Streit zwischen Verbund und Energie Steiermark eskaliert

Austrian electricity producer Verbund CEO Anzengruber addresses a news conference in Vienna
Austrian electricity producer Verbund CEO Anzengruber addresses a news conference in ViennaREUTERS
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Der Verbund wollte das Gaskraftwerk Mellach einmotten, die Steirer wehrten sich mit einer einstweiligen Verfügung. Jetzt bekommen sie die Rechnung präsentiert: Der Verbund will 80 Mio. Euro.

Kann ein Kraftwerk mieses Karma haben? Und nein, die Frage hat nichts mit dem Kraftwerk Voitsberg zu tun, das sich in der vergangenen Woche standhaft gegen seine Sprengung wehrte. Es geht um das steirische Gaskraftwerk Mellach. Erst seit vier Jahren in Betrieb und von Anfang an eine einzige Nervensäge.
Die Mühsal begann schon lange bevor das Kraftwerk überhaupt in Betrieb genommen wurde – das allgemein übliche Adjektiv „feierlich“ wollen wir an dieser Stelle mal elegant beiseite schieben. Zum Feiern gab es damals, Anfang 2012, jedenfalls nichts: Dafür hatte es rund um das Projekt einfach zu viel Streit und Probleme gegeben. Im Sommer 2006 war die Errichtung des Kraftwerks vom Stromkonzern Verbund ausgeschrieben worden – den Zuschlag hatte Siemens bekommen. Der unterlegene Bieter, der A-Tec-Konzern von Mirko Kovats ging daraufhin bis zum Höchstgericht. Was ihm herzlich wenig brachte, bis auf eine gewisse Genugtuung: Der Kraftwerksbau verzögerte sich enorm.

2009 konnte dann endlich mit dem Bau begonnen werden. Doch mit der (langen) Zeit hatten sich allerlei Komponenten verteuert. Heißt: Siemens verrechnete 550 statt 500 Millionen Euro.

Dann, Mitte 2011, gab es auch noch technische Probleme im Probebetrieb – aber das nur am Rande. Die wirklich gravierenden Zores hat dann der Markt verursacht: Die Gaspreise sind überaus hoch, die Strompreise niedrig, das Gaskraftwerk somit unrentabel.

Mittlerweile steht es beim Verbundkonzern nur mehr mit 90 Millionen Euro in den Büchern.

2014 fand Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber die Lösung: Das Kraftwerk Mellach werde, so verkündete er knapp, eingemottet. Klingt einleuchtend, wurde aber nicht von allen begeistert aufgenommen. Von der Energie Steiermark beispielsweise.

Die hat nämlich das Problem, dass sie auf den Standort Mellach zur Fernwärmeversorgung von Graz angewiesen ist. Doch Anzengruber kümmerte das herzlich wenig: Vor einigen Jahren sind die Steirer aus der gemeinsamen Tochtergesellschaft Verbund Thermal Power (in der alle thermischen Kraftwerke gebündelt sind) ausgestiegen. Doch der zuständige Vorstand der Energie Steiermark, Christian Purrer hatte es verabsäumt, sich die Fernwärmelieferung via Mellach vertraglich zu sichern.

Seitdem geht's rund.

Im September vergangenen Jahres feierten die Steirer einen Etappensieg: Sie erwirkten eine einstweilige Verfügung gegen den Verbund. Mellach dürfe nicht stillgelegt werden, beschied das Bezirksgericht Graz-West. Doch die Freude währte nur ein Jahr. Vor wenigen Wochen urteilte nämlich ein Schiedsgericht: Mellach muss vom Verbund keineswegs als Backup für die Fernwärmeversorgung gehalten werden.

Seitdem geht's noch mehr rund.

Denn: Das  Urteil bedeutet nicht zwangsläufig, dass Mellach abgedreht wird. Sondern, dass der Verbund von den Steirern Geld für die „Ausfallsreserve“ verlangen kann. Und das nicht zu knapp: Ursprünglich verlangte Anzengruber 20 Millionen Euro pro Jahr von den empörten Steirern. Jetzt, mit Rückendeckung des Urteils, will er mehr. Nämlich 50 Millionen pro Jahr.

Am Donnerstag fand im Verbundkonzern eine diskrete Sitzung zu dem Thema statt. Für die Energie Steiermark wurde quasi eine Rechnung zusammen gestellt. Sie beläuft sich auf 200 Millionen Euro – dafür, dass das Gaskraftwerk bis zum Jahr 2020 im „Standby“ für die Energie Steiermark bereit steht. Dazu wurden aber auch noch 80 Millionen Euro in Rechnung gestellt. Der Verbund beruft sich dabei auf das ABGB, in dem der Bereicherungsanspruch geregelt ist. Vereinfacht ausgedrückt: Der Verbund macht Zahlungen aus den Jahren 2014 und 2015 geltend, als die Bereitstellung der Fernwärme juristisch noch nicht geklärt war, der Konzern aber aufgrund der einstweiligen Verfügung mit Mellach parat stehen musste.

Unterm Strich werden also von den Steirern 280 Millionen Euro gefordert. 80 Millionen sofort. Eine Verbund-Sprecherin: „Wir sind an einer gemeinsamen Lösung interessiert. Wenn das aber nicht möglich ist, dann müssen wir den Betrag gerichtlich einfordern.“

Die Steirer sind natürlich außer sich. Urs Harnik-Lauris, Sprecher der Energie Steiermark: „Wir verstehen durchaus, dass der Verbund finanziell schwer unter Druck ist, aber eine Sanierung des Wiener Energiekonzerns auf Kosten der Steirer kann sicher nicht stattfinden.“ Und: „Die steirischen Kunden können nicht die Zeche für Fehlentscheidungen auf Wiener Parkett zahlen.“ Er spricht von einer „illusorischen Kalkulation“.

Was die Steirer besonders auf die Palme bringt: Der deutsche Stromkonzern Tennet zählt mittlerweile ebenfalls zu den Mellach-Kunden. Harnik-Lauris: „Tennet wird für die exakt gleiche Leistung ein niedriger einstelliger Millionenbetrag jährlich verrechnet.“ Von den Steirern bloß für einen Eventualfall („Ausfallsreserve“) rund eine Viertel Milliarde in Rechnung zu stellen, sei jedenfalls „ein ziemlich starkes Stück – und ein Affront gegenüber der Steiermark“.

Da muss man erst gar nicht zwischen den Zeilen lesen: Zwischen Verbund und Energie Steiermark herrscht Krieg. Nicht auszuschließen, dass der vor Gericht fortgesetzt werden wird.

Für die Steirer steht jedenfalls fest: „Wir stehen keinesfalls für das Schmücken der Braut zur Verfügung.“ Wie bitte? Braut?

Da ist tatsächlich etwas dran: Der Verbund hat am 21. Oktober recht überraschend mit einer so genannten Ad hoc-Meldung angekündigt, dass er sämtliche Optionen für den Kraftwerksstandort Mellach prüft – „einschließlich dessen Verkauf“. Oha!

Recherchen der „Presse“ ergaben: Es gibt tatsächlich sehr ernst zu nehmende Verhandlungen mit österreichischen Investoren. Gut möglich, dass der Deal noch heuer über die Bühne geht.

Derweil setzen die Steirer alle Hebel in Bewegung, um unabhängig vom Verbund zu werden. Sprich: Das 60 Jahre alte Kraftwerk in der Grazer Puchstraße soll saniert werden. Harnik-Lauris: „Wir werden Abwärme aus der Industrie, Solarwärme, Biomasse, Biogas und den Wärme-Boiler in der Puchstraße nützen, um bereits ab der kommenden Heizsaison 2016/17 in Sachen Wärme auf eigenen Beinen zu stehen.“

Wenn's wahr ist. Anrainer sind bereits auf den Barrikaden, weil besagtes Kraftwerk nur elf Kilometer von der Grazer Stadtgrenze entfernt ist. Zuletzt wirbelte ein Gutachten des Umweltbundesamtes Staub auf: Es beschied, dass die Emissionsbelastung mit dem Ausbau des Kraftwerks Puchstraße um ein Vielfaches ansteigen könnte.

Auftraggeber des Gutachtens war übrigens der Verbundkonzern.

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