Wie man ein Kraftwerk nicht verkauft

Austrian hydropower producer Verbund CEO Anzengruber addresses a news conference in Vienna
Austrian hydropower producer Verbund CEO Anzengruber addresses a news conference in Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Seit fast vier Jahren bemüht sich Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber, sein Problem mit dem unrentablen Kraftwerksstandort Mellach zu lösen. Heuer wird es wieder nichts.

Am Anfang war der Plan. Den hat Wolfgang Anzengruber, Chef des Stromkonzerns Verbund, schon 2013 formuliert: Der Verbund werde sich, so verlautbarte Anzengruber, von fossilen Kraftwerken verabschieden und ausschließlich auf erneuerbare Energieträger fokussieren. Gesagt, getan. Noch im selben Jahr erfolgte der Ausstieg aus der Türkei, ein Jahr später war Italien dran. Von seinen thermischen Kraftwerken in Frankreich hatte sich der Verbund bereits 2011 verabschiedet.

Herrlich, wenn so ein Plan Zug um Zug abgehakt wird. Noch schöner, wenn er mit dem Stempel „erledigt“ zu den Akten gelegt werden kann. Doch so weit ist es noch nicht. Immer noch stammen rund vier Prozent der Verbund-Produktion aus fossilen Energieträgern. Peanuts, könnte man meinen. Und doch erweisen sich diese paar Prozent als ausgesprochen hartnäckig. Und als einigermaßen toughe Nuss für Wolfgang Anzengruber.

Ja, das Problem Mellach lässt sich nicht so einfach wegzaubern. Und so hat der Verbund ein Kohle- und ein Gaskraftwerk am steirischen Standort im Portfolio. Immer noch.

Das Gaskraftwerk ist dabei eindeutig das größere Problem: Es wurde erst vor wenigen Jahren um 550 Millionen Euro gebaut, ist aber mittlerweile wegen der hohen Gas- und der niedrigen Strompreise unrentabel geworden. Das Kraftwerk ist auf 17 Millionen Euro abgeschrieben. Eine Lösung muss her.

Wobei: Müßiggang kann Anzengruber in der Angelegenheit keinesfalls vorgeworfen werden. Was allein schon die zahlreichen Ankündigungen zum Thema Mellach beweisen: Schon im Frühjahr 2013 hatte Anzengruber verlautbart, der Konzern prüfe „alle Optionen“ – nämlich ein Einmotten des Kraftwerks, seine Schließung oder einen Verkauf. Ende 2013 werde es eine Entscheidung geben.
Gab es nicht. Im Oktober 2015 wurde in einer sogenannten Ad-hoc-Meldung erneut kundgetan, „sämtliche Optionen“ für Mellach zu prüfen – „einschließlich dessen Verkauf“. Seitdem wird geprüft.

Heuer im Sommer ließ sich Anzengruber mit der Aussage zitieren: „Wir gehen davon aus, dass wir bis Jahresende eine Richtungsentscheidung treffen können.“ Das Jahresende naht – und die Sache sieht (wieder einmal) ganz anders aus: Am 7. Dezember tagt der Verbund-Aufsichtsrat zum letzten Mal in diesem Jahr, doch das Thema Mellach befindet sich für die Sitzung nicht einmal auf der Tagesordnung. Und Anzengruber lässt gegenüber der „Presse“ mit der Aussage aufhorchen: „Wir haben keinen Zeitdruck, noch heuer zu entscheiden.“

Was ist denn da bloß los? An Interessenten für den Standort mangelt es jedenfalls nicht. Wiewohl so manch einer mit Problemen zu kämpfen hat: Der US-Fonds Contour Global, der mit tatkräftiger Unterstützung des einstigen steirischen ÖVP-Landesrats Herbert Paierl ein Angebot gelegt hatte, schied aus, weil er angeblich nicht alle erforderlichen Kriterien erfüllen konnte. Dann gibt es noch die Avior Energy, hinter der ein Liechtensteinischer Fonds stehen soll – und bis vor Kurzem auch Helmut Schnitzhofer, Ex-Chef der Alpine Energie. Er wurde vor wenigen Tagen wegen Untreue und Betrugs (nicht rechtskräftig) zu zwei Jahren Haft verurteilt.

Doch Avior ist immer noch im Rennen – detto der deutsche Energieerzeuger Steag, gemeinsam mit dem steirischen Industriekonzern Christof.

Bis Ende September mussten die Interessenten ihre Angebote übermitteln. Doch das letzte Wort ist damit immer noch nicht gesprochen. Ein offener Punkt ist nämlich die Fernwärmeversorgung der Stadt Graz durch den Standort Mellach. Der Verbund liefert zum Okkasionspreis, der für den künftigen Betreiber der Mellach-Kraftwerke betriebswirtschaftlich uninteressant ist. Vor wenigen Tagen hat die Energie Steiermark jedenfalls kundgetan, zu welchen Konditionen sie künftig Fernwärme zu beziehen gedenkt. Und jetzt heißt es für die Interessenten abermals: Rechenstift spitzen.

Gut möglich, dass sie ihre Angebote dieser Tage adaptieren werden. Und dann muss der Verbund-Vorstand Farbe bekennen: Verkauft er oder nicht?

Anzengruber will, so wird im Konzern erzählt, unbedingt verkaufen. Er hofft also auf ein signifikant besseres Angebot. In diesem Fall würde er mit dem Ansinnen zu verkaufen in den Aufsichtsrat gehen – um sich den Segen des Kontrollgremiums zu holen. Doch das wird eine echte Machtprobe.

Im Lauf des Jahres haben die Kontrollore jedenfalls in mehreren Aufsichtsratssitzungen gezeigt, dass sie ihre Aufgabe durchaus ernst nehmen und nicht im Traum daran denken, Entscheidungen oder Wünsche des Vorstands einfach abzunicken. Wiederholt übten sie lautstark Kritik an den Verkaufsabsichten. Viele befürchten, dass das Asset Mellach leichtfertig hergegeben würde und der Vorstand die Sache nicht ausreichend durchdacht habe. In den Sitzungen soll es bisweilen auch recht laut zugegangen sein.
Ob Anzengruber sie überzeugen kann? Das wird schwierig. Schon aufgrund der beruflichen Hintergründe einiger Kontrollore: Aufsichtsratsvizepräsident Michael Süß kommt aus dem Siemens-Konzern – der zufälligerweise den Bauauftrag für Mellach hatte. Die Mitglieder Peter Layr und Martin Krajcsir sind Chefs der EVN bzw. der Wiener Stadtwerke. Und sie würden mit ihrem Segen zu einem Mellach-Verkauf wohl in Argumentationsnotstand geraten – weil ihre Unternehmen selbst fossile Kraftwerke betreiben. Und dann ist da noch der ehemalige Arbeiterkämmerer Werner Muhm, der aus ideologischen Gründen prinzipiell gegen ein „Verscherbeln von Familiensilber“ ist. Die Betriebsräte sind ebenfalls skeptisch gegenüber einem Mellach-Verkauf.

Für Anzengruber wird die Sache also zur echten Zitterpartie. Werden seine Verkaufsabsichten vom Aufsichtsrat abgelehnt, wäre das für ihn ein enormer Gesichtsverlust – um das einmal höflich-milde zu formulieren.

Andererseits – so das Kalkül Anzengrubers – kann der Aufsichtsrat auch nicht so einfach den Verkauf abschmettern: Ein „signifikant besseres Angebot“ seitens der Interessenten für den Standort Mellach abzulehnen – das wäre wohl betriebswirtschaftlich nicht im Sinn des Konzerns.

Eine objektive Unterstützung bei der Entscheidungsfindung gibt es jedenfalls nicht, wie ein Aufsichtsratsmitglied gegenüber der „Presse“ moniert: „In Deutschland gibt es schon lang ein Gesetz, wonach von einer Institution geprüft werden muss, ob die Stilllegung oder der Verkauf eines Kraftwerks Konsequenzen für die Versorgungssicherheit des Landes hat.“ Nachsatz: „In Österreich wurde das für unnötig erachtet.“

Wie es also mit Mellach weitergehen wird? Man wird sehen. Allerdings erst im nächsten Jahr. Wieder einmal.

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