Wettbewerbshüter: Funkenflug um Spitzenposten

Reinhold Mitterlehner und Rudolf Hundstorfer verstanden sich gut. Bis es um die Besetzung des Vorstands für die E-Control ging.
Reinhold Mitterlehner und Rudolf Hundstorfer verstanden sich gut. Bis es um die Besetzung des Vorstands für die E-Control ging.(c) APA/HELMUT FOHRINGER
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Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat neue Wettbewerbshüter für die Energiebranche bestellt. Davor tobte ein regelrechter Kampf um die Posten. Vonseiten der SPÖ wurde interveniert und gedroht.

Das war's dann. ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner hat entschieden: Die Energie-Regulierungsbehörde E-Control bekommt per 25. März neue Chefs. Die beiden bisherigen – Walter Boltz und Martin Graf – hätten zwar „ihre Aufgabe gut gemacht“, sagt der Wirtschaftsminister. Und die Tatsache, dass ihre Verträge nicht verlängert werden, sei absolut „kein Ausdruck der Unzufriedenheit“. Er, Mitterlehner, wolle aber bei der E-Control „einen neuen Boden legen“.

Diesen „neuen Boden“ werden Wolfgang Urbantschitsch und Andreas Eigenbauer betreten. Am Freitag ist ihnen der sogenannte Bestellungsbescheid zugestellt worden. Sie werden also in Hinkunft den funktionierenden Wettbewerb in der Energiebranche überwachen. So schnell kann's gehen.

Wobei „schnell“ relativiert werden muss. Mitterlehner hat sich mit seiner Entscheidung nämlich ordentlich Zeit gelassen: Das Hearing der vier infrage kommenden Kandidaten hat ja immerhin schon am 2. Dezember im Wirtschaftsausschuss des Nationalrats stattgefunden. Damals haben sich neben den amtierenden Vorständen Boltz und Graf auch Eigenbauer und Urbantschitsch den Fragen der Parlamentarier gestellt. Aber die Dinge sind eben reichlich kompliziert. Letztlich hat Mitterlehner pragmatisch entschieden – einerseits. Andererseits: auch durchaus emotional. Die Energiebranche ist jedenfalls fassungslos.

Dass Mitterlehner sich vom langjährigen, bürgerlichen E-Control-Vorstand Walter Boltz trennt, kommt ja auch überraschend: Boltz war von Beginn an – also immerhin 15 Jahre lang – an der Spitze der weisungsfreien Behörde. Der Mann kennt die Energiebranche in- und auswendig. Trotzdem spricht ein schlagendes Argument gegen ihn. Boltz wird heuer 63 Jahre alt. Da stellte sich die Frage, ob er eine volle fünfjährige Funktionsperiode bleiben würde. Beim Hearing wurde er auch darauf angesprochen. Boltz antwortete, er wolle sich eine Entscheidung über seinen Pensionsantritt vorbehalten.

Das wiederum machte Mitterlehner einigermaßen unrund: Würde Boltz sein Amt mit 65 Jahren zurücklegen, müsste die ganze Ausschreibungsprozedur wieder von Neuem erfolgen. Das wollte sich Mitterlehner ersparen, sagt er. Was er nicht dazusagt: Wer weiß schon, wie die innenpolitischen Machtverhältnisse in zweieinhalb Jahren sein werden?

Mit bürgerlichem Ticket kommt also Wolfgang Urbantschitsch in den E-Control-Vorstand. Nicht die schlechteste Wahl: Urbantschitsch ist seit 2001 bei der Behörde als Jurist tätig, eine profunde Kenntnis der Materie kann man also auch ihm absolut nicht absprechen. Überhaupt, betont Mitterlehner, hätten sich alle vier Kandidaten beim Hearing „fachlich hervorragend“ geschlagen.

Gegen Walter Boltz sprachen also pragmatische Gründe. Und gegen den roten Martin Graf? Dass er nach fünf Jahren gehen muss, hat – formulieren wir es zurückhaltend – politische Gründe.

Dazu muss man wissen, dass in der Koalitionsregierung Rudolf Hundstorfer in seiner Zeit als SPÖ-Sozialminister das Gegenüber von Mitterlehner bei Verhandlungen aller Art war. Und bei der Frage der Besetzung des E-Control-Vorstands waren tatsächlich Verhandlungen angesagt. Jedenfalls sah die SPÖ-Seite das so. Zwar darf Mitterlehner als Wirtschaftsminister die Besetzung der Behördenchefs allein entscheiden. Doch das gute alte Gewohnheitsrecht will es so, dass die SPÖ bei „ihrem“ Kandidaten mitreden darf.

So weit, so gut für die Genossen. Wäre da nur nicht die Tatsache, dass sie sich über den „Besten“ für den Posten (Jahresgage: 312.000 Euro) nicht einigen konnte. In der SPÖ müssen sich jedenfalls regelrecht dramatische Szenen abgespielt haben. Die einen – vornehmlich Gewerkschafter und Arbeiterkämmerer – wollten unbedingt, dass der Vertrag von Martin Graf verlängert wird. Die anderen – vornehmlich die Wiener Stadtwerke und die SPÖ Wien – wollten, dass der Mann ihres Vertrauens in die E-Control kommt. Nämlich Magistratsdirektor Andreas Eigenbauer.

Mittendrin: Rudolf Hundstorfer, natürlich auf Gewerkschaftslinie und angehender Präsidentschaftskandidat. Bereits als die Ausschreibung für die Posten im vergangenen Herbst erfolgte, wurde Hundstorfer aktiv. Er hatte natürlich von den Stimmungsschwankungen innerhalb seiner Partei Wind bekommen und startete Interventionen – zugunsten Martin Grafs.

Dabei hat es der Gute allerdings ein bisschen zu gut gemeint: Immer wieder fühlte er im Wirtschaftsministerium vor, ob Grafs Vertrag verlängert wird. Als er wochenlang keine für ihn befriedigende Antwort bekam, machte er einen originellen Vorschlag: Es sollten nur zwei Kandidaten zum Hearing eingeladen werden – offenbar die beiden amtierenden Vorstände Boltz und Graf. Mitterlehner lehnte ab und beharrte auf jenen vier Kandidaten, die vom Headhunter topgereiht wurden.

Worauf auf SPÖ-Seite die Interventionsmaschinerie so richtig in die Gänge kam: Mitterlehner wurde bedeutet, dass die E-Control-Vorstände in jedem Fall – auch wenn ihr Vertrag nicht verlängert wird – ein weiteres Jahr beschäftigt werden müssten. So stehe es in ihren Verträgen, und das werde teuer. Das Ministerium ließ daraufhin ein Rechtsgutachten erstellen. Dessen Sukkus: Die Verträge seien laut ABGB „eher unwirksam“.

Rechtlich völlig eindeutig ist die Sache also nicht. Doch Mitterlehner soll – so wird in seinem Ministerium erzählt – über die akute Interventionitis der SPÖ ziemlich erbost gewesen sein. Es könne doch nicht sein, soll er getobt haben, dass die SPÖ aus einer Art Gefälligkeit seinerseits einen Rechtsanspruch auf den Vorstandsposten ableite.

Er hat sich dann doch den großkoalitionären Regeln unterworfen und einen SPÖler in den Vorstand gehievt. Allerdings just jenen, den Hundstorfer nicht wollte.

Einen letzten Gefallen hat er seinem Ex-Regierungskollegen aber dann doch getan: Hundstorfer hatte die Sorge, dass er mit der Bestellung von Andreas Eigenbauer tobende Gewerkschafter am Hals haben würde. Mitterlehner hat also mit der offiziellen Verlautbarung gewartet, bis Hundstorfer nicht mehr Minister ist – sondern Präsidentschaftskandidat.

Dafür sind viele in der Energiebranche außer sich: Dass Eigenbauer ihr Wettbewerbshüter wird, wäre ja noch zähneknirschend hingenommen worden. Dass aber Urgestein Walter Boltz gehen musste, finden viele unverständlich. Tenor: Boltz hätte dem roten Politfuchs Eigenbauer noch einigermaßen Paroli bieten können.

Auf einen Blick

Die Regulierungsbehörde E-Control wurde im Jahr 2001 im Zuge der Liberalisierung des Strommarktes gegründet. Sie hat die Aufgabe, Regeln für einen fairen und funktionierenden Wettbewerb aufzustellen und deren Einhaltung zu überwachen. Walter Boltz leitet die weisungsfreie Behörde seit Beginn, seit fünf Jahren hat er mit Martin Graf einen Ko-Vorstand. Beide werden jetzt abgelöst.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.02.2016)

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