Energieversorger: Wir kaufen uns eine feine Spielwiese

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Die Energie Steiermark soll wieder zu hundert Prozent dem Land gehören. Finanzieren soll den Deal aber nicht das Land, sondern das Unternehmen selbst. Der Politik winken dafür üppige Dividenden und attraktive Jobs.

Da verstehen die Österreicher wirklich keinen Spaß: Wenn ausländische Unternehmen Anteile an heimischen Energieversorgern kaufen, ist echt Schluss mit lustig. Beteiligungen an anderen heimischen Firmen? Soll sein, wenn auch mit Zähneknirschen. Aber an österreichischen Energieversorgern? Völlig inakzeptabel.

Rational ist diese Ablehnung nicht wirklich zu erklären, weil in der Verfassung ohnehin festgeschrieben ist, dass die öffentliche Hand mindestens 51 Prozent an den heimischen Energieversorgern halten muss. Doch solche Argumente ziehen im politischen Hickhack gewöhnlich nicht. Groß war also vor Jahren die Aufregung, als ausländische Konzerne sich anschickten, das beste aus der Strommarktliberalisierung zu machen – und sich an österreichischen Energieversorgern beteiligten: Die deutsche RWE erwarb Anteile an der Kärntner Kelag, die ebenfalls deutsche EnBW hat es sich bei der niederösterreichischen EVN heimelig gemacht. Und die französische EdF kaufte 25 Prozent an der Energie Steiermark.

Die Aufregung war umsonst. Der Strom ist uns von den „bösen Ausländern“ nicht abgedreht worden. Dafür gibt es jetzt anders gelagerte Probleme: Das Investment in Österreich hat sich für die wenigsten Auslandskonzerne ausgezahlt. Außerdem haben sie auf ihren nationalen Märkten schon genug wirtschaftliche Probleme. EnBW versucht daher schon lang, sich von den EVN-Anteilen zu trennen. Und EdF macht damit ernst: Die Franzosen verkaufen. Sie haben auch schon einen Käufer an der Hand – nämlich die australische Investmentfondsgesellschaft Macquarie. Vor wenigen Tagen wurde eine entsprechende Vereinbarung ausgehandelt und unterzeichnet.

Seitdem ist das Land Steiermark quasi elektrisiert. Denn: Die Steirer haben ein Vorkaufsrecht. Sie können binnen 60 Tagen die Anteile zu gleichen Konditionen kaufen.
Ein echtes Dilemma: Einerseits – das Patriotenherz schlägt höher – wäre es natürlich schon fein, das ganze Unternehmen wieder in steirischer Hand zu haben. Andererseits ist die Realität halt beinhart: Die Landeskassen sind ordentlich klamm. Und der Viertelanteil an der Energie Steiermark kostet immerhin die Kleinigkeit von rund 250 Millionen Euro.

Mitte Juli also meldete sich der neue SPÖ-Landeshauptmann-Stellvertreter, Michael Schickhofer, zu Wort. Er ist in der Steiermark für Finanzen und Beteiligungen zuständig, hat also recht guten Einblick in den nicht gerade zum Bersten vollen Geldtopf. Schickhofer meinte folgerichtig: „Aufgrund der budgetären Situation des Landes würde sich ein Rückkauf als finanziell äußerst fordernd darstellen.“ Ein sehr schön formulierter Satz, der – weniger fein – so lauten könnte: „Leute, wir haben kein Geld, aus der Sache wird nichts.“

Auch egal, weil mittlerweile ist eh alles anders – als Politiker muss man ja wendig sein. Denn in der Zwischenzeit haben die steirische KPÖ und die Grünen einen Rückkauf der verlustig gegangenen Anteile gefordert. Was von den Regierenden wohl noch achselzuckend hingenommen worden wäre. Aber dann musste sich unbedingt noch der steirische FPÖ-Klubobmann, Mario Kunasek – seit den Landtagswahlen Enfant terrible –, zu Wort melden und Stimmung gegen die Australier und für die Steirer machen. Und schon wird an einem neuen Plan gefeilt. Schickhofer will die Sache jedenfalls nicht mehr so eindeutig sehen. Aus dem ursprünglichen Nein zum Rückkauf ist binnen weniger Tage ein „Es werden alle möglichen Optionen geprüft“ geworden.

Was dabei herausgekommen ist, ist bemerkenswert. So wie es derzeit aussieht, wird die Steiermark sehr wohl Geld in die Hand nehmen, um den Viertelanteil an ihrem Energieversorger zurückzukaufen. Es gibt auch schon einen konkreten Plan zur Mittelaufbringung: Der Energieversorger selbst soll quasi die Zeche zahlen – in wenigen Wochen soll bereits der Aufsichtsrat der Energie Steiermark mit der Angelegenheit befasst werden.

Das wird spannend. Denn wirklich dick hat es das Unternehmen auch nicht gerade: In den vergangenen beiden Jahren mussten Rücklagen aufgelöst werden, um den Eigentümern (also auch dem Land) üppige Dividenden zahlen zu können. Dazu kommt, dass der Energie Steiermark Stromkunden abhandenkommen – in den vergangenen drei Jahren 50.000. Laut E-Control haben allein im ersten Halbjahr 19.500 steirische Haushalte ihrem Versorger den Rücken gekehrt.

Und dann gibt es für das Unternehmen auch noch das Damoklesschwert eines laufenden Schiedsverfahrens mit dem Stromkonzern Verbund: Irgendwann im Sommer wird ein Urteil darüber erwartet, wie viel an den Verbund zu zahlen ist, wenn er die Fernwärmeversorgung der Stadt Graz durch das Gaskraftwerk Mellach aufrechterhält. Die Bandbreite reicht von sieben bis 26 Millionen Euro. Pro Jahr.

Maximale Sparsamkeit wäre also angebracht. Aber die steirische Landespolitik will den Rückkauf unbedingt durchdrücken. Weil es eine herrliche Möglichkeit ist, Geld vom Energieversorger ins Budget zu hieven. Die Formel dazu ist denkbar einfach: Der Energieversorger bezahlt den 25-Prozent-Anteil, und das Land erhält die Dividenden in Hinkunft zu hundert Prozent – muss sie also mit keinem Miteigentümer teilen.

Ganz zu schweigen von den personalpolitischen Vorteilen, die sich durch dieses „Projekt“ ergeben. Die steirischen Landespolitiker geraten jedenfalls bereits ins Schwärmen. Schon ist in Graz die Rede davon, dass der zurückgetretene SPÖ-Landeshauptmann, Franz Voves, Aufsichtsratspräsident der Energie Steiermark werden soll. Am derzeitigen Präsidenten, Josef Mülner, soll's nicht scheitern – er ist mit Voves befreundet.

Vor allem aber: Es gibt Pläne, den derzeit zweiköpfigen Vorstand des Energieversorgers um eine Person zu erweitern. Im Gespräch dafür ist Brigitte Scherz-Schaar. Schickhofer hat sie als Büroleiterin von Vorgänger Voves übernommen – kann aber angeblich nicht so gut mit ihr.
Schon schön, wenn man wieder Herr im eigenen Haus ist.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.08.2015)

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