Walter Boltz: Die Entsorgung der Nervensäge

Entsorgung Nervensaege
Entsorgung Nervensaege(c) APA (HERBERT PFARRHOFER)
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Wettbewerbshüter Walter Boltz geht der Strombranche schon lange auf die Nerven. Damit ist jetzt Schluss: Boltz wird per Gesetz entmachtet, ihm wird ein Ko-Vorstand zur Seite gestellt. Ein Sieg der Landesfürsten.

Der Mann ist unbequem, keine Frage. Das gehört ja auch zu seiner Job-Description: Walter Boltz ist seit 2001 Chef der Regulierungsbehörde E-Control und hat also dafür zu sorgen, dass die Wettbewerbsregeln in der Strombranche auch eingehalten werden.

Dass er sich dort keine Freunde machen würde, war Boltz wohl von Anfang an klar. Da prallen auch zwei unterschiedliche Welten aneinander. Auf der einen Seite: die Stromgesellschaften der Bundesländer, die über Jahrzehnte dank der gesetzlich verfügten Gebietsmonopole wie die Maden im Speck lebten. Auf der anderen Seite: Walter Boltz, ehemaliger Energieexperte des Beraterunternehmens PricewaterhouseCoopers, der die Liberalisierung der Branche mit Argusaugen zu überwachen hat. Das konnte nicht gut gehen.

Der Hass, der Boltz entgegenschlug, muss für ihn dennoch einigermaßen überraschend gewesen sein. Über die Jahre hat der Wettbewerbshüter jedenfalls einiges einstecken müssen: Die Stromgesellschaften warfen ihm von Anfang an Arroganz und einen stark ausgeprägten Selbstdarstellungstrieb vor – Inkompetenz sowieso. Und weil Boltz stets gar so kompromisslos war, griffen die Landesstromgesellschaften bisweilen auch zu Deftigerem: Immer wieder gab es politische Interventionen gegen ihn, einmal wurde seiner damals noch jungen Behörde sogar der Rechnungshof auf den Hals gehetzt.

Unschwer zu erkennen: Walter Boltz macht seinen Job offenbar wirklich gut.

Das gehört natürlich honoriert. Und da hat sich der für den Strommarkt zuständige ÖVP-Wirtschaftsminister Reinhold Mitterlehner etwas ganz Besonderes ausgedacht: Walter Boltz wird entmachtet.

So steht es jedenfalls schwarz auf weiß in einem druckfrischen Gesetzesentwurf, der Freitag vergangener Woche in die Begutachtung gegangen ist. Das neue Gesetz hält sich strikt an die Vorgaben seitens der EU: Diese verlangt, dass der Stromregulator in Hinkunft nicht mehr als GmbH konstruiert ist, sondern als Anstalt öffentlichen Rechts. Das soll maximale Unabhängigkeit gewährleisten: GmbH sind – sowie die E-Control auch – weisungsgebunden. Eine Anstalt öffentlichen Rechts hingegen kann weisungsfrei schalten und walten. Boltz wäre somit also ein völlig „freier Mann“. Nicht, dass er vom Wirtschaftsministerium als Eigentümervertreter je eine Weisung bekommen hätte. Aber mit der neuen Konstruktion hätte er zumindest die Gewissheit, dass politische Interventionen gegen ihn absolut sinnlos wären.

Interventionen wird es in Zukunft tatsächlich nicht geben – weil sie nicht mehr notwendig sein werden. Mitterlehner führt nämlich mit dem neuen Gesetz eine Änderung durch, die von der EU keinesfalls verlangt wird: Die E-Control wird einen zweiten Vorstand bekommen. Und beide werden in Hinkunft auch noch an die kurze Leine genommen.

Mitterlehner versteht nicht, was daran anrüchig sein soll. Zwei Vorstände seien deswegen notwendig, argumentiert er, weil die drohende Arbeitsflut bei der E-Control für einen Vorstand schwer bewältigbar sei. Seine Sprecherin ergänzt: „Irgendwann geht auch Walter Boltz auf Urlaub, da kann ja die Spitze der E-Control nicht einfach verwaist sein.“

In Wahrheit ist das Ganze natürlich ein Kniefall vor der Strombranche – und ihren mächtigen Eigentümern, den Landesfürsten. Die haben im vergangenen Jahr auch wirklich alles daran gesetzt, einen Regulator nach ihrem Geschmack zu basteln. Offenbar mit Erfolg.

Das begann schon damit, dass Vertreter der Energieunternehmen vor einem Jahr ins Wirtschaftsministerium eingeladen wurden – zum offiziellen Gedankenaustausch über die neue E-Control. Sehr charmant: Die zu Kontrollierenden durften also von Anbeginn an „Wünsch dir was“ bei der Gestaltung ihrer Kontrollbehörde spielen. Das ist in etwa so, als dürften Autofahrer bei der Handhabung von Straßenkontrollen mitreden.

Um dem Ganzen aber noch ordentlich Nachdruck zu verleihen, sollen auch die Landeshauptleute von Wien und Niederösterreich, Michael Häupl und Erwin Pröll,bei Mitterlehner die Wünsche „ihrer“ Landesgesellschaften deponiert haben. Nur, damit es keine Missverständnisse gibt.

Jetzt können sie alle zufrieden sein – die Stromfirmen und die Landespolitiker, die natürlich auf üppige Dividenden ihrer Energieversorger Wert legen. Die zwei Vorstände der E-Control werden künftig an die Kandare genommen. So müssen sie beispielsweise den „Jahresplan für die Öffentlichkeitsarbeit“ vom Aufsichtsrat (in dem Vertreter des Wirtschafts- und des Finanzministeriums sitzen) genehmigen lassen. Offensichtlich soll der „Selbstdarstellungstrieb“ des Walter Boltz damit unterdrückt werden. War ja auch wirklich ungehörig, dass er sich in der Vergangenheit erdreistete, den mangelnden Sinn für Wettbewerb in der Strombranche öffentlich anzuprangern.

Originell ist auch der „Regulierungsbeirat“, der künftig in der E-Control angesiedelt sein wird. In ihn werden Vertreter von Ministerien und aller Sozialpartner entsandt – sie sollen über die Stromtarife wachen. Da könnte man fast sentimental werden – erinnert das Ganze doch sehr an die „Paritätische Kommission“ der Achtzigerjahre.

Wirklich bemerkenswert ist allerdings die bevorstehende Politisierung der an sich unabhängigen E-Control. Boltz gilt als ÖVP-nahe – er wurde seinerzeit von seinem Freund, ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein, bestellt. Trotzdem: Parteipolitisch hat Boltz nie agiert. Doch jetzt wird er zum „Schwarzen“ abgestempelt. Das liegt daran, dass wir in Zeiten großkoalitionärer Eintracht leben. Man muss kein Prophet sein, um zu ahnen, aus welcher politischen Ecke sein neuer Kovorstand kommen wird.

Wirtschaftsminister Mitterlehner beteuert zwar, dass er allein den Zweitvorstand zu ernennen hat. Zufälligerweise bringt sich aber eine Reihe von SPÖlern für den Job bereits in Stellung. Allen voran: Andreas Eigenbauer, seines Zeichens Energiebeauftragter des Landes Wien – und seit wenigen Wochen Aufsichtsratsmitglied der Wienstrom. Aber auf die Interessen des Wiener Stromversorgers würde er als E-Control-Vorstand sicher eh nicht Rücksicht nehmen. Im Gespräch ist auch Martin Graf, Leiter der Abteilung Tarife in der E-Control. Früher war Graf informeller Energieberater von SPÖ-Bundeskanzler Alfred Gusenbauer.Chancen auf den Job soll auch Gunda Kirchner haben. Sie war einst Energieexpertin der Arbeiterkammer und arbeitet derzeit in der Austrian Energy Agency.

Der Vertrag von Walter Boltz läuft im März ab – wurde jetzt aber von Mitterlehner verlängert. Allerdings nur bis Ende 2011. Ob Boltz eine weitere Vertragsverlängerung dann überhaupt noch anstrebt, ist nicht in Erfahrung zu bringen. Er möchte zu der ganzen Angelegenheit nichts sagen.

Irgendwie verständlich.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.10.2010)

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