Brösel am Bosporus

Georg Pölzl
Georg Pölzl(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Die teilstaatliche Post hat Zores in der Türkei: Die dortige Beteiligung will die Österreicher draußen haben – und macht heftig Stimmung gegen österreichische Investoren.

Post-Chef Georg Pölzl hat beileibe keinen einfachen Job: Das Kerngeschäft, nämlich das mit den Briefen, geht kontinuierlich zurück. Da heißt es, nach neuen, zukunftsträchtigen Geschäftsfeldern Ausschau zu halten. Und nach vielversprechenden Auslandsbeteiligungen. Dauernd und ständig.
Mitte 2013 ist Pölzl ein ganz besonderes Bravourstück gelungen: Um 50 Millionen Euro übernahm die teilstaatliche Österreichische Post 25 Prozent am türkischen Paketdienstleister Aras Kargo. Strahlende Gesichter bei allen Beteiligten: Die türkische Familie Aras, die die restlichen 75 Prozent behielt, lobte die „internationale und technologische Expertise“ der Österreicher. Pölzl schwärmte vom „enormen Wachstumspotenzial“ der neuen türkischen Beteiligung.
So redet ein Mann, der weiß, dass er sich einen dicken Fisch geangelt hat. Aras Kargo zählte damals 5400 Mitarbeiter und verfügte mit einem Jahresumsatz von 250 Millionen Euro über einen 25-prozentigen Marktanteil. Ein Fall für knallende Sektkorken, keine Frage. Zumal sich die Österreicher vertraglich eine sogenannte Call-Option gesichert hatten: Im Jahr 2016, so wurde fixiert, könnten sie auf 75 Prozent der Anteile aufstocken.
Jetzt muss Georg Pölzl die bittere Erfahrung machen: Vom Honeymoon zum Rosenkrieg dauert es oft nicht lang. In seinem Fall sind es genau drei Jahre. Aus der einstigen einhelligen Begeisterung beider Partner ist jedenfalls tiefe Abneigung geworden. So tief, dass in den kommenden Wochen eine handfeste wirtschaftspolitische Eskalation droht.
Aktenkundig ist das heillose Zerwürfnis seit vergangenem Sonntag. Da verschickte der türkische Partner eine Aussendung, die es in sich hatte. Sukkus: Die Familie Aras lehnt die Option der Österreicher, zuzukaufen, ab. Diese würde nämlich „das Potenzial des Unternehmens beeinträchtigen und große Risken für die Anleger mit sich bringen“. Man sei aber bereit, den Österreichern ihren 25-prozentigen Anteil wieder abzukaufen.
Große Überraschung: Die Österreicher wollen davon nichts wissen. Post-Sprecher Michael Homola: „Es gibt einen Vertrag aus dem Jahr 2013 und der ist auch einzuhalten.“ In ebendiesem Vertrag ist auch festgehalten worden, dass im Fall von Streitigkeiten das Internationale Schiedsgericht in Genf anzurufen sei. Ob die Post diesen Weg geht? Homola: „Wir hoffen, dass entsprechende Gespräche mit unserem Partner dies verhindern können.“
Danach sieht es aber nicht aus.
Die Lage ist nämlich ordentlich vertrackt. Das liegt zunächst einmal daran, dass die Familie Aras nicht einer Meinung ist. Neben der Mutter teilen sich zwei Geschwister die 75 Prozent an Aras Kargo. Bruder Baran Aras soll für die Einhaltung der Verträge mit den Österreichern sein, Schwester Evrim Aras ist dagegen. Und sie ist immerhin Chefin des Unternehmens.
Ihre Vorwürfe an den österreichischen Partner wiegen jedenfalls schwer. Ihr Berater Melih Yalcin fasst gegenüber der „Presse“ zusammen: Die atmosphärischen Probleme hätten begonnen, nachdem die Österreicher Vertreter in den Aufsichtsrat der türkischen Gesellschaft entsandt haben.
„Die Stimmung innerhalb der Familie wurde zerstört“, so Yalcin, Familienmitglieder seien gegeneinander ausgespielt worden, der Ton in den zahlreichen Aufsichtsratssitzungen sei generell respektlos gewesen. Post-Aufsichtsratschefin Edith Hlawati sei sogar kontaktiert worden, damit sie eingreife.

Im Lauf der Zeit hätten die Österreicher vereinbarte Investitionen abgelehnt. Nicht unproblematisch: 2013 wurde vertraglich festgehalten, dass sich der Preis für die weiteren 50 Prozent der Anteile am Ergebnis des Jahres 2015 orientiert. Der Argwohn der Türken: Die Österreicher hätten durch das Bremsen bei Investitionen dafür gesorgt, dass der Ertrag niedrig bleibt – und sie billiger zukaufen können.
Yalcin rechnet vor: Laut Businessplan sollte Aras Kargo 2015 einen Unternehmenswert von 1,2 Milliarden Türkische Lira erreichen. Es wurden bloß 640 Millionen.
Die Österreicher weisen die Vorwürfe natürlich zurück. Und der Post-Sprecher betont, dass in Istanbul gerade das größte Logistikzentrum der Türkei errichtet werde. Von Investitionsstopp also keine Rede.
Wie auch immer. Bei dem Zerwürfnis geht es ohnehin längst nicht mehr nur um schnöde Zahlen. Sondern ganz offensichtlich auch um Emotionen.
Unternehmensberaterin Hannelore Struger-Waniek, selbst jahrelang in Istanbul für die Westdeutsche Landesbank tätig, wundert das nicht: „Würden ausländische Investoren mehr auf Kultur und Befindlichkeiten in der Türkei eingehen, würde geschäftlich vieles einfacher laufen.“ Kultur bedeutet in dem Fall: „In der Türkei gibt es nicht nüchterne, emotionslose Geschäftsbeziehungen“, sagt Struger. „Dort ist es wichtig, Beziehungen aufzubauen, um ins Geschäft zu kommen. Es ist aber ebenso wichtig, diese im Lauf der Geschäftsbeziehung auch zu pflegen.“
Die Österreichische Post hat sich freilich redlich bemüht: Mit der Expansion in die Türkei wurde sie Mitglied des Vereins ÖTZ (Österreichisch-türkische Zusammenarbeit) in Wien. Aber das allein war halt leider nicht genug.

Und so hat der reichlich emotionalisierte türkische Partner die nächste Eskalationsstufe in Vorbereitung: Noch in diesem Monat soll ein Gutachten der internationalen Unternehmensberatung PKF veröffentlicht werden, das die Geschäfte ausländischer Investoren in der Türkei evaluiert. Eine Zusammenfassung der Expertise, die auf zahlreichen Umfragen beruht, liegt der „Presse“ vor. Und sie enthält für Österreich – in den Jahren 2009 bis 2011 immerhin größter Investor in der Türkei – keine guten Nachrichten.
So wurden türkische Manager unter anderem gefragt, welche ausländischen Investoren am ehesten auf die türkische Kultur eingingen. Österreich rangiert ganz unten. Detto bei der Frage, welche Investoren auf gute Beziehungen mit türkischen Partnern achten würden. Zitat: „Während die Mehrheit der investierenden Länder ihr Augenmerk auf gute Beziehungen legt, werden chinesische, österreichische und russische Investoren als vertragsfixiert erachtet.“
Man sieht also: Es wird heftig Stimmung gegen österreichische Investoren gemacht. Dass der Stromkonzern Verbund der Türkei Ende 2012 den Rücken gekehrt hat und die OMV gerade dabei ist, ebensolches zu tun, macht dabei auch keinen schlanken Fuß.
Georg Pölzls Job wird in nächster Zeit nicht einfacher werden.

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