Raiffeisen: Die (Neu-)Verteilung der Macht

Heinrich Schaller blockiert eine Fusion bei Raiffeisen: „Die Argumente liegen noch nicht hinreichend auf dem Tisch.“
Heinrich Schaller blockiert eine Fusion bei Raiffeisen: „Die Argumente liegen noch nicht hinreichend auf dem Tisch.“(c) Clemens Fabry
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Seit Christian Konrad vor Jahren seine Funktionen abgegeben hat, herrscht beim „Grünen Riesen“ ein Machtvakuum. Doch das ändert sich gerade: Vorhang auf für Heinrich Schaller.

Der Mann gilt als profunder Kenner des Hypo-Skandals. Neos-Abgeordneter Rainer Hable hat sich für den Untersuchungsausschuss ja auch akribisch in die Materie hineingetigert. Wer also Interesse an unappetitlichen Details zum Bankenskandal hat, ist bei Hable zweifellos an der richtigen Adresse.

Am frühen Abend des 9. Februar hat Rainer Hable in den Räumlichkeiten des Parlaments einen Vortrag zum Hypo-Skandal gehalten. Auf der Einladung dazu hieß es, er werde über „die Ursachen, Fehler und Folgen des Milliardengrabs der Hypo Alpe Adria“ referieren. So weit, so gewöhnlich.

Und trotzdem hat Hables Vortrag so etwas wie ein parteipolitisches Beben verursacht. Nicht, weil er an jenem Dienstag völlig Unerhörtes von sich gegeben hätte. Vielmehr, weil die Einladung zu dem Vortrag von einer Seite kam, die eher weniger Interesse daran hat, weiteres Öl ins Hypo-Feuer zu gießen. Gastgeber war der ÖVP-nahe Cartellverband. Verschickt wurden die Einladungen von einem sogenannten Zirkelvorsitzenden. Vom Chef der Raiffeisenlandesbank Oberösterreich, Heinrich Schaller.

Worte können die ÖVP-interne Aufregung, die dieser Vortrag verursachte, nur schwer beschreiben. Jedenfalls liefen die Telefone heiß, vor allem bei Bauernbund-Präsident und ÖVP-Nationalratsabgeordnetem Jakob Auer. Einmal rief der Zweite Präsident des Nationalrats, Karlheinz Kopf, an. Ein andermal war es ÖVP-Klubobmann Reinhold Lopatka. Tenor der empörten Anrufer: „Was soll das?“

Jakob Auer konnte freilich nicht weiterhelfen. Zwar ist er durchaus mächtig – etwa im Reich des „Grünen Riesen“ Raiffeisen. Und obendrein ist er Präsident des Aufsichtsrats von Schallers RLB OÖ. Aber von der Einladung zum Vortrag habe er, so versicherte er glaubhaft, nichts gewusst.

Eine kleine Episode, durchaus witzig (sofern man nicht im ÖVP-Klub sitzt). Und dennoch unglaublich vielsagend: Heinrich Schaller lässt im Reich des Giebelkreuzes niemanden kalt. Er ist offenbar nicht bereit, sich zu arrangieren. Er geht seinen Weg. Und er ist ein Machtfaktor. Manche bezeichnen ihn sogar als den neuen mächtigen Mann bei Raiffeisen.

Dort ist tatsächlich nach dem Abgang von Christian Konrad im Jahre 2012 ein machttechnisches Vakuum entstanden. Konrads Nachfolger an den diversen Schaltstellen haben es jedenfalls nie geschafft, in die großen Fußstapfen des Vorgängers zu treten. Was auch daran liegt, dass Konrads geballte Macht – er genoss sie 22 Jahre lang – aufgeteilt wurde: RZB-Chef Walter Rothensteiner wurde Generalanwalt; Erwin Hameseder wurde Obmann der Raiffeisen Holding; Klaus Buchleitner wurde operativer Chef der Holding und der Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien.
Doch den dreien wird auch aus persönlichen Gründen nicht das große Machtpotenzial zugetraut: Hameseder gilt als wenig durchschlagkräftig. Rothensteiner wird dieser Tage 63 und denkt eher an Ruhestand. Buchleitner hingegen stellt, so wird intern erzählt, durchaus einen Machtanspruch. Doch gilt er als eher zurückgezogen – mit einem starken Hang zum Zynismus. Kein Mann also, der Beziehungen aufbaut und Vertrauen schafft.

Heinrich Schaller hingegen ist, nach außen jedenfalls, Raiffeisens „freundliches Gesicht“: Ein Netzwerker, der auf Menschen zugeht. Ein Pragmatiker mit ausgeprägter Durchsetzungsfähigkeit. Vor allem aber: Ein Mann, der aus einer gewissen Position der Stärke agiert. Jedenfalls ist die RLB OÖ die wirtschaftlich erfolgreichste Landesbank im Reich des „Grünen Riesen“.

„Ohne Heinrich Schaller geht bei Raiffeisen nichts“, sagt denn auch ein ranghoher Insider. Die einst mächtige Raiffeisen-Achse Wien-Niederösterreich habe jedenfalls deutlich an Einfluss eingebüßt. Der schon traditionelle Machtkampf mit den Oberösterreichern, der einst von Schallers Vorgänger Ludwig Scharinger gegen Christian Konrad ausgetragen wurde, sei in die Verlängerung gegangen.

Mit dem Unterschied allerdings, dass Oberösterreich nunmehr die Oberhand habe. Heinrich Schaller gebe bei Raiffeisen den Ton an.

Am Beispiel der geplanten, weil dringend notwendigen Umstrukturierungen der Raiffeisen-Bankengruppe – immerhin der größten des Landes. Die ist schon seit zwei Jahren ein Thema. Das dreistufige System – lokale Raiffeisenbanken, darüber die Landeszentralen, darüber die RZB – ist jedenfalls ein europäisches Unikum. Und ein massives Problem punkto Doppelgleisigkeiten und Eigenkapitalerfordernissen.

In der Bankengruppe wird daher schon seit Langem über Fusionen geredet. Die Schmalspurvariante: RZB und deren Osteuropa-Tochter Raiffeisen Bank International (RBI) werden fusioniert. Die ehrgeizigere Option, intern „R3“ genannt: RZB, RBI und die Raiffeisenlandesbank NÖ-Wien werden fusioniert.

Es pressiert offenbar ganz gewaltig. So ist es also kein Zufall, dass sich RZB-Chef Rothensteiner und RBI-Boss Karl Sevelda Ende 2015 erstmals öffentlich zu notwendigen Strukturreformen geäußert haben: Eine Fusion ihrer beiden Institute brächte durchaus Vorteile, sagten sie. Und: 2016 werde es zur künftigen Struktur der Bankengruppe „die eine oder andere Entscheidung geben“.

Die beiden Herren wollten damit wohl Druck machen. Vermutlich wussten sie es da schon: Es wird mühsam. Denn eine Entscheidung dazu muss im Aufsichtsrat der RZB getroffen werden. Und dort sitzt Heinrich Schaller in seiner Funktion als stellvertretender Präsident.
Er ist nicht geneigt, das Vorhaben so einfach durchzuwinken.

Schaller ist durchaus dafür zu haben, dass in der Raiffeisen-Bankengruppe kooperiert wird, um teure Doppelgleisigkeiten zu verhindern. Von der Idee einer Fusion ist er allerdings absolut nicht überzeugt. Er betont, „offen“ zu sein. Aber: „Die Argumente dafür liegen noch nicht hinreichend auf dem Tisch“, sagt er der „Presse“ lakonisch.

Da muss also noch viel Überzeugungsarbeit geleistet werden. Denn wer Raiffeisen kennt, weiß: Beim „Grünen Riesen“ wird traditionell auf Konsens und Einstimmigkeit Wert gelegt. Undenkbar, dass es in einer Aufsichtsratssitzung zu einer Kampfabstimmung kommt. Ist Heinrich Schaller gegen Fusionen, dann finden sie wohl auch nicht statt.

Damit wird's zeitlich eng. Insidern zufolge müsste die Entscheidung über eine Umstrukturierung noch im ersten Quartal getroffen werden, damit sich das mit der Fusion noch heuer ausgeht.

Man wird sehen. Kommende Woche findet ein abermaliges Treffen der Raiffeisen-Granden zum Thema Restrukturierung statt. Manche, die Schaller weniger wohlwollend gegenüberstehen, meinen, dass Schaller sich deswegen so ziert, weil er eine „persönliche Agenda“ habe. Sprich: Als „Entgegenkommen“ wolle er bei einem Ja zu einer Fusion auch ganz offiziell die Macht bei Raiffeisen übernehmen. Sei es als künftiger Boss der fusionierten Banken. Sei es als Generalanwalt.

Reines machtpolitisches Kalkül des Oberösterreichers also? Allein der Argwohn zeigt deutlich: Heinrich Schaller wird viel zugetraut. In jeder Hinsicht.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.02.2016)

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