Allein gegen die Wettbewerbsverhinderer

PG E-CONTROL 'JAHRESBERICHT': BOLTZ
PG E-CONTROL 'JAHRESBERICHT': BOLTZAPA/HERBERT PFARRHOFER
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Nach 15 Jahren musste Walter Boltz als staatlicher Energieregulator gehen. Jetzt macht er sich selbstständig – und will Kunden endlich zu nachhaltig günstigen Energiepreisen verhelfen.

Für Walter Boltz müssen die Ereignisse des vergangenen Februars ein gewisser Schock gewesen sein. 15 Jahre lang war er Chef der Energieregulierungsbehörde E-Control gewesen, und ihm war zu dem Zeitpunkt wohl klar, dass es in der Behörde zu gravierenden personellen Veränderungen kommen wird. Die Spatzen pfiffen es damals ja längst von den Dächern: Boltz' Vorstandskollege Martin Graf war angezählt. Der zuständige ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner werde Graf, so wurde reihum getuschelt, ablösen. Es kam anders. Mitterlehner teilte zwar sehr wohl per Bescheid mit, dass Grafs Vertrag nicht mehr verlängert wird. Aber Walter Boltz musste ebenfalls gehen. Er wolle eben in der Regulierungsbehörde „einen neuen Boden legen“, sagte Mitterlehner damals der „Presse“. Ob das dem Boden gutgetan hat, ist die Frage. Die neuen E-Control-Chefs sind seit fünf Monaten im Amt. Politisch hat sich nichts verändert: Walter Boltz wird dem bürgerlichen Lager zugeordnet – diese Aufgabe erfüllt nun Vorstand Wolfgang Urbantschitsch. Martin Graf, der der roten Reichshälfte zugerechnet wird, ist von Andreas Eigenbauer abgelöst worden.

Und sonst? Sagen wir es so: Bisher ist der neue Vorstand vor allem durch Funkstille aufgefallen. Kurz nach der Amtsübernahme lud das Duo zu einer Pressekonferenz, das war's dann im Großen und Ganzen auch schon. Allerdings machte dort Andreas Eigenbauer, karenzierter Beamter der Stadt Wien, hellhörig: Die Förderung von Wettbewerb sei zwar wichtig, sagte er sinngemäß, werde aber wohl nicht mehr so im Vordergrund stehen. Und: Die Intensität von Wettbewerb daran zu messen, wie viele Energiekunden ihren Lieferanten wechseln, sei nicht mehr zeitgemäß.

Das ist interessant. Und eine 180-Grad-Abkehr von der bisherigen Politik der E-Control, die ja eigentlich für funktionierenden Wettbewerb in der Energiebranche sorgen soll. Boltz und Graf hatten demgemäß jahrein, jahraus die niedrige Wechselrate in Österreich moniert. Während etwa in Deutschland jährlich sechs bis sieben Prozent der Strom- und Gaskunden ihren Lieferanten wechseln, sind es in Österreich nur etwas über zwei Prozent.

Wie auch immer, das Leben geht weiter. Der 40-jährige Martin Graf, der ja gewissermaßen vorgewarnt war, hatte kurz nach seinem Vertragsende bei der E-Control schon einen neuen Job: Er ist Vorstand der Energie Steiermark. Und der mittlerweile 63-jährige Walter Boltz? Um den ist es in den vergangenen Monaten ruhig geworden. Was natürlich überhaupt nichts zu sagen hat. Und so kommt es, dass Boltz ganz diskret am Aufbau eines neuen Unternehmens gearbeitet hat. Besonders pikant: Er setzt dort an, wo die E-Control offenbar nicht so großen Handlungsbedarf sieht. Nämlich bei den Energieverbrauchern, die endlich vom freien Markt profitieren sollen.

Erfahrungen hat Boltz über die Jahre ja genug gesammelt. Sein Befund sieht so aus: In der österreichischen Energiewirtschaft herrscht denkbar wenig Wettbewerb, obwohl die Branche seit 15 Jahren liberalisiert ist. Heißt: Strom- und Gaskunden können zwar ihren Lieferanten wechseln, tun es aber in den seltensten Fällen. Warum? Boltz: „Weil die Energieversorger von Werbung absehen.“ Abgesehen von kleinen, privaten Anbietern wie Goldgas investiere nur der Stromkonzern Verbund in Werbung. Allerdings in Imagewerbung. Günstigere Preise werden von ihm nicht beworben. Andere Energieversorger der Bundesländer, die immer noch mehrheitlich im Eigentum der öffentlichen Hand sind, verzichten überhaupt auf Werbung. Es gibt offenbar ein stilles Einverständnis, sich das Leben nicht schwer zu machen.

Andererseits konstatiert Boltz bei österreichischen Verbrauchern eine tief verwurzelte Angst davor, den Energielieferanten zu wechseln. „Im Telekombereich ist ein Wechsel für die meisten selbstverständlich. Aber bei der Energie werden offenbar Probleme befürchtet“, sagt er. Dazu komme noch, „dass viele Energieversorger die Trägheit der Kunden missbrauchen“. Heißt: Ein neu gewonnener Kunde bekommt im ersten Jahr allerlei Rabatte, wodurch der Wechsel tatsächlich zu einer Ersparnis führt. Aber: „Ein Lieferant ist selten auf Dauer auch der günstigste“, weiß Boltz. Nach dem ersten Jahr fallen also die schönen Rabatte wieder weg, der Kunde zahlt also genau so viel wie früher. Und resigniert.

Ende September/Anfang Oktober möchte Boltz also mit einer neuen Internetplattform online gehen. Ohho heißt sie und bietet ein österreichisches Novum: Kunden, die dort angemeldet sind, werden automatisch zu dem für sie günstigsten Lieferanten umgemeldet. Jährlich, wennes sein muss. Für das Start-up hat sich Boltz Alexander Schütz, Vorstand der Fondsgesellschaft C-Quadrat, als Investor ins Boot geholt. Mit dem ehrgeizigen Ziel, in zwei Jahren den Break-even zu erreichen. Und ab dem dritten Jahr – dank des „kleinen Service-Fee“, das Kunden zu entrichten haben – Gewinne zu schreiben. Boltz ist jedenfalls überzeugt: „Unser Unternehmen wird dem Markt guttun.“

Er selbst wird allerdings ebenfalls mit Konkurrenz konfrontiert werden. Denn auf die Idee, mit wechselwilligen Energiekunden Geld zu machen, ist auch die Österreichische Post gekommen: Seit wenigen Wochen bietet sie in allen Filialen Unterstützung bei der Suche nach einem neuen Energieversorger an. 1800 Neuverträge wurden in der kurzen Zeit bereits abgeschlossen, so Post-Sprecher Michael Homola. Neuverträge, für die die Post von den Lieferanten Provisionen bekommt.

Boltz sieht das gelassen. Die Post richte sich an sogenannte Offliner, da komme man sich also nicht in die Quere. Boltz erwartet sogar, dass das neue Post-Angebot sein Geschäftsmodell „unterstützt. Durch das Angebot in den Post-Filialen wird der Lieferantenwechsel thematisiert und damit quasi zur Normalität“, meint Boltz. Derweil wird in der E-Control an „neuen Zielsetzungen“ getüftelt. Denn, wie Vorstand Eigenbauer bei der Antrittspressekonferenz kundtat: In der österreichischen Energiewirtschaft habe sich ohnehin ein „reger Wettbewerb“ etabliert. Walter Boltz kann so viel Gleichmut nur freuen.

AUF EINEN BLICK

Walter Boltz war 15 Jahre lang Chef der Energieregulierungsbehörde E-Control. Die hat die Aufgabe, die Einhaltung der Spielregeln auf dem liberalisierten Energiemarkt zu überwachen. Seit 2001 herrscht in der Branche in Österreich offiziell Wettbewerb, Kunden können seitdem ihren Lieferanten frei wählen. Dass damit auch tatsächlich ein Konkurrenzkampf unter den Versorgern ausgebrochen ist, bezweifeln allerdings viele Experten.

(Print-Ausgabe, 20.08.2016)

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