SPÖ: Diese Lücke, diese entsetzliche Lücke

Werner Muhm
Werner Muhm(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Er ist Faymann-Einflüsterer, linkes Bollwerk, Machtfaktor. Doch in drei Monaten geht Werner Muhm in Pension.
Die Wirtschaft jubelt, doch der SPÖ droht ein schwer zu ertragendes Vakuum.

Im ÖVP-Wirtschaftsbund gibt's derzeit bekanntlich eher weniger zu lachen. Registrierkassenpflicht, Mehrwertsteuererhöhungen – die Liste der Belastungen für die Wirtschaft ist lang, die Stimmung kurz vor dem Gefrierpunkt. Da klammert man sich an wirklich jeden Strohhalm, der auch nur ansatzweise erfreuliche Perspektiven verspricht.
Ein probater Stimmungsaufheller wurde gefunden. In der Person des Werner Muhm. Das neue Mantra in der Wirtschaft lautet: nur mehr drei Monate. Dann geht er in Pension.

Lang wurde darauf gewartet. Werner Muhm wird Anfang April 66 Jahre alt. Und er ist eine kleine Ewigkeit bei der Arbeiterkammer beschäftigt. Dorthin gelangte er gleich nach seinem Studium an der Hochschule für Welthandel. Seit 2001 ist er Direktor der Arbeiterkammer Wien. „Werner Muhm kennt nichts anderes als den Kampf für soziale Gerechtigkeit“, schrieb der „Trend“ vor Jahren.
Ganz schön euphemistisch. Man könnte auch so formulieren: Werner Muhm ist hierzulande so etwas wie ein linkes Bollwerk. Wenn die ÖVP wie so oft beim Regierungspartner SPÖ auf Granit beißt, kann man getrost davon ausgehen: Da steckt Werner Muhm dahinter. Sei es im Zuge der Steuerreform, der eher mickrig geratenen Pensionsreform, beim Streit über die Bankenabgabe.
Kein Wunder, dass der Wirtschaftsbund frohlockt: „Nach Muhms Pensionierung“, heißt es dort, „wird es wohl weniger Klassenkampf, weniger Ideologie und wieder mehr Fokus auf standort- und wirtschaftspolitische Fragestellungen geben.“

Wortspenden dieser Art sind wohl Salz in die Wunde des Werner Muhm. Über seine bevorstehende Pensionierung soll er ja alles andere als erfreut sein. Aber der Zug der Zeit hat bekanntlich keine Haltestellen. Und außerdem war Arbeiterkammer-Präsident Rudolf Kaske sehr dahinter, dass Muhm in den verdienten Ruhestand geht. Kaske steht seit März 2013 an der Spitze der Interessenvertretung. Und oben ist die Luft bekanntlich ziemlich dünn. Zu dünn für zwei machtbewusste Männer.

Muhm soll Kaske jedenfalls von Anfang an ein Dorn im Auge gewesen sein – weil er stets seinen eigenen Weg geht, weil er nicht steuerbar ist, weil er im Land ein Machtfaktor ist.

Das wiederum hat vor allem mit einem gewissen Werner Faymann zu tun. „Werner & Werner“ – so werden Faymann und Muhm in politischen Kreisen genannt. Und diese saloppe Bezeichnung bringt alles auf den Punkt: Die beiden sind, das muss man ihnen neidlos zugestehen, ein kongeniales Team.

Jedenfalls ist Muhm einer der engsten Berater des SPÖ-Kanzlers. Böse Zungen behaupten gar, Muhm gleiche Faymanns intellektuelle Defizite aus. Faymanns Vorgänger, Alfred Gusenbauer, wusste jedenfalls mit Muhm herzlich wenig anzufangen.

Faymann weiß hingegen, was er an Muhm hat. Nämlich einen Berater mit gewaltiger Expertise. Und die hat Muhm wiederum der Arbeiterkammer zu verdanken.

Die Interessenvertretung hat unter Muhm die Rolle der „kleinen Schwester des ÖGB“ abgelegt und ist zum einflussreichen sozialdemokratischen Thinktank geworden. Da werden – oft unter der Regie von Muhm – Studien zur Untermauerung roter Anliegen gemacht. Da werden personalpolitische Weichen gestellt – in den Kabinetten der SPÖ-Ministerien tummeln sich Arbeiterkämmerer geradezu.
„Die Arbeiterkammer ist ein Ressourcenpool von Daten und Personen“, sagt Politikberater Thomas Hofer, „so eine Kombination sucht in Österreich ihresgleichen.“

Die Zusammenarbeit mit der SPÖ funktioniert jedenfalls reibungslos. Ein gutes Beispiel sind die Werbekampagnen. Im Mai 2010 klotzte die SPÖ mit Plakaten. Slogan: „Zeit für Gerechtigkeit“. Die Arbeiterkammer setzte das nahtlos fort und tut das bis heute: Sämtliche Kampagnen laufen unter dem Schlagwort „Gerechtigkeit“. Hofer: „Das ist klassisches Outside Campaigning – scheinbar Unbeteiligte stützen die Agenda eines Freundes.“

Freundschaft – in jeder Hinsicht. Doch wie geht es nach Muhms Pensionierung weiter? Sein designierter Nachfolger, Arbeiterkämmerer Christoph Klein, wird generell als erfahrener Sozialpartnerverhandler geschätzt – auch von der ÖVP. Doch er wird, so die allgemeine Annahme, das Licht der Öffentlichkeit nicht so sehr suchen. Danach wird wohl AK-Präsident Kaske trachten.

Werner Muhm wird also eine gewaltige Delle in der SPÖ hinterlassen, da sind sich alle Beobachter einig. Frei nach dem Bestseller von Joachim Meyerhoff „Ach, diese Lücke, diese entsetzliche Lücke“.

Beraterin Heidi Glück, einst Pressesprecherin von ÖVP-Chef Wolfgang Schüssel, erinnert sich: „Muhm war die Speerspitze gegen Schüssels Pensionsreform.“ Wobei sie einräumt: „Er hat nicht nur ideologisch, sondern auch mit viel Wissen argumentiert.“ Ihre Conclusio: „Man muss ihm argumentativ gewachsen sein. Er ist einer der Stärksten in der SPÖ.“ Kein Wunder, dass Muhm vor Kurzem noch als Kandidat für den SPÖ-Infrastrukturminister gehandelt wurde.

Einen Beitrag zu der Stärke hat in gewisser Weise auch die ÖVP geleistet. Die hat seit jeher ein einigermaßen zwiespältiges Verhältnis zu Muhm: Ideologisch ist er für sie der Gottseibeiuns. Persönlich pflegen aber viele ÖVP-Granden ein nachgerade freundschaftliches Verhältnis zu ihm. Finanzminister Hans Jörg Schelling gehört dazu, detto ÖVP-Chef und Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner. Vor einem Jahr soll ein Anruf von Muhm gereicht haben – und Mitterlehner gab ihm flugs einen Sitz im Aufsichtsrat des Stromkonzerns Verbund. So jedenfalls die Fama. Und als ÖVP-Finanzministerin Maria Fekter 2012 Muhm den Sitz im Generalrat der Nationalbank wegnahm, sprang niemand Geringerer als Wirtschaftskammer-Chef Christoph Leitl für ihn in die Bresche. Muhm ist heute immer noch OeNB-Generalrat.

Kraft dieser Funktionen in Kontrollorganen wird Werner Muhm also weiterhin eine Rolle in der österreichischen Wirtschaftspolitik spielen. Doch die Sache ist definitiv ausbaufähig, finden etliche politische Beobachter. Es sei jedenfalls schwer zu glauben, dass sich Faymann mit dem Vakuum, das Muhm zu hinterlassen droht, abfinden werde.
Das sorgt naturgemäß für die wildesten Gerüchte. Mal heißt es, Muhm werde in den Aufsichtsrat der OMV einziehen. Mal heißt es, er könne Vizepräsident der Nationalbank werden. Beides eher unrealistisch. Absolut realistisch ist hingegen: Muhm wird wohl einen Job bekommen, der ihm eine Büro-Infrastruktur ermöglicht. Damit er weiterhin effektiv als Faymann-Einflüsterer arbeiten kann. Sagt ein Beobachter: „Alles andere wäre für Faymann unerträglich.“

Auf einen Blick

Werner Muhm (*1950) geht per 1. Juli als langjähriger Direktor der Arbeiterkammer Wien in Pension. Der mächtige Berater von Kanzler Werner Faymann hat aber noch andere Funktionen, die er behalten wird: Er sitzt im Generalrat der Nationalbank, er ist Mitglied der Aufsichtsräte von Verbund, Vienna Insurance Group und Kommunalkredit.
Christoph Klein wird Muhms Nachfolger in der Arbeiterkammer. Klein wird im Gegensatz zu Muhm als Verhandler vor allem von ÖVP-Wirtschaftskreisen sehr geschätzt.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.03.2016)

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