ÖVPler, irritiert und indigniert

Wirtschaftsbund-Generalversammlung I: Leitl mit xxx Prozent zum Pr�sidenten des �sterreichischen Wirtschaftsbundes wiedergew�hlt
Wirtschaftsbund-Generalversammlung I: Leitl mit xxx Prozent zum Pr�sidenten des �sterreichischen Wirtschaftsbundes wiedergew�hlt(c) Wirtschaftsbund/ Weinwurm
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Der Wirtschaftsbund fühlt sich von der Regierung düpiert. Christoph Leitl hat seine Mitglieder noch einmal hinter sich vereint. Doch Vorbereitungen für seine Nachfolge laufen schon.

Der Samstag vergangener Woche: Im Wirtschaftsbund herrscht eitel Wonne. Die Teilorganisation der ÖVP mit rund 100.000 Mitgliedern hat gerade ihre Generalversammlung im neuen Erste Campus beim Wiener Hauptbahnhof abgehalten. Christoph Leitl ist mit 90,1 Prozent der Stimmen zum Präsidenten gewählt worden – zum fünften Mal. Seine sechs Vizepräsidenten haben noch besser abgeschnitten.

Aber der Vergleich von Prozentsätzen soll kein Thema sein. Es gilt, die gelungene Wahl zu feiern. Und das schreit geradezu nach einem Foto. Gesagt, getan. Der erhebende Moment wird als Gruppenbild mit strahlenden Gesichtern festgehalten.

Ein anderes Foto hätte freilich die Sache besser auf den Punkt gebracht: Unweit des fröhlichen Geknipses steht nämlich Reinhold Mitterlehner. Allein und verlassen. Niemand hat es der Mühe wert gefunden, ihn zum Foto zu bitten. Ihn, den Vizekanzler, den Wirtschaftsminister, den Wirtschaftsbündler. Ein Affront, keine Frage. Mit starker Symbolkraft: Im Wirtschaftsbund gärt es.

Tja, so ändern sich die Zeiten. Im Herbst 2014 sind die Wirtschaftsbündler noch nachgerade euphorisch gewesen: Nach der einigermaßen trostlosen Ära Michael Spindelegger schienen für sie neue, bessere Zeiten anzubrechen. Gleich drei aus ihren Reihen hatten es in die Regierung geschafft: Mitterlehner, zuvor schon Wirtschaftsminister, wurde Parteichef und Vizekanzler; Hans Jörg Schelling übernahm das Finanzministerium; Harald Mahrer wurde Staatssektretär im Wirtschaftsministerium.

Gleich drei Wirtschaftsbündler in der Regierung. Das hat es noch nie gegeben, freuten sich alle in der Teilorganisation. Jetzt könne es nur mehr aufwärts gehen, hieß es, jetzt werde der Regierungspartner SPÖ auf Wirtschaftskurs gebracht. Die Stunde der Unternehmen sei gekommen. Endlich.

Wie man sich täuschen kann. Wenige Monate später kam das Rauchverbot in Lokalen per 2018 – nachdem die Gastronomie kostspielige Investitionen in die Trennung ihrer Räumlichkeiten absolviert hatte. Dann gab es die Steuerreform mit Mehrwertsteuererhöhungen für Touristiker. Ganz zu schweigen von der leidigen Geschichte mit den Registrierkassen.

Die Stimmung im Wirtschaftsbund mit dem Wort „Unmut“ zu beschreiben, wäre eine glatte Untertreibung. „Zorn“ und „Rage“ sind da schon treffender.

Das sorgte natürlich für große Nervosität vor der Wirtschaftsbund-Generalversammlung. Christoph Leitl muss ja für viele als Sündenbock herhalten. Da fährt die Eisenbahn drüber – auch wenn im Umfeld Leitls gern betont wird, dass er zwar sein Möglichstes tue, aber längst keine Gesprächsbasis mehr mit Mitterlehner habe. Mitterlehner, einst Generalsekretär-Stellvertreter in der Wirtschaftskammer, versuche sich zusehends von seinem einstigen Chef Leitl zu emanzipieren. Leitl bekomme schon lang keine Gesprächstermine beim ÖVP-Chef. Dieses Privileg sei Wirtschaftsbund-Generalsekretär Peter Haubner vorbehalten.

Haubner hat also so etwas wie eine Vermittlerrolle übernommen. Und er war es auch, der vor der Generalversammlung höchst umtriebig war und Wirtschaftsbündler motivierte, Leitl auch zu wählen. Ein Salzburger erzählt: „Er hat uns eindringlich um Geschlossenheit gebeten. Grabenkämpfe wären das falsche Signal zur falschen Zeit.“ Vorsichtshalber erklärte Leitl dann auch kurz vor der Generalversammlung in einem Zeitungsinterview, dass er sein Amt spätestens 2019 abgeben werde. Er werde also nicht mehr die gesamte Funktionsperiode dienen. 90 Prozent der Stimmen waren ihm somit sicher.

Woran man schon ganz gut erkennen kann, was das eigentliche Thema war: Eine Führungsdiskussion im Wirtschaftsbund und also an der Spitze der Wirtschaftskammer sollte mit aller Macht verhindert werden. Das ist das Letzte, was der Wirtschaftsbund in dieser schwierigen Phase braucht. Leitl und Haubner haben also Zeit gewonnen. Auch dafür, eine geeignete Nachfolge zu finden. Die Devise lautet: „Geordneter Generationswechsel“.

Es gibt einige, die als Leitl-Nachfolger infrage kommen. Und sie werden wohl schon bald zur Verfügung stehen müssen. Denn Leitl wird früher als gesagt gehen. In seinem Umfeld wird schon nächstes Jahr mit der Amtsübergabe gerechnet. Spätestens Anfang 2018.

Die Kandidaten haben sich jedenfalls schon in Position gebracht. Im Wirtschaftsbund werden fünf Namen genannt. Da ist einmal Walter Ruck, Präsident der Wiener Wirtschaftskammer. Nach einer erfolgreich absolvierten Kammerwahl in Wien steht er hoch im Kurs. Er gilt als Gegner einer SPÖ-ÖVP-Koalition und hat keine Berührungsängste mit der FPÖ.

Auch der steirische Kammerchef, Josef Herk, würde Leitl gern beerben. Sein Programm lässt sich so zusammenfassen: Der Einfluss der Wirtschaftskammer Österreich soll beschnitten, die Länderkammern gestärkt werden.

Als Kandidat gilt auch Leitls neuer Vize im Wirtschaftsbund, Staatssekretär Harald Mahrer. Im Wirtschaftsbund wird er allerdings mit einer guten Portion Skepsis beäugt: Mahrer ist sehr ehrgeizig – viele argwöhnen, er könne die Wirtschaftsbundspitze erklimmen wollen, um ein politisches Sprungbrett zu haben.

Zwei Frauen haben ebenfalls den Zug zum Tor. Nämlich Wirtschaftskammer-Vizepräsidentin Martha Schultz, auch Bundesvorsitzende von Frau in der Wirtschaft. Gut im Rennen ist auch Ulrike Rabmer-Koller, neue Präsidentin des Hauptverbandes der Sozialversicherungsträger. Sie hält mit ihren Ambitionen nicht hinterm Berg, wird erzählt. Die anderen werden das wohl demnächst auch tun.

Doch das sollte und durfte bei der Generalversammlung noch kein Thema sein. Es galt tunlichst, keinen Wahlkampf zu führen, Geschlossenheit zu demonstrieren und Leitl als „Mister Wirtschaft“ zu feiern und zu stärken. „Wir werden schneller, stärker, klarer werden müssen“, gab Haubner in seiner Rede die Parole aus. Heißt: Der Wirtschaftsbund will ab sofort stärker gegen die SPÖ von Werner Faymann, gegen die Arbeiterkammer und den ÖGB auftreten. „Angriffen auf das Unternehmertum“ soll nun vehement Paroli geboten werden. Weil dies eben von den Wirtschaftsbündlern in der Regierung nicht zu erwarten ist.

Einen ersten Vorgeschmack dazu gab es schon bei der Generalversammlung. Da hielt Mitterlehner eine seiner vielen Reden, in denen er seine Wirtschaftspolitik verteidigt. Sukkus: Die Exporte brummen, der Wirtschaft gehe es eh super – man möge doch endlich mit dem Jammern aufhören.

Der Applaus war gerade noch höflich.

Dann kam ÖVP-Nationalratsabgeordneter Gabriel Obernosterer von der Wirtschaftskammer Kärnten ans Mikrofon. Der Wirtschaft werde die Luft genommen, rief er. „In der Flasche ist nicht mehr viel drin. Zu viele Stamperln sind im vergangenen Jahr verschenkt worden.“

Dafür gab es tosenden Beifall.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.03.2016)

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