Wenn rote Funktionäre Rot sehen

Gebäude der Wirtschaftskammer Wien
Gebäude der Wirtschaftskammer WienMichaela Bruckberger
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Interessenvertretung. Die letzten Wirtschaftskammer-Wahlen haben den roten Wirtschaftsverband Wien Geld und Stimmen gekostet. Finanzielle Probleme werden aber dementiert.

Der Mann ist glaubwürdig erbost. „Ich sehe überhaupt nicht ein, dass ich mit solchen Gerüchten konfrontiert werde“, sagt Fritz Strobl.

Irgendwie verständlich: Strobl ist seit 1995 Präsident des Sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes Wien. Und als Interessenvertreter roter Unternehmer kann er vor allem eines absolut nicht gebrauchen: nämlich Berichte über die finanzielle Schieflage seines Wirtschaftsverbandes. Das wäre irgendwie peinlich.

Von Schulden in Höhe von bis zu 1,4 Millionen Euro ist die Rede. Was Strobl empört als „absoluten Blödsinn“ bezeichnet. Erst kürzlich sei der Rechnungsabschluss 2015 in den Gremien ohne Gegenstimme beschlossen worden. „Glauben Sie mir“, sagt Strobl, „wenn es da irgendetwas Überbordendes gegeben hätte, wäre das nicht möglich gewesen.“ Klingt einleuchtend. Nur: Strobl will die kursierenden Horrorzahlen auch nicht aus der Welt schaffen, indem er die offiziellen Zahlen aus dem druckfrischen Rechnungsabschluss nennt. Warum nicht? „Ich sehe da absolut keinen Rechtfertigungsbedarf“, sagt er. Die einzige halbwegs konkrete Aussage, zu der sich Strobl durchringt: „Unsere finanzielle Situation ist wie nach jedem Wahljahr. Sie war auch 2010, 2005 und 2000 so.“

Ja, so ein Wahlkampf ist teuer. Anfang 2015 mussten die Wirtschaftskammer-Wahlen geschlagen werden. Eine Million Euro hat der rote Wiener Wirtschaftsverband angeblich in die Schlacht geworfen. Es galt ja, den dominierenden schwarzen Wirtschaftsbund in die Knie zu zwingen.

Das ist eher nicht geglückt. Erst unlängst meinte Strobl zwar in der „Kronen Zeitung“: „Es war der beste Wahlkampf, wir haben noch nie so viel Spaß gehabt.“ Wenigstens etwas. Doch mit dem Wahlergebnis hörte sich der Spaß auf: Die Roten sackten von 29,7 auf 20,5 Prozent der Stimmen ab. Und das wirkte sich natürlich – ein Unglück kommt bekanntlich selten allein – auf die sogenannte Wählergruppenförderung der Wirtschaftskammer aus. Sprich: Es gab weniger Geld. Eine denkbar unglückliche Kombination angesichts höchst generöser Wahlkampfkosten.

Doch Fritz Strobl bleibt dabei: alles im grünen Bereich.

Reiner Zufall auch, dass sein Geschäftsführer, Peko Baxant, per 1. März gegangen ist. Dieser habe ein berufliches Angebot im Sportbereich bekommen, sagt Strobl. Wo genau, will er nicht verraten. Ist auch nicht so wichtig. Interessant ist hingegen die Rolle, die Baxant 2015 als Wahlkampfverantwortlicher gespielt hat – keine besonders glückliche, wohlgemerkt, wiewohl Strobl auch das bestreitet.

Baxant hatte es verabsäumt, die nötigen Unterstützungserklärungen für rote Wahlvorschläge in sechs Handelsfachgruppen zu liefern. Gar nicht gut: In den sechs großen Fachgruppen mit über 7000 Wahlberechtigten konnte der Wirtschaftsverband also nicht zur Wahl antreten. Schön ärgerlich eingedenk der Tatsache, dass die Handelssparte dem roten Wirtschaftsverband verlässlich die meisten Stimmen bringt. Früher jedenfalls.

Die Sitzung der Hauptwahlkommission vom 29. Jänner 2015 verlief entsprechend turbulent. Und höchst ungewöhnlich.

Jedenfalls wurde die Sitzung kurz vor Mittag unterbrochen. Die Pause von einer Viertelstunde wurde von Rot und Schwarz genützt, um sich in ein Hinterzimmer zurückzuziehen. Dort einigte man sich auf eine Vorgangsweise, die wohl nur in der sonderbaren Welt der Kammern möglich ist: Weil Rot in den besagten sechs Fachgruppen nicht antreten durfte, wurden mit Schwarz Einheitslisten gebildet. Heißt: Zum Konterfei des Wirtschaftsbund-Kandidaten wurde schlicht auch das Kürzel des roten Wirtschaftsverbandes hinzugefügt.

Volker Plass, Bundessprecher der Grünen Wirtschaft, empört sich immer noch: „Die Änderung der Listenbezeichnung war zu diesem Zeitpunkt gesetzlich gar nicht mehr möglich.“ Nachsatz: „Sie wurde aber von der Hauptwahlkommission, in der nur Schwarz und Rot stimmberechtigt sind, abgesegnet.“ Wir wer'n kan Richter brauchen, heißt es ja so schön.

Der Sozialdemokratische Wirtschaftsverband war wohl selig, immerhin konnte der peinliche Lapsus mit den fehlenden Unterstützungserklärungen solcherart wunderbar kaschiert werden. Dass die Roten damit Wahlhilfe für rein schwarze Wahlvorschläge leisteten, wurde geflissentlich hingenommen. Wohl auch deswegen, weil es laut Plass im Hintergrund einen feinen Deal gab: Der ÖVP-Wirtschaftsbund sagte den Sozialdemokraten zu, dass sie in den besagten Fachgruppen den Posten des Obmann-Stellvertreters erhalten würden. Aber rote Mandate im Wirtschaftsparlament waren eben futsch. Und das schlägt – leider, leider – auf die Fraktionsförderung seitens der Kammer durch.

Man darf also getrost davon ausgehen, dass die finanzielle Situation des Wirtschaftsverbandes alles andere als rosig ist. Fritz Strobl will das freilich alles nicht so eng sehen, aber in der SPÖ wird erzählt, dass er beim Wiener Wirtschaftskammer-Präsidenten Walter Ruck schon vorgefühlt habe, ob eine zusätzliche finanzielle Unterstützung denn nicht möglich wäre. Das wird aber wohl nichts anderes als ein Gerücht sein: Strobl dementiert, ebenso Rucks Sprecher.

Ganz von der Hand zu weisen ist es aber nicht: Die Wiener Wirtschaftskammer – ihre Mitglieder sind natürlich zwangsweise dabei – schwimmt förmlich im Geld. Im Rechnungsabschluss für 2014 (jener für 2015 ist noch nicht verfügbar) werden etwa rund 111 Millionen Euro unter dem Posten „Wertpapiere des Anlagevermögens“ angeführt. Das Guthaben bei Kreditinstituten kommt auf rund 62 Millionen. Insgesamt ist allein die Gewinnrücklage mit 184 Millionen Euro gut gefüllt. Da nehmen sich die jährlichen rund vier Millionen Euro, die die Kammer allein in Wien für die Wählergruppenförderung ausschüttet, nachgerade mickrig aus.

Egal, der Wirtschaftsverband Wien hat ja eh keine finanziellen Nöte, sagt Fritz Strobl. Er ist übrigens seit wenigen Monaten nicht mehr Vorsitzender des Finanzausschusses des Wiener Gemeinderates. Weil die Funktion angesichts seiner finanziellen Nöte ein denkbar schlechtes Bild abgeben würde? Nein, sagt er, alles nur Zufall. Er habe nämlich andere Aufgaben überantwortet bekommen. Jetzt ist er Vorsitzender des Unterausschusses Umwelt und Wiener Stadtwerke.

(Print-Ausgabe, 02.04.2016)

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