FMA: Des Finanzministers Sorgenkind

FMA-Vorstände Klaus Kumpfmüller und Helmut Ettl
FMA-Vorstände Klaus Kumpfmüller und Helmut Ettl(c) Fabry
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Die Finanzmarktaufsicht steht für aufsehenerregende Bescheide, die juristisch oft nicht halten. Finanzminister Schelling hat jetzt genug – und lässt eine Reform vorbereiten.

Das Event klingt nicht unbedingt nach einem Straßenfeger. Doch die Aufsichtskonferenz, zu der die Finanzmarktaufsicht (FMA) Jahr für Jahr einlädt, ist durchaus gut besucht – auch von höchst prominenten Gästen. Echte Kaliber aus der Bankenwelt sind regelmäßig dabei, detto die hohe Politik: Bei der ersten Konferenz war das der damalige Finanzminister, Josef Pröll. Später beehrte Finanzministerin Maria Fekter die Veranstaltung, im vergangenen Jahr tat dies Hans Jörg Schelling.

Heuer, am 15. September, hätte Schelling abermals eine Rede halten sollen. Hat er aber nicht. Weil es eine Terminkollision gab, wie es aus dem Finanzministerium heißt – man habe dies der FMA auch Wochen zuvor mitgeteilt. Seltsam: Denn im Lauf der Konferenz begab sich FMA-Vorstand Helmut Ettl auf die Bühne und teilte der verdatterten Zuhörerschaft mit, er habe soeben erfahren, dass Schelling nicht kommen und also keine Rede halten werde.

Was sagt uns diese merkwürdige Geschichte? Dass das Leben voller Missverständnisse ist? Durchaus. Sie sagt uns aber auch Folgendes: In der FMA herrscht offenbar maximale Nervosität. Denn zwischen ihr und dem Finanzministerium eckt es ganz gewaltig.

Aufmerksame Beobachter wird das nicht sonderlich überraschen: Als Schelling im vergangenen Jahr bei der Konferenz auftrat, machte er aus seinem Herzen nämlich keine Mördergrube: „Wenn meinem Unternehmen 60 Prozent der Geschäftsgrundlage wegfallen“, sagte er, „dann überlege ich mir, wie ich mich neu aufstelle.“ Es war ganz offensichtlich ein Seitenhieb auf den Gastgeber. Die FMA musste ja ein Gutteil ihrer Agenden an die Europäische Zentralbank abtreten.

Schellings Botschaft ist aber offenbar nicht angekommen. Kurze Zeit später – so berichten Eingeweihte – sei die FMA bei ihm vorstellig geworden. Mit dem Begehr, mehr Mitarbeiter aufnehmen zu dürfen.

So gesehen nimmt es wenig Wunder, dass Schellings Geduld mit der FMA erschöpft ist. Nicht nur seine: Die FMA ist in der Wirtschaft als höchst bürokratische Behörde verschrien. Als Behörde, die den Unternehmen das Leben unnötig schwer macht. Als Behörde, die auf Effekthascherei aus ist – und keinesfalls auf Schadensminimierung. Als Behörde, die Unternehmen und Manager mittels knallharter Bescheide quasi an den Pranger stellt. Als Behörde, deren Bescheide letztlich oft juristisch nicht halten – nachdem sie immensen Schaden angerichtet haben.

Da gab es eine verhängte Millionenstrafe gegen die Hypo NÖ – vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. Oder einen Strafbescheid gegen den ehemaligen OMV-Chef Wolfgang Ruttenstorfer wegen angeblicher Marktmanipulation – vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben. Erwähnenswert ist auch ein Bescheid gegen Raiffeisen-Manager wegen angeblicher Verletzung der Ad-hoc-Pflichten – vom Verwaltungsgerichtshof aufgehoben.

Das Fass zum Überlaufen brachten die Ereignisse der vergangenen Wochen: Ende Juli berief die FMA per Bescheid die beiden Vorstände der Meinl Bank ab, wegen angeblich grober Verfehlungen. Nur zwei Monate später entscheid das Bundesverwaltungsgericht: Die Vorstände können bleiben, bis der Sachverhalt geklärt ist.

Nicht genug der Niederlagen: Vor Kurzem wurde ein Strafbescheid der FMA gegen den Vorstand des Stromkonzerns Verbund wegen Verletzung der Ad-hoc-Pflichten ebenfalls vom Bundesverwaltungsgericht aufgehoben.

Das alles ist natürlich hochnotpeinlich und dem Finanzminister ein riesengroßes Ärgernis. Immerhin müsste er im schlimmsten Fall für die „Irrtümer“ der FMA geradestehen – via Amtshaftung der Republik. Dazu kommt, dass Schelling kaum noch irgendwo auftreten kann, ohne von höchst irritierten Managern diverser Geldinstitute und börsenotierter Konzerne händeringend um Hilfe gebeten zu werden. Motto: Was hier seitens der FMA geschehe, schade dem Ruf österreichischer Unternehmen, schade dem Wirtschaftsstandort.

Schelling hat jetzt offenbar genug. Im Ministerium wird erzählt, er habe sich neulich erkundigt, wie es denn um die fachliche Expertise der beiden FMA-Vorstände, Helmut Ettl und Klaus Kumpfmüller, bestellt sei.

Die Recherche förderte wenig Erbauliches zutage: Wohl sind die beiden bestens qualifiziert – was die allgemeinen, ungeschriebenen Proporzrichtlinien betrifft: Ettl ist rot, Kumpfmüller schwarz. Einen sogenannten Fit-&-proper-Test, den die FMA von Bankern einfordert, haben aber beide nicht gemacht, wurde Schelling mitgeteilt. Weil sie es auch nicht müssen.

Trotzdem: Schellings Hände sind gewissermaßen gebunden. Die FMA ist eine weisungsfreie Behörde, der Finanzminister kann also nicht ins Geschäft der FMA eingreifen. Geschweige denn die Vorstände kurzerhand verabschieden. Doch Hans Jörg Schelling weiß sich zu helfen.

Offiziell wird geschwiegen, doch im Ministerium wird erzählt, dass Schelling vor rund vier Wochen eine Expertengruppe aus Kapitalmarktexperten und Universitätsprofessoren eingesetzt hat. Sie sollen eine Reform der Aufsicht vorbereiten.

Schelling soll in erster Linie eine zentrale Bankenaufsicht vorschweben – und zwar weg von der FMA hin zur Nationalbank. Derzeit obliegt ja beiden die Bankenaufsicht – was, wie man an der Hypo ganz gut erkennen kann, eher suboptimal funktioniert.

Das Ziel lautet, die Reform der FMA im nächsten Jahr per Gesetz über die Bühne zu bringen. Was kein Zufall ist: Nach Beendigung des Hypo-Untersuchungsausschusses wäre eine gute Gelegenheit dazu. Die noch skeptische SPÖ würde sich wohl von der Reform überzeugen lassen – weil nach dem U-Ausschuss politisch „etwas geschehen muss“.

Ob zur Reform eine Zweidrittelmehrheit im Parlament notwendig ist – weil die FMA verfassungsrechtlich abgesichert ist – wird jedenfalls juristisch gerade geprüft.

Immerhin scheint das Ganze schon so konkret zu sein, dass es – wie könnte es in Österreich anders sein – auch schon personalpolitische Gerüchte gibt: Angeblich soll Andreas Ittner– Vizegouverneur der Notenbank und dort für die Bankenaufsicht zuständig – abgelöst werden. Nachfolgen könnte ihm Stephan Koren, derzeit Chef der Volksbanken-Abbaugesellschaft Immigon. Ein Schwarzer.

Angeblich ist aber auch FMA-Vorstand Helmut Ettl für den Job in Diskussion. Ein Roter.

Das wird ein spannendes Duell. Eine neue Geduldsprobe.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 03.10.2015)

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