Der Clinch einer Wiener Nobelbank mit Russland

Die Bank Winter liebt es diskret – und hat plötzlich Riesenärger am Hals.
Die Bank Winter liebt es diskret – und hat plötzlich Riesenärger am Hals.(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Riesenaufregung in Moskau: Ein mutmaßlich betrügerisches Management hat eine Großbank an den Rande des Abgrundes gebracht. Der Rechtsstreit ist in Wien angekommen.

Die Bank Winter in der Wiener Singerstraße 10 hat eine bewegte Geschichte: Gegründet wurde sie 1892 von Alfred Winter, 1938 wurde sie arisiert. 1959 gründeten Robert Winter und Simon Moskovics die Bank neu, die alte Bankkonzession wurde wieder verliehen, und seitdem laufen die Geschäfte recht gut. 1993 starb Moskovics senior, sein Sohn Thomas Moskovics wurde Vorstandsvorsitzender. Er war es auch, der das Haus auf Investmentbanking und strukturierte Finanzierung spezialisierte. Und er tat offenbar gut daran: Mit einer Bilanzsumme von rund einer Milliarde Euro ist die Bank Winter eine der größten in Privatbesitz befindlichen Investmentbanken – mit weltweiten Geschäftsaktivitäten.

Stolz ist man in der Singerstraße aber auch auf den Umstand, dass durchaus prominente Namen den kleinen Aufsichtsrat zieren: Siegfried Sellitsch, ehemaliger Chef der Wiener Städtischen, ist dabei. Detto Klaus Liebscher, einst Raiffeisen-Boss und Nationalbank-Gouverneur. Sie sind natürlich nicht mehr die Jüngsten – Sellitsch ist 76, Liebscher 77 Jahre alt. Aber ihre Namen klingen immer noch und Hand auf's Herz: Auch Thomas Moskovics ist bereits 70.

Mehr als Namedropping dringt aus der Privatbank freilich nicht nach außen: Die Bank Winter legt seit jeher größten Wert auf Diskretion. Damit ist es jetzt allerdings vorbei. Die österreichische Privatbank findet sich mit einem Mal inmitten eines Rechtsstreits wieder, der wohl noch länger für Aufregung und Unruhe sorgen wird. Im Mittelpunkt stehen ihre Geschäfte mit der russischen National Bank Trust (NBT).

Bei der hat es Ende 2014 ordentlich gekracht. Im Oktober desselben Jahres hatte sie noch mit einer Werbekampagne Furore gemacht, in der der US-Schauspieler Bruce Willis als Testimonial auftrat. Zwei Monate später gab es Furor wegen finanzieller Probleme: Am 22. Dezember teilte die russische Zentralbank mit, NBT werde umgerechnet 433 Millionen Euro zur Stützung erhalten. Vier Tage später musste die Summe mehr als verdreifacht werden.
Es folgten Ermittlungen. Und bald stellte sich heraus, dass NBT nicht so sehr durch den eingebrochenen Rubel-Kurs gelitten hatte. Sondern durch Malversationen dreier seiner operativ tätigen Shareholder.

Im vergangenen April wurde gegen die drei Klage beim London High Court eingebracht. Der Vorwurf: Sie sollen über die Jahre Assets von der Bank abgezogen, mithilfe eines abenteuerlichen Firmengeflechts Gelder im Kreis geschickt und in Offshore-Gesellschaften geparkt haben. Das Verfahren läuft noch, doch im Juli wurde vorsorglich ein Einfrieren ihrer Vermögenswerte verfügt. Der Richter in seiner schriftlichen Begründung: „Ich werde meine Augen nicht vor dem Offensichtlichen verschließen. [. . .] Ich möchte an dieser Stelle festhalten, dass die von den Beklagten dargelegten Bilanzierungsmethoden unlauter waren.“

So weit der aktuelle Stand der Causa NBT. Und die Wiener Bank Winter? Auf die wurde das jetzige NBT-Management aufmerksam, nachdem zahlreiche Unterlagen gesichtet worden waren. Dabei stellte sich heraus: NBT hatte ein Wertpapierdepot in der Singerstraße. Und die Bank Winter war als Treuhänder für NBT tätig. Mittlerweile, im vergangenen Juli, hat NBT im Zuge seiner Vergangenheitsbewältigung auch Klage gegen die österreichische Privatbank eingebracht.

Der Vorwurf, vorgetragen von der Wiener Anwaltskanzlei Wolf Theiss, lässt sich so zusammenfassen: In den Jahren 2011 und 2013 wurden russische Staatsanleihen von NBT auf das Winter-Konto transferiert. Die Wiener Bank hatte dann die Aufgabe, diese als Treuhänderin der zypriotischen Gesellschaft Black Coast im Wege einer Leihe zur Verfügung zu stellen – ohne, dass diese Leihe besichert worden wäre. Es ging um Anleihen im Wert von 185 Millionen, später um 61,5 Millionen Dollar, die im Kreis geschickt worden und schlussendlich bei den drei inkriminierten Shareholdern gelandet sein sollen. Der russischen NBT soll verheimlicht worden sein, dass die Vermögenswerte verliehen waren.

Starker Tobak – doch bei der Bank Winter hüllt man sich mit Verweis auf das Bankgeheimnis in Schweigen. Der „Presse“ liegt allerdings ihre Klagsbeantwortung vor. Und darin weist die Bank „die Unterstellung“, dass sie „auch nur ansatzweise in mögliche Malversationen [. . .] involviert gewesen sein soll, entschieden zurück“. Sie habe seinerzeit jedenfalls „keinerlei Hinweise für angebliche Unregelmäßigkeiten“ gehabt.

Die Vorgangsweise mit der Verleihung von Wertpapieren sei gewählt worden, weil NBT sich dadurch die Bereitstellung von Eigenkapital ersparen konnte – die im Falle einer Kreditvergabe notwendig gewesen wäre. Und: NBT habe den Österreichern mitgeteilt, dass das Geld für die Finanzierung eines Hotelprojekts am Schwarzen Meer notwendig sei – die Verbindung der zypriotischen Firma Black Coast zu dem Hotelprojekt sei „klar nachvollziehbar“ gewesen. Im Übrigen sei die Konstruktion „ausschließlich auf Risiko“ der NBT erfolgt – NBT habe auch die Haftung für die Rückstellung der Staatsanleihen übernommen. Und die Rückstellung der Tranche von 185 Millionen Dollar sei auch erfolgt, es sei also kein Schaden entstanden.

Reichlich kompliziert das alles. Und reichlich strittig. Denn wo ist Tranche Nummer zwei, jene über 61,5 Millionen Dollar, geblieben? NBT sagt, das Geld sei weg, die Bank Winter weiß darüber nichts, weil ihre Treuhandschaft 2015 beendet wurde. Ein offener Streitpunkt ist auch die Frage, ob die Verleihung der Wertpapiere vor der NBT verheimlicht wurde. Der Kläger sieht es so, die Bank Winter sagt, die Verleihung sei sehr wohl auf den Kontoauszügen ersichtlich gewesen. Einigkeit gibt es nicht einmal über die Höhe der Gebühren, die die Österreicher für die Transaktionen kassiert haben.

Die Justiz wird also einiges zu tun haben.
Derweil schießt die russische NBT scharf: Mitte Juli wurden die Mitglieder des Bank-Winter-Aufsichtsrates angeschrieben. Sie wurden auf ihre Verantwortung und allfällige Haftungen in der Causa hingewiesen.

Aufsichtsrat Klaus Liebscher wollte in der Angelegenheit gegenüber der „Presse“ keine Stellungnahme abgeben. Der Vorsitzende des Kontrollgremiums, Siegfried Sellitsch, hält sich „aufgrund des laufenden Verfahrens“ ebenfalls zurück. Eine Frage beantwortet er dann aber doch: War der Aufsichtsrat der Bank Winter mit den strittigen Transaktionen befasst? „Natürlich“, sagt Sellitsch.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.09.2016)

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