ÖVP-Masterplan in der Zielgeraden

Gottfried Haber
Gottfried Haber(c) Christian M�ller / picturedesk.c (Christian M�ller)
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Wirtschaftsforschung. Die ÖVP macht Ernst: Ihr Liebkind, der junge Universitätsprofessor Gottfried Haber, soll IHS-Chef werden. Er hat sich nun offiziell um den Job beworben.

Was bringt das Jahr 2016? Jedenfalls neue Chefs für die beiden großen österreichischen Wirtschaftsforschungsinstitute. Wifo-Chef Karl Aiginger verzichtet mit seinen 67 Jahren auf eine Verlängerung seines Vertrages und geht im September 2016 in den Ruhestand. Und der Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Sigurd Höllinger, war ohnehin nur als Interimslösung gedacht. Er übergibt das Szepter Ende Februar.
Beim Wifo wird es wohl keine großen Überraschungen geben. In der Ausschreibung ist das Anforderungsprofil recht weit gefasst – trotzdem spitzt sich die Sache auf zwei Namen zu: Immer wieder genannt wird der ehemalige Rektor der Wirtschaftsuniversität Wien, Christoph Badelt. Sollte es eine Frau werden – der scheidende Wifo-Chef Aiginger hat sich bereits dafür ausgesprochen –, dann wird die Wahl wohl auf Margit Schratzenstaller fallen. Die redegewandte, langjährige Wifo-Mitarbeiterin ist immerhin Aigingers Stellvertreterin.

Kommen wir also zu jenem Institut, bei dem die Dinge sehr viel aufregender ablaufen – dem IHS. Dort geht es punkto Chefsuche tatsächlich sehr spannend zu. Weil eben die Politik heftig mitmischt. Vermutlich, um am Ende ein durch und durch gefügiges Wirtschaftsforschungsinstitut an der Hand zu haben.

Der erste Schritt dazu wurde Mitte Dezember gesetzt: Das IHS-Kuratorium, vergleichbar mit einem Aufsichtsrat, wurde umbesetzt. Der Ökonom Georg Winckler ist seitdem das einzige Mitglied dort, das noch den Geruch des Wissenschaftlers trägt. Sonst: rein politische Besetzungen – nach den strengen Gesetzen des Proporzes, versteht sich. An der Spitze des Kuratoriums steht der frühere ÖVP-Politiker Franz Fischler. Sein Vize ist der ehemalige SPÖ-Politiker Caspar Einem. Weiters im Gremium: die Chefin der Stromnetzgesellschaft APG, Ulrike Baumgartner-Gabitzer. Wer sich darüber wundert, was das Stromnetz mit dem IHS zu tun hat, dem kann leider nicht geholfen werden. Achselzuckend könnte man darauf hinweisen, dass ja auch die Vorstandsdirektorin der Casinos Austria, Bettina Glatz-Kremsner, neuerdings im IHS-Kuratorium sitzt. Auch nicht unbedingt logisch. Aber vermutlich haben die Besetzungen damit zu tun, dass Baumgartner-Gabitzer ÖVPlerin und auch Glatz-Kremsner dem bürgerlichen Lager zuzurechnen ist.

Von der roten Reichshälfte kommen Nationalbank-Direktor Peter Mooslechner und die Wiener SPÖ-Gemeinderätin Sybille Straubinger. Ihnen allen steht selbstverständlich je ein Vertreter aus dem Finanz- und aus dem Wirtschaftsministerium zur Seite.

Warum all das eine Rolle spielt? Ganz einfach: Zwar wurde zwecks Bestellung eines neuen IHS-Chefs eine Findungskommission aus Wissenschaftlern installiert, die eine Shortlist aus den Bewerbungen erstellen wird. Entscheiden wird aber letztlich das Kuratorium. Und da musste natürlich zeitgerecht der politische Einfluss gewährleistet werden. Es ist nämlich so, dass Gottfried Haber, junger Professor an der Donau-Universität Krems, IHS-Chef werden soll. Jedenfalls ist dies der Wunsch der ÖVP, die mit Haber offenbar Großes vorhat – immerhin wäre der Mann, der ein ausgesprochen inniges Verhältnis zum niederösterreichischen ÖVP-Landeshauptmann, Erwin Pröll, hat, beinahe Finanzminister geworden.

Das klappte bekanntlich nicht, den Job bekam Hans Jörg Schelling. Allerdings: Noch ist nicht aller Tage Abend. Jedenfalls ist Haber als IHS-Chef mittlerweile ein großes Anliegen des Finanzministeriums, das ja immerhin wichtigster Geldgeber des IHS ist. „Die Presse“ hatte bereits im September über den geheimen Masterplan berichtet, hatte dafür aber nichts als empörte Dementis geerntet. Unter anderem von Gottfried Haber himself. „Für mich ist das keine Option“, sagte er damals.
Die Zeiten ändern sich bekanntlich, und so kommt es, dass Gottfried Haber sich (natürlich) doch um den IHS-Job beworben hat. Er bestätigt dies auch hochoffiziell gegenüber der „Presse“. Die Frage nach seinem plötzlichen Sinneswandel beantwortet er so: „Ich habe mir das über die Weihnachtsferien überlegt und mich dafür entschieden.“ Ja, die besinnliche Zeit, die hat was.
Das mit dem Weihnachtsfrieden ist eben ein anderes Thema. Denn nicht alle im IHS freuen sich über die Aussicht, Gottfried Haber schon bald als Chef zu haben. Per Ausschreibung wurde ja eigentlich ein Wissenschaftler mit internationaler Reputation und zahllosen Publikationen verlangt. Etwas, was Haber – wiewohl höchst eloquent und medial umtriebig – eher nicht bieten kann.

Was also tun? Nach Weihnachten sind einige hochrangige IHSler aktiv geworden und haben händeringend Manfred Deistler gebeten, sich um den Job zu bewerben. Ihr Kalkül: Mit seiner Bewerbung werde es politisch nicht gar so einfach, Haber zum IHS-Chef zu küren. Deistler genießt nämlich international einen hervorragenden Ruf. Er hat eine lange Liste an Publikationen, saß bis vor Kurzem selbst im IHS-Kuratorium und ist derzeit Professor an der Technischen Universität Wien – am Institut für Stochastik und Wirtschaftsmathematik, Forschungsgruppe Ökonometrie und Systemtheorie. Und: Manfred Deistler hat sich um den Job beworben.

Er ist einer von insgesamt 26 Bewerbern. Unter ihnen gibt es – neben Gottfried Haber – noch zwei weitere Kandidaten, die (theoretisch) beste Chancen hätten. Der eine ist Leo Kaas, Professor für Volkswirtschaftslehre an der Universität Konstanz. Der andere ist der deutsche Klaus F. Zimmermann, ebenfalls ein Ökonom mit international hervorragendem Ruf: Zimmermann ist Professor für Wirtschaftliche Staatswissenschaften an der Universität Bonn. Seit 1998 ist er auch Direktor des Instituts zur Zukunft der Arbeit (IZA). Von 2000 bis Anfang 2011 war er außerdem Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW).

Gottfried Haber hat also ernst zu nehmende Konkurrenz bekommen. Zum IHS-internen Vorwurf, dass er eigentlich keine wissenschaftlichen Publikationen vorzuweisen hat, meint Haber: „Ich habe durchaus in einigen internationalen Journalen veröffentlicht.“ Nachsatz: „Die Findungskommission soll sich das in Ruhe ansehen.“
Wird sie ohnehin. Und Gottfried Haber wird den Job schon bekommen. Auch wenn das in den nächsten Tagen wieder empört dementiert werden wird.

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