ÖBB: Der Machtkampf um Kerns Erbe

Brigitte Ederer
Brigitte EdererReuters
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Nach dem Abschied von Christian Kern gibt es bei den Bundesbahnen neue Machtverhältnisse: Die Präsidentin des Aufsichtsrats, Brigitte Ederer, gewinnt Oberhand.

Der Aufsichtsrat der ÖBB Holding ist am vergangenen Montag zusammengekommen, und da ist richtig viel weitergegangen. Kurz nach 18 Uhr erfolgte also die Meldung an die Medien: Es gibt neue Personalrochaden zu vermelden. So bekommt die Güterverkehrstochter Rail Cargo mit 1. Jänner 2017 einen neuen Chef – den 40-jährigen Clemens Först. Auch das Personalmanagement des Konzerns wird auf neue Beine gestellt, dafür wird Veronika Zügel zur Verfügung stehen. Und, nicht zu vergessen: Johann Pluy leitet ab November das ÖBB-Business-Competence-Center.

Sehr schön. Bei den ÖBB wird nicht umsonst von einem „Personalpaket“ gesprochen, das da am Montag fein säuberlich geschnürt wurde. Und man ist bei all der Euphorie geneigt, sich mitzufreuen. Wiewohl „Päckchen“ zweifellos der bessere Ausdruck wäre. Was nämlich in dem Paket fehlt, ist die Kleinigkeit eines neuen Vorstands für die Infrastruktur AG. Diese Tochtergesellschaft der ÖBB ist das wahre Machtzentrum des Konzerns: 18.000 Menschen arbeiten hier, pro Jahr verfügt das Unternehmen über zwei Milliarden Euro für die Schieneninfrastruktur. Den Chefsessel dort sollte man besser nicht zu lang verwaist lassen. Doch der Job ist seit Mai vakant.

Den hat nämlich jahrelang Andreas Matthä innegehabt. Bekanntlich ist er aber mit dem Abschied von Christian Kern ÖBB-Chef geworden. Und seitdem, seit vier Monaten also, fehlt der Infrastruktur ein Finanzvorstand. Er wird wohl noch länger fehlen. Denn der Posten ist noch nicht einmal ausgeschrieben. Das macht einigermaßen stutzig. Ein ÖBB-Sprecher klärt auf: „Die Ausschreibung der Vorstandsposition in der Infrastruktur AG ist in Vorbereitung und wird demnächst erfolgen“, sagt er. Das ist allerdings schon vor Monaten so formuliert worden. Woran hakt es also? Ganz einfach: Es gibt noch immer keinen gewählten Vorsitzenden des Aufsichtsrats in der besagten Tochtergesellschaft. Und solange diese Angelegenheit offen ist, kann natürlich auch keine Ausschreibung erfolgen.

Und warum zieht sich die Sache mit dem Aufsichtsrat dermaßen? Das hat weniger mit Müßiggang in den ÖBB zu tun. Sondern mit machpolitischen Konflikten. Üblicherweise präsidiert der ÖBB-Chef die Aufsichtsräte der Tochtergesellschaften – das war auch unter Christian Kern so. Andreas Matthä ist also Aufsichtsratschef der Personenverkehr AG und der Rail Cargo. Bei der Infrastruktur-Tochter geht das aber offenbar nicht. Matthä war dort ja jahrelang Vorstand – jetzt dort nahtlos in den Aufsichtsrat zu wechseln, macht keinen schlanken Fuß. In der ÖBB-Generaldirektion war also rasch klar: Matthäs Vorstandskollege, ÖBB-Finanzchef Josef Halbmayr, sollte den Aufsichtsrat der Infrastruktur präsidieren. Doch daraus wird wohl nichts: Brigitte Ederer ist dagegen. Und als ÖBB-Präsidentin hat sie sich auch durchgesetzt. Im Gespräch mit der „Presse“ findet Ederer auch eine Erklärung für ihr Njet: Genüsslich verweist sie auf eine Aussendung von ÖVP-Verkehrssprecher Andreas Ottenschläger vom 14. September: Darin fordert er, dass „Vorstände der Holding keine wesentlichen Funktionen im Aufsichtsrat der ÖBB-Infrastruktur ausüben“.

Es wäre das erste Mal, dass SPÖler sich Wortspenden von ÖVPlern zu Herzen nehmen. Und wir lernen daraus: Das Gerücht, wonach Ederer Halbmayr als Aufsichtsratsvorsitzenden ablehnte, weil er ein Schwarzer ist, stimmt schlicht und einfach nicht. Wir lernen auch: Brigitte Ederer, seit September 2014 Präsidentin des ÖBB-Aufsichtsrats, ist bei den Bundesbahnen zu einem Machtfaktor geworden. Böse Zungen meinen sogar, dass die einstige SPÖ-Politikerin mit Beginn der Ära Matthä die operative Führung der Bahn gleichsam übernommen hat. Und sie dürfte, so wird im Haus geargwöhnt, auch eine durchaus politische Agenda haben. Manche im Haus wittern sogar eine Machtprobe zwischen Ederer und dem neuen Bahnchef Matthä.

Wie auch immer. Ederer hat am vergangenen Mittwoch jedenfalls eine veritable Machtdemonstration hingelegt: Sie selbst hat einen Sitz im Infrastruktur-Aufsichtsrat übernommen. „Die Wahl zur Vorsitzenden soll in den kommenden Wochen erfolgen“, so der ÖBB-Sprecher. Und dann wird sie wohl Nägel mit Köpfen machen: Dem Vernehmen nach hat Ederer recht konkrete Vorstellungen darüber, wie der Vorstand der ÖBB-Tochter besetzt werden soll. Alles andere als eine rote Postenbesetzung würde an ein Wunder grenzen.

Brigitte Ederer hat aber auch sehr klare Ziele, was die künftige Struktur der ÖBB betrifft. Zur Erinnerung: Unter Schwarz-Blau wurde den Bundesbahnen ihre jetzige Struktur verpasst. Oben gibt es die ÖBB-Holding, darunter agieren die Tochtergesellschaften für den Personen-, den Güterverkehr und für die Infrastruktur als Aktiengesellschaften. Die Logik dahinter war nie genau zu erkennen – bis auf das Faktum, dass es mehr Posten zu verteilen gab. Eine herrliche Spielwiese für die Politik also. Ederer will diese Struktur wieder rückgängig machen und zum sogenannten Stammhauskonzept zurückkehren. Heißt: eine starke ÖBB mit mehreren Vorstandsmitgliedern, darunter die im Management deutlich abgespeckten Töchter, auf die es stärkere Durchgriffsrechte gäbe. Sie selbst formuliert das so: „Die ÖBB stehen absolut im Wettbewerb. Da sind diverse Schnittstellen bei den Tochtergesellschaften mühsam.“ Hintergrund dürfte jedenfalls die Sorge vor den nächsten Nationalratswahlen mit völlig offenem Ausgang sein, auch für die SPÖ. Gleichzeitig hat die ÖVP ja nie ein Hehl daraus gemacht, dass sie für das Land gern eine große Infrastrukturholding hätte. In sie sollten das Straßennetz der Asfinag, das Stromnetz des Verbundkonzerns – und eben das Schienennetz der ÖBB kommen.

Bei den ÖBB den Retourgang einzulegen und das Stammhauskonzept in die Wege zu leiten – das hätte also durchaus etwas für Gegner der großen Infrastrukturholding, die die ÖBB letztlich „zerschlagen“ würde. Ederer wollte das Thema angeblich für die Aufsichtsratssitzung am Montag auf die Tagesordnung setzen lassen. Andreas Matthä war dagegen – weil die Sache derzeit politisch schwer durchzubringen ist. Und die ÖBB alles andere als ein öffentlich ausgetragenes politisches Hickhack darüber gebrauchen können.
Matthä gegen Ederer? Wenn dem so ist, dann hat Matthä in der Frage der ÖBB-Struktur einen Sieg gegen Ederer hingelegt. Vorerst. Bei der bevorstehenden Kür des Vorstands für die Infrastruktur AG wird der Punkt wohl an Ederer gehen, die dort im Gegensatz zu Matthä nunmehr im Aufsichtsrat sitzt. Das „Personalpaket“ wird dann jedenfalls komplett sein.

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