ÖBB bestellte Geheim-Gutachten gegen Lopatka

MINISTERRAT: LOPATKA
MINISTERRAT: LOPATKA(c) APA (Robert Jäger)
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ÖVP-Staatssekretär Lopatka kritisiert die ÖBB hingebungsvoll. Dass er mittels Gutachten „mundtot“ gemacht werden sollte, dementieren die ÖBB vehement. Peinlich: Jetzt ist ein Brief der beauftragten Kanzlei aufgetaucht.

Geheimnisse waren in den ÖBB noch nie gut aufgehoben. In Zeiten wie diesen schon gar nicht – in dem Staatsunternehmen stehen die Zeichen mehr denn je auf Konfrontation. Da ist einmal das sattsam bekannte politische Hickhack zwischen SPÖ und ÖVP, doch vor allem intern herrscht Krieg: Der neue ÖBB-Chef, Christian Kern, stellt alles Mögliche auf den Prüfstand – und hat sich gleich einmal mit der mächtigen Eisenbahnergewerkschaft angelegt. In der laufenden Lohnrunde fordert Kern einen „maßvollen Lohnabschluss“, Gewerkschafter Wilhelm Haberzettl beharrt auf einem Inflationsausgleich – zumindest. Vom 20. bis 30. September sollen „Informationsveranstaltungen“ für die ÖBBler abgehalten werden.

Jeder gegen jeden – das ist üblicherweise ein wunderbarer Nährboden für Indiskretionen. Und so kommt es, dass plötzlich ein von den ÖBB unter Verschluss gehaltener Brief an die Öffentlichkeit gelangen konnte. Ein Brief, der für die ÖBB-Spitze in höchstem Maße unerfreulich ist. Immerhin wird damit ein für sie hochnotpeinliches Thema aktuell, das sie längst aus der Welt geschafft zu haben glaubte.

Es geht um die Frage, ob ÖBB-Aufsichtsratspräsident Horst Pöchhacker im Sommer den Rechtsanwalt Hannes Jarolim – nebenbei SPÖ-Justizsprecher und Nationalratsabgeordneter – mit einem Gutachten beauftragt hat. Einem Gutachten, das klären sollte, inwieweit man gegen öffentliche, kritische Äußerungen in Richtung ÖBB durch ÖVP-Finanzstaatssekretär Reinhold Lopatka vorgehen kann.

Der nun aufgetauchte, von der Kanzlei Jarolim verfasste Brief, der der „Presse“ vorliegt, belegt zweierlei: Erstens hat es den Auftrag für so ein Gutachten gegeben. Und zweitens hat es die ÖBB-Spitze in dieser Angelegenheit mit der Wahrheit nicht sonderlich genau genommen.

Mitte August war die Sache erstmals virulent geworden: Da berichteten Medien über ein geheimes Gutachten, das Pöchhacker bei Jarolim in Auftrag gegeben habe, um Lopatka quasi „mundtot“ zu machen. Plausibel schien das allemal: Der ÖVP-Staatssekretär geht den ÖBB und der SPÖ mit seiner regelmäßigen Kritik an Sonderpensionsrechten und großzügigen Gehältern für ÖBBler, aber auch an den ausufernden Schulden der ÖBB schon lange ordentlich auf die Nerven. „ÖBB-Bashing“, nennen sie das – und das schade dem Unternehmen: „Für ein Unternehmen ist es tödlich, wenn die Kunden ständig verunsichert werden“, sagt ÖBB-Präsident Pöchhacker. „Und es ist ein großer Unterschied, ob ein Parteisekretär oder ein Regierungsmitglied mit Regierungsverantwortung so etwas macht.“ Lopatka arbeite, so der SPÖ-Vorwurf, bewusst mit falschen Zahlen und vernichte damit Staatsvermögen.

Also ein Gutachten? Die ÖBB dementierten im Sommer wütend. Logisch: Ein Unternehmen, das Milliarden an Steuergeldern verschlingt, nimmt Geld in die Hand, um Kritiker zum Schweigen zu bringen – das macht keinen schlanken Fuß: „Die ÖBB halten fest, dass es keinen Auftrag – weder für die Kanzlei von Dr. Johannes Jarolim noch für eine andere Kanzlei – für ein ,Lopatka-Gutachten‘ gibt“, hieß es also am 13. August in einer Presseaussendung. Und: „Für die Feststellung, dass die Aussagen des Staatssekretärs Lopatka für das Unternehmen nicht förderlich sind, bedarf es keines Gutachtens.“

Auch Pöchhacker dementierte bis zuletzt: Er habe bloß „Dr. Jarolim unverbindlich gebeten zu sagen, welche Pflichten der Aufsichtsrat in so einer Situation hat.“ Er wolle sich nicht später vorwerfen lassen, als Aufsichtsratspräsident nichts gegen das „Schlechtreden“ der ÖBB unternommen zu haben. Mit Jarolim habe er diesbezüglich nur ein Telefonat geführt – dieser habe ihm bloß mitgeteilt, dass der Aufsichtsrat die Pflicht habe, Schaden vom Unternehmen abzuwehren.

Der nun aufgetauchte Brief relativiert diese Aussagen: Verfasst wurde er am 15. Juli von Jarolim, adressiert ist er an Pöchhacker. Betreff: „Verantwortlichkeit von Organträgern der ÖBB.“ Jarolim schreibt: „In obiger Angelegenheit nehme ich Bezug auf unsere Besprechung vom 13. Juli und darf gerne bestätigen, dass Sie uns mit der rechtlichen Prüfung von Fragen betreffend die Verantwortlichkeit von Organträgern der Gesellschaft im Zusammenhang mit einzelnen die Interessen der ÖBB schädigenden Vorgängen beauftragt haben.“ Jarolim verweist auch auf seinen Stundensatz von 300 Euro (zuzüglich 20  % USt) und: „Wir kalkulieren den zeitlichen Aufwand für die Erstellung unserer rechtlichen Stellungnahme mit ca. 75 Stunden.“

Beigefügt ist auch ein Memorandum mit der Aktenzahl 173/10, das die zu prüfenden Themen auflistet. Unter anderem: „In diesem Zusammenhang sind insbesondere auch tatsachenwidrige Behauptungen eines Staatssekretärs des Finanzministeriums zu überprüfen, welche dieser auch in seiner Funktion als Staatssekretär abgegeben hat. Hinsichtlich der unhaltbaren Vorwürfe wurde auch ein Gutachten in Auftrag gegeben, welches vor allem die negativen wirtschaftlichen Auswirkungen der öffentlichen Kampagne untersuchen und darlegen soll.“ Und: „Das Ergebnis unserer rechtlichen Prüfung soll letztlich im Rahmen eines von einem renommierten Universitätsprofessor erstellten Gutachtens evaluiert werden.“

Interessant. Jetzt legt ÖBB-Chef Kern jedenfalls Wert auf die Feststellung, dass es zwar „Vorgespräche gab, wir (der Vorstand, Anm.) haben aber entschieden, ein Gutachten nicht zu beauftragen“.

Das Schreiben ging damals übrigens nicht nur an Pöchhacker, sondern auch an Kern, an Eisenbahnergewerkschafter Haberzettl sowie an Herbert Kasser. Haberzettl und Kasser sitzen im ÖBB-Aufsichtsratspräsidium, Kasser ist hauptberuflich Generalsekretär im Verkehrsministerium von Doris Bures. Was für Lopatka bezeichnend ist: „Pöchhacker hat das Verkehrsministerium und die Eisenbahnergewerkschaft von dem Vorhaben in Kenntnis gesetzt, und nicht alle Kollegen im Aufsichtsrat.“ Seine Conclusio: „Das zeigt, dass er parteipolitisch gehandelt hat und nicht im Interesse der ÖBB.“

Lustig: Genau das werfen die ÖBB auch Lopatka vor.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 18.09.2010)

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