Rotstift für das rote Wien: Ulli Sima rührt um

Ulli Sima
Ulli SimaDie Presse (Valerie Voithofer)
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Stadträtin Ulli Sima ist seit einem Jahr für die Wiener Stadtwerke zuständig und räumt auf: Die Pensionslasten sollen wieder an die Stadt Wien gehen, die Chefetagen werden abgespeckt.

Gut möglich, dass das Schriftstück untergegangen ist. In der allgemeinen Aufregung um den SPÖ-internen Aufstand gegen Michael Häupl wäre das ja durchaus denkbar. Aber nicht unbedingt gerechtfertigt: Am Donnerstag haben rote und grüne Landtagsabgeordnete einen Initiativantrag an Vertreter aller Wiener Parteien verschickt. Und der ist spannend. Er soll eine Gesetzesänderung bewirken – und die finanzielle Zukunft der Wiener Stadtwerke auf solide Beine stellen.

SPÖ-Stadträtin Ulli Sima lässt grüßen. Vor einem Jahr sind ihr die Wiener Stadtwerke überantwortet worden. Eine große Überraschung war das damals. Einerseits. Andererseits war es auch irgendwie nur logisch: SPÖ-Finanzstadträtin Renate Brauner war gefühlt seit Menschengedenken für die Stadtwerke zuständig gewesen. Und dem roten, schwerfälligen Konzern hat das absolut nicht gut getan. Wirtschaftlich jedenfalls nicht. Personalpolitisch war alles paletti: Die Wiener Stadtwerke waren über die Jahre eine herrliche Spielwiese für (rote) Jobs aller Art. Ein echter Postengenerator.

Sima nimmt ihren Job sehr ernst

Ulli Sima nimmt, das muss einmal gesagt sein, ihren Job sehr ernst. Ernster, als vielen in den Stadtwerken lieb ist. Kein Wunder: Sima verfügt nicht unbedingt über eine Machtbasis in der SPÖ – sie hat also nicht sonderlich viel zu verlieren. Also hat sie in den vergangenen Monaten das bisher Denkunmögliche gemacht: Zahlen angesehen, hinterfragt, Gutachten eingeholt.

Dabei ist jetzt der eingangs erwähnte Initiativantrag heraus gekommen. Wenn sich Sima mit ihrem Plan durchsetzt, dann wären die Stadtwerke mit einem Schlag eine enorme finanzielle Bürde los.
Diese Bürde wurde im Jahre 1999 geschaffen: In dem Jahr wurden die Wiener Stadtwerke aus der Gemeindeverwaltung ausgegliedert. Sie gehören immer noch der Stadt Wien, wurden allerdings zu einer Holding mit etlichen Tochtergesellschaften. Die wichtigsten: die Wien Energie, die Wiener Netze, die Wiener Linien sowie der Bereich Bestattung/Friedhöfe.

Im allgemeinen Freudentaumel über die gesellschaftsrechtliche Modernisierung wurde auch gleich anderswo „aufgeräumt“: Der Pensionsaufwand aller den Stadtwerken zugewiesenen Beamten wurde den Stadtwerken per Gesetz zugeschoben. Detto der Aufwand für bereits im Ruhestand befindliche Beamte, deren Angehörige und Hinterbliebene.

Schwerer Konkurrenzkampf

Ein teurer Spaß. Und ein echtes Problem angesichts der Tatsache, dass kurze Zeit später die Liberalisierung des Strommarktes, des Gasmarktes und des Bestattungswesens erfolgte. Heißt: Die wichtigen Geschäftsbereiche der Stadtwerke mussten plötzlich im Konkurrenzkampf bestehen. Ein Kampf, der mit Mühlsteinen am Hals eher schwer zu gewinnen ist.

Sima zur „Presse“: „Die Stadtwerke haben kein Problem damit, die Zahlungen zu leisten. Aber die Tochtergesellschaften müssen in ihren Bilanzen riesige Rückstellungen für den Fall des Falles bilden.“ Sie spricht von vier bis 4,5 Milliarden Euro Rückstellungserfordernis. Ein Problem, das sich angesichts der derzeitigen Nullzinsen verschärft: Die Konzerngesellschaften müssen nämlich für eine angemessene Verzinsung der Rücklagen sorgen, sagt Sima.

Das ist schwer zu verdauen: Unter den überbordenden Rückstellungen, die dem Fremdkapital zuzurechnen sind, leidet die Eigenkapitalquote. Und darunter leidet naturgemäß die Stärke und Investitionsbereitschaft der Unternehmen.

In einem Bericht vom August dieses Jahres kritisierte auch der Rechnungshof das Faktum, dass es seinerzeit offenbar um eine finanzielle Entlastung der Stadt Wien gegangen sei. Die Zuweisung der Pensionslasten an die Wiener Stadtwerke würden jedenfalls einen „Wettbewerbsnachteil“ bedeuten. Vor allem für die Wien Energie, die im harten Konkurrenzkampf mit etlichen Mitbewerbern steht. Bei ihr entfällt mehr als ein Fünftel des Personalaufwandes auf Pensionslasten.
Und: Der Rechnungshof empfahl der Stadt Wien, die Pensionslasten zurück zu übertragen.

Sima schwebt nun genau das vor. In einem ersten Schritt – so der nun übermittelte Initiativantrag – soll es noch vor Weihnachten zu einem „Schuldnerwechsel“ kommen. Sprich: Der Pensionsaufwand soll von den Tochterunternehmen weg kommen – und in der Stadtwerke Holding gebündelt werden. Im Initiativantrag heißt es: Mit dem Schuldnerwechsel seien „keine Mehrkosten für das Land Wien verbunden“. Es gehe lediglich, so Sima, um die bilanzielle Entlastung der Tochterunternehmen.

In einem zweiten Schritt will sie, wie sie der „Presse“ erläutert, die Pensionslasten wieder an die Stadt übertragen. Sima beschwichtigend: „Die Stadtwerke würden weiterhin die Pensionen bezahlen und dafür auch die Haftung übernehmen. Der Vorteil wäre allerdings, dass in der Bilanz keine Rückstellungen dafür gebildet werden müssen.“ Doch dafür braucht es noch den Segen der EU zum Thema Maastricht-Konformität.

Wir werden sehen. In den Stadtwerken ist jedenfalls die Vorfreude groß. Manch einer meint, Sima biete diese Aussicht auf finanzielle Entlastung auch quasi zur Beruhigung im Konzern an. Denn auch personalpolitisch bleibt dort kein Stein auf dem anderen.

In der Aufsichtsratssitzung vom 21. Oktober wurde auf Geheiß von Sima nachgerade Bahnbrechendes beschlossen: Der vierköpfige Stadtwerke-Vorstand wird halbiert – Robert Grüneis, bisher für den Energiebereich zuständig, muss im Februar 2017 gehen. Das Vorstandsmandat von Gabriele Domschitz läuft Ende 2018 aus. Es bleiben Generaldirektor Martin Krajcsir sowie Vorstand Peter Weinelt. Weinelt gilt als Vertrauensmann von Sima und wird auch als der neue, starke Mann im Konzern gehandelt.

Was nichts daran ändert, dass der Stadtwerke-Vorstand laut Sima nur mehr „die große strategische Linie“ vorgeben soll. In den Tochtergesellschaften sollen die Chefs künftig operativ leichtere Handhabe haben – was zu effizienteren Entscheidungsflüssen führen soll.

150 Geschäftsführer und Prokuristen

Vom Stadtwerke-Vorstand will Sima indes bis Mitte 2017 ein Konzept vorgelegt bekommen, wie die üppigen Führungsetagen gestrafft werden sollen. Derzeit tummeln sich rund 150 Geschäftsführer und Prokuristen in den rund 40 Gesellschaften. Sima: „Mein Ziel ist es, dass es in den Gesellschaften nur mehr einen Geschäftsführer und einen Prokuristen gibt.“ Das Führungspersonal solle also in etwa halbiert werden.

Sima empfindet das als „wichtiges Signal“ – nämlich: „Es wird auch in den Chefetagen gespart“. Erst im Juni hatte Vorstand Weinelt ja bekannt gegeben, dass 900 der 5500 Mitarbeiter im Energiebereich eingespart werden. Kein Wunder, dass bei den 16.000 Mitarbeitern der Stadtwerke die Alarmglocken schrillen.

Ein weiteres, wichtiges Signal wurde erst mit Anfang November gesetzt: Gabriele Payr wurde Geschäftsführerin der Wiener Wohnen Haus- und Außenbetreuung GmbH. Natürlich: Auch das ist ein Unternehmen des „roten Wien“. Aber: Vor drei Jahren ist Payr als Generaldirektorin der Stadtwerke abgelöst worden. Seitdem stand sie weiterhin auf der Payroll der Stadtwerke. Als „Konsulentin“, wie es so schön heißt.

Auf einen Blick

Die Wiener Stadtwerke Holding steht zu 100 Prozent im Eigentum der Stadt Wien. 16.000 Mitarbeiter sind bei dem kommunalen Infrastrukturdienstleister beschäftigt, der einen Jahresumsatz von rund drei Mrd. Euro macht. 2,3 Milliarden steuert allein der Bereich Energie bei. Vor allem dieser Bereich leidet unter den üppigen Pensionslasten für ehemalige Beamte. Trotzdem machte der Konzern 2015 rund 30 Millionen Gewinn.

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