High Noon an der Wiener Börse

Inside The Wiener Boerse AG Stock Exchange
Inside The Wiener Boerse AG Stock Exchange(c) Bloomberg (Akos Stiller)
  • Drucken

Am Donnerstag wird sich entscheiden, ob die Machtübernahme deutscher Aktionäre bei Conwert gelingt.

Drei Adjektive drängen sich üblicherweise im Zusammenhang mit der Wiener Börse auf: langweilig, öd, verschlafen. So ist das eben, wenn die Handelsumsätze tagtäglich eher mau sind. Auch Übernahmeschlachten kennt man hierzulande vor allem von den großen Weltbörsen. In Österreich haben die börsenotierten Unternehmen gewöhnlich stabile Kernaktionäre – Schlachten spielen sich also allenfalls an den Buffets der Hauptversammlungen ab.

Kein Wunder, dass Wilhelm Rasinger neuerdings rotiert. Jahrzehntelang hat er als umtriebiger Kleinaktionärsvertreter mit dem Aktienmarkt zu tun, aber so etwas hat er noch nicht erlebt. Es ist ein an Dramatik kaum zu überbietendes Schauspiel. Beim börsenotierten Immobilienkonzern Conwert geht es gerade rund. Rasinger kennt jedenfalls keine Zurückhaltung. Von „Glücksrittern“ spricht er. Oder er formuliert, einigermaßen despektierlich: „Jetzt kommen diese Herrschaften daher.“

„Diese Herrschaften“ – das ist der Conwert-Großaktionär Adler Real Estate. Ein Unternehmen aus Deutschland. 22,37 Prozent an Conwert halten die Deutschen. Und sie dürsten offenbar nach Macht und Einfluss beim österreichischen Unternehmen. Am kommenden Donnerstag, dem 17. März, ist der Tag der Entscheidung.
Die Deutschen haben für den Tag eine außerordentliche Hauptversammlung einberufen. Was schon einmal „unüblich“ ist, wie Rasinger sagt. „Zu solchen Maßnahmen wird nur gegriffen, wenn Gefahr im Verzug ist.“ Die Deutschen sehen das anders: Sie wollen so etwas wie einen Putsch im Conwert-Verwaltungsrat veranstalten. Heißt: Von den derzeit vier Mitgliedern des Kontrollgremiums sollen gleich drei hinauskomplimentiert und durch Kandidaten der Deutschen ersetzt werden. Mehr noch: An die Spitze des Verwaltungsrates soll just ein gewisser Dirk Hoffmann gelangen – jener Mann, der auch dem Aufsichtsrat von Adler präsidiert.

„Adler zielt klar darauf ab, die Kontrolle über den Verwaltungsrat und damit über Conwert zu erlangen“, heißt es vom österreichischen Unternehmen. Das sei als „feindselige Aktion gegenüber dem Unternehmen“ zu bewerten. Was die Deutschen natürlich empört zurückweisen. „Es ist nicht unser Ziel, durch die Hintertür Macht zu übernehmen“, betont Adler-Vorstand Arndt Krienen im Gespräch mit der „Presse“. Es sei vielmehr so, dass man mit der Entwicklung der Conwert unzufrieden sei: Bei österreichischen Immobilien gebe es kaum Wachstumschancen – man sollte diese also verkaufen und das Geld in Deutschland investieren. Und überhaupt: Den aktuellen Verwaltungsratsmitgliedern fehle es an Fachkompetenz, die hätten in dem Gremium „nichts zu suchen“.

Dass die Deutschen mit dem Conwert-Verwaltungsrat ihre liebe Not haben, ist nachvollziehbar. Ein Gutteil der Mitglieder ist zwar erst seit wenigen Monaten in dem Gremium. Gegen Jahresende soll es aber gleich Zoff mit dem deutschen Großaktionär Adler gegeben haben.
Insidern zufolge ging es dabei darum, dass der Verwaltungsrat eine Transaktion zu prüfen hatte, die ein Zusammengehen beider Firmen zur Folge gehabt hätte. Aktionärsvertreter Rasinger formuliert das so: „Die Deutschen sind Glücksritter, die zu schnellem Geld kommen wollen. Adler hat besorgniserregend viele Leerstände bei seinen Immobilien und will die Liquidität von Conwert für sich nutzen. Das ist offensichtlich.“
Faktum ist: Der Verwaltungsrat lehnte das Ansinnen der Deutschen ab – drei Wochen später forderten diese eine Rundumerneuerung des Verwaltungsrates.

Adler-Vorstand Krienen will das nicht so sehen: Natürlich sei über eine „operative Zusammenarbeit beider Unternehmen“ gesprochen worden. Und: „Im Rahmen von Brainstormings macht man sich über alles Mögliche Gedanken.“ Das sei es aber auch schon gewesen.
Nachtigall, ick hör dir trapsen.

Der Argwohn bleibt also. Das liegt auch daran, dass ein gewisser Cevdet Caner als Strippenzieher hinter Adler vermutet wird. Er gründete seinerzeit eine deutsche Immobiliengruppe, die in die Pleite schlitterte. Seit 2010 wird gegen ihn und weitere 19 Personen wegen des Verdachts des schweren Betrugs, der betrügerischen Krida und der Gläubigerschädigung ermittelt. Es gilt natürlich die Unschuldsvermutung.

Aktionärsvertreter Rasinger seufzt: Dass Adler überhaupt an das Conwert-Aktienpaket kam, sei eben eine Folge langjähriger Streitereien bei Conwert. „Das Unternehmen hat schon lange das Problem, keine verlässlichen, langfristig orientierten Kernaktionäre zu haben.“
Stimmt. Nachdem die Conwert-Gründer Günter Kerbler und Johann Kowar ihre Anteile vor Jahren verkauften, gab's dort nichts als Wickel. Der Industrielle Hans Peter Haselsteiner stieg ein, detto Klaus Umek mit seiner Investmentfirma Petrus Advisers. Alsbald wurde permanent gestritten – auch über offene Briefe, die Umek gut und gern in Tageszeitungen veröffentlichen ließ. Manager und Verwaltungsräte kamen und gingen. Vor rund einem Jahr verkaufte Haselsteiner sein Aktienpaket völlig entnervt, und zwar an den israelischen Milliardär Teddy Sagi. Dieser wiederum verkaufte nur drei Monate später an die deutsche Adler Real Estate.

Was dies nun für das weitere Schicksal von Conwert bedeutet, wird sich am 17. März zeigen. Da wird die Hauptversammlung über den Antrag Adlers, drei Mitglieder des Verwaltungsrates auszutauschen, entscheiden. Neben Adler (22,37 Prozent der Anteile) ist auch Petrus Advisers (6,74 Prozent) dafür. Der Adler-Vorstand behauptet allerdings, dass er bereits 40 Prozent der Stimmen für sein Anliegen gewinnen konnte.

Das wäre an sich noch kein Beinbruch für Conwert, da 75 Prozent der anwesenden Stimmen dafür sein müssten. Doch genau das verursacht für Conwert die Zitterpartie – die Betonung liegt auf „anwesende“ Stimmen. Der Streubesitz bei Conwert ist sehr hoch, er liegt bei über 50 Prozent. Bleiben also etliche Kleinaktionäre der Hauptversammlung fern, dann könnten sich die Deutschen durchsetzen.

Rasinger, händeringend: „Es ist ungemein wichtig, dass die Aktionäre bei der Hauptversammlung ihr Votum abgeben oder ihre Stimmrechte übertragen, sonst ist man den Leuten ausgeliefert.“ Nachsatz: „Das ist wie in der Politik: Nicht wählen und nachher raunzen bringt nichts.“
Adler-Vorstand Krienen hat ein ähnlich angespanntes Nervenkostüm. „Es wird ein knappes Ergebnis“, sagt er. Und wenn sich die Deutschen nicht durchsetzen? Seine Antwort lässt keine Hoffnungen auf friedlichere Zeiten aufkeimen: „Wir werden nicht lockerlassen.“

So oder so: Die Causa Conwert wird den Aktienmarkt wohl noch eine Zeit lang beschäftigen. „Das lähmt das Unternehmen“, warnt Rasinger. Um die Sache einen Tick komplizierter zu machen, hat sich vergangene Woche auch noch die Übernahmekommission eingeschaltet. Sie prüft, ob die Deutschen nicht zu einem Übernahmeangebot verpflichtet sind, weil sie sich mit anderen Aktionären abstimmen. Die vollmundige Behauptung von Adler, 40 Prozent der Stimmen hinter sich zu haben, hat hellhörig gemacht.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.