Glücksspiel: Das Wunder Pragmatismus

Novomatic-Chef Harald Neumann: „Wir könnten uns in der Mitte treffen.“
Novomatic-Chef Harald Neumann: „Wir könnten uns in der Mitte treffen.“(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Das Denkunmögliche wird möglich: Im Kampf um die Mehrheit an den Casinos Austria bahnt sich ein Kompromiss der zerstrittenen Bieter an. Man arrangiert sich eben.

In der Politik gibt es ein ungeschriebenes Gesetz. Das da lautet: Es gibt keine Zufälle. Wenn also beispielsweise Politfunktionäre, die einer breiten Öffentlichkeit einigermaßen unbekannt sind, plötzlich mit lautstarken Forderungen von sich reden machen, darf man getrost davon ausgehen: Das ist in der Partei vorher abgesprochen worden. Ein dramaturgisch ausgeklügelter Plan, sozusagen.

Wenn ein Regierungsmitglied mit Forderungen an die Öffentlichkeit geht, ist das natürlich ebenso wenig eine Handlung im Affekt. In diesem Fall gibt es zwei mögliche Motive: Entweder es gibt Zores mit dem Koalitionspartner – dann ist die Äußerung ebenfalls im Vorhinein parteiintern abgesprochen worden. Oder: Das Regierungsmitglied hat seine Aussage im Alleingang gemacht – weiß aber genau, dass seine „Forderung“ erfüllt werden wird. Es ist also eine Art Machtdemonstration, bei der keinerlei Gesichtsverlust droht.

Kommen wir zu einem aktuellen praktischen Beispiel: ÖVP-Finanzminister Hans Jörg Schelling hat mit einer Äußerung vor wenigen Tagen Schlagzeilen gemacht. Schelling rief dazu auf, den Bieterstreit um die Casinos Austria zu beenden.

Seit rund einem Jahr muss Schelling, dessen Staatsholding Öbib gut ein Drittel an den Casinos hält, dem „munteren Treiben“ zusehen: Die restlichen Casinos-Anteile stehen zum Verkauf und zwei Bieter reißen sich förmlich darum. Auf der einen Seite: der niederösterreichische Glücksspielkonzern Novomatic. Auf der anderen: ein tschechisches Konsortium der Milliardäre Karel Komarek und Jiri Smejc. Beide Kontrahenten haben schon Anteile an den Casinos bzw. an deren Tochter Lotterien erworben. Beide wollen damit die Mehrheit am Konzern erlangen.

Dass Schelling mittlerweile einigermaßen grantig ist, kann ihm niemand verdenken. Die beiden Bieter führen nämlich so etwas wie einen Krieg um die Casinos Austria. Seit wenigen Monaten ist der sogar gerichtsanhängig: Die Tschechen haben Klage eingebracht.

Und mittendrin die Casinos Austria, ziemlich gelähmt. Im Dezember wurden die Verträge der Vorstände Karl Stoss und Dietmar Hoscher bis Ende 2017 verlängert. Eine unüblich kurze Vertragsdauer. Aber, ganz ehrlich: Was soll man denn anderes tun, angesichts der noch völlig offenen Eigentumsverhältnisse?

Also sprach Hans Jörg Schelling vor wenigen Tagen: Er fordere die beiden Casinos-Bieter auf, „zum Wohl des Unternehmens den Streit zu beenden“.
Na bumm – könnte man meinen. In Wahrheit ist es so: Der schlaue Fuchs Schelling hat diese Aussage nicht zufällig gemacht. Er haute sozusagen auf den Tisch, weil er weiß, dass seine Forderung Gehör finden wird. Er weiß, dass eine Einigung in greifbarer Nähe ist. Weil er in den vergangenen Monaten immer wieder diskrete Gespräche mit den beiden Bietern geführt hat.

Dramaturgie vom Feinsten. Und so kam es, dass nur zwei Tage später auch Novomatic-Chef Harald Neumann vor staunenden Journalisten kundtat: „Wir peilen eine tragfähige Lösung im Sinne der Casinos Austria an.“

Das sind ja völlig neue Töne. Ein Novomatic-Boss, der von einer „tragfähigen Lösung“ spricht. Ein Finanzminister, der vor wenigen Monaten noch eine „österreichische Lösung“ gefordert hat, und nun plötzlich nichts mehr gegen die Tschechen hat. Da tut sich offenbar etwas.

An den Tschechen soll's nicht scheitern. Die haben in der Vergangenheit immer Gesprächsbereitschaft signalisiert – und vor der Klagseinbringung auch ein Schiedsverfahren vorgeschlagen.

Jetzt wird also ganz offiziell die Friedenspfeife geraucht. Gemeinsam. Man arrangiert sich halt.
Geholfen hat dabei wohl auch die Entscheidung der Wettbewerbsbehörde vom Mittwochabend: Sie will den Antrag der Novomatic, eine Mehrheit an den Casinos Austria zu erwerben, einer vertieften Prüfung unterziehen. Somit ist offenbar Pragmatismus angesagt.

Nicht außer Acht zu lassen ist auch ein anderer Punkt: Die Tschechen sind im eigenen Land sowie in Griechenland groß im Lotteriengeschäft zugange. In Tschechien kommen sie auf einen Jahresumsatz von rund 350 Millionen Euro. Die griechische Lottogesellschaft OPAP, an der die Tschechen beteiligt sind, bringt es sogar auf einen Jahresumsatz von rund 4,3 Milliarden Euro. Und: Die Tschechen verfolgen das ehrgeizige Ziel, ein großer europäischer Player zu werden.

Da muss man nur eins und eins zusammenzählen. Einerseits gibt es die Tschechen, die stark im Lottogeschäft sind. Andererseits den Novomatic-Konzern, der ein großer Automaten- und Spieltechnologieanbieter ist. Schon jetzt sind die beiden miteinander im Geschäft. Doch das ist natürlich ausbaufähig.

Insider berichten, dass diese Perspektive sehr wohl ein Thema bei den aktuellen Verhandlungen ist. Und damit laufe alles darauf hinaus, dass die zum Verkauf stehenden Casinos-Anteile brüderlich geteilt werden. Novomatic-Chef Neumann hat ja diese Woche auch verheißungsvoll gemeint: „Wir könnten uns in der Mitte treffen.“

Wie das konkret aussehen könnte, ist ein streng gehütetes Geheimnis. Beobachter meinen allerdings, es spreche vieles dafür, dass eine Dachgesellschaft für die Casinos Austria gegründet wird. In diese kämen dann die zum Verkauf stehenden Anteile an den Casinos. Tschechen und Novomatic würden dann gemeinsam Anteile an dieser Gesellschaft halten.
Man wird sehen. Jedenfalls scheint das Ganze schon so konkret zu sein, dass Neumann von einer Einigung innerhalb von sechs Wochen spricht.

Insider halten das freilich für eine sehr vorsichtige Schätzung. In Wahrheit werde eine Einigung viel früher auf dem Tisch liegen. Wie gesagt: Alles eine Frage der geschickten Dramaturgie.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.02.2016)

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