist nichts mehr, wie es war.

Wer dieser Tage auf einen der rund 16 ÖBIB-Mitarbeiter trifft, sollte sich auf einiges gefasst machen. Die Frage „Wie geht's?“ wird jedenfalls recht ausgiebig beantwortet. Und erweist sich bei jedem Sommerfest als echter Stimmungskiller.

„Oberndorfer hat offenbar den Auftrag, Leistungsträger in der ÖBIB zu verprellen“, sagt einer. „Sie behandelt uns wie willfährige Sachbearbeiter“, der andere. Der kleinen Truppe in der ÖBIB – mit zum Teil jahrelanger Erfahrung – schlage jedenfalls jede Menge Misstrauen entgegen, heißt es. Kommuniziert werde vonseiten Oberndorfers herzlich wenig. Allenfalls, um mitzuteilen, dass alles, wirklich alles über ihren Tisch zu wandern habe. Die Kompetenz des Unternehmens stehe auf dem Spiel, fürchten viele.

Die erste Konsequenz zeichnet sich bereits ab.

Günter Leonhartsberger soll bereits am Absprung sein und Jobangebote sondieren. Er galt lange Zeit als Favorit für den ÖBIB-Chefposten – immerhin ist er seit 2004 im Unternehmen, wo er als Prokurist das Beteiligungsmanagement leitet.

Sein Abschied wäre ihm nicht zu verdenken: In den vergangenen Jahren war Leonhartsbergers Expertise durchaus gefragt. Regelmäßig nahm er mit Kemler am Jour fixe im Finanzministerium teil, um die Lage der Staatsbeteiligungen zu besprechen. Jetzt macht Martha Oberndorfer das allein. Über die Gespräche dort wird in der ÖBIB niemand informiert.

Reine Eifersüchteleien zwischen einer neuen Chefin und dem Doch-nicht-Chef? Mag sein. Ist aber trotzdem eindeutig zu kurz gegriffen.

Es ist nämlich so, dass auch in der Bundesfinanzierungsagentur Zwist und Hader an der Tagesordnung waren.

Dort gelangte Martha Oberndorfer Anfang 2008 in den Chefsessel – sie galt seinerzeit als „Erfindung“ des mächtigen, roten Sektionschefs im Finanzministerium, Gerhard Steger. Der war damals auch Aufsichtsratspräsident der Bundesfinanzierungsagentur.

Rasch soll Oberndorfer einen höchst reschen Führungsstil gepflegt haben. Konflikte gab es jedenfalls mit allen ihren Ko-Geschäftsführern. Im Haus wird erzählt, dass Oberndorfer oft die Kompetenz ihrer Kollegen infrage stellte. Oder dem einen oder anderen sogar das Du-Wort entzog. Jedenfalls musste alles über ihren Schreibtisch gehen. Ausnahmslos. Ihren ersten Ko-Geschäftsführer, Kurt Sumper, soll sie regelrecht zermürbt haben. Sein Vertrag wurde schlussendlich nicht verlängert. Dann gab es Reibereien mit seinem Nachfolger, Klaus Kumpfmüller. Der hat mittlerweile das Weite gesucht und ist Chef der Finanzmarktaufsicht.

Mitarbeiter erzählen, dass sie sich unter Oberndorfer quasi entmündigt gefühlt hätten – auch jene, die schon gut 20 Jahre im Haus gearbeitet hatten. Es sei schlicht unmöglich gewesen, mit ihr auf Augenhöhe zu arbeiten.

Es kam zu einer erheblichen Personalfluktuation. Und zur Lagerbildung im Haus. Auf der einen Seite: jene Vertrauten, die Oberndorfer in die Bundesfinanzierungsagentur mitgebracht hatte. Auf der anderen Seite: der Rest. Vor einigen Jahren wurde in dem Unternehmen ein Betriebsrat installiert. Bei rund 30 Mitarbeitern. Das sagt schon einiges. Wenn nicht alles.

Oberndorfer selbst soll ihren Führungsstil als „hart, aber fair“ bezeichnen. Mit der „Presse“ wollte sie darüber aber nicht reden. Auch nicht über ihre Beweggründe dafür, den doch illustren Job als Chefin der Bundesfinanzierungsagentur aufzugeben. Für einen Job in der ÖBIB, der endenwollend attraktiv ist. Bekannte Oberndorfers erzählen, sie sei – Überraschung – mit ihrem letzten, dritten Ko-Geschäftsführer, Thomas Steiner, höchst unglücklich gewesen.

Und jetzt geht es eben in der ÖBIB rund. Wobei man Oberndorfer mit viel gutem Willen zugutehalten könnte, dass sie in der Staatsholding vor allem aufräumen will. Gut möglich auch, dass Finanzminister Hans Jörg Schellingsie gerade deshalb an die ÖBIB-Spitze geholt hat. Weil Oberndorfer eben den Ruf hat, mit Mitarbeitern nicht zimperlich umzugehen.

Es gehe ihr um Privilegienabbau in einem Staatsunternehmen, tönt sie jedenfalls immer wieder. Folgerichtig soll sie auch nur rund die Hälfte von dem, was ihr Vorgänger Kemler verdiente, als Gage bekommen. Bei ihm waren es 520.000 Euro im Jahr. Und: Sie hat vor Kurzem dem langjährigen Chauffeur der ÖBIB das Kündigungsschreiben übermittelt. Angeblich brachte er es auf eine Jahresgage von rund 90.000 Euro. Sein Job soll nicht nachbesetzt werden.

Allerdings: Bisweilen scheint sie es mit dem „Aufräumen“ eher sehr streng zu sehen. Mitarbeiter, die sich „während der Dienstzeit“ ein Weckerl beim Bäcker holen, werden gut und gerne zurechtgewiesen. Und das nicht allzu höflich.

Der ÖBIB-Betriebsrat hat alle Hände voll zu tun. Und rotiert.

AUF EINEN BLICK

Die Staatsholding ÖIAG wurde Anfang dieses Jahres zur ÖBIB – zur Österreichischen Bundes- und Industriebeteiligungen GmbH. Damit verschaffte sich die Regierung wieder Kontrolle über die Staatsbeteiligungen (OMV, Telekom, Post und neuerdings auch Casinos Austria). Unter der ÖIAG war dies nicht möglich gewesen, hier hatte der Aufsichtsrat, der sich regelmäßig selbst erneuerte, die Hand drauf gehabt. Generalsekretärin der ÖBIB ist seit Anfang Juni Martha Oberndorfer.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.07.2015)

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