Wirtschaftspolitik: Die "Wut-Manager" formieren sich

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Wird es in Österreich eine neue wirtschaftsliberale Partei geben? Etliche frustrierte Wirtschaftstreibende haben diesen Wunsch in der Industriellenvereinigung deponiert. Die ist dem Ansinnen nicht abgeneigt.

Das hat Seltenheitswert: Die Industriellenvereinigung, sonst nie um Wortspenden zur Wirtschaftspolitik verlegen, schweigt eisern. Der Chef der Interessenvertretung, Veit Sorger, verweigert das Gespräch, sein Generalsekretär Christoph Neumayer detto. Nicht einmal ein Dementi ist von ihnen zu hören. Das Thema ist auch höchst heikel.

Es geht um ein hartnäckiges Gerücht, das die Runde macht: Demnach gibt es von etlichen Wirtschaftstreibenden im Lande den dringenden Wunsch, eine neue politische Partei in Österreich zu gründen. Eine Partei mit wirtschaftsliberalem Schwerpunkt. Und angeblich steht die Industriellenvereinigung dem Ansinnen höchst aufgeschlossen gegenüber. Ist da was dran?

Durchaus. Tatsache ist, dass unzufriedene Wirtschaftstreibende der Industriellenvereinigung seit einigen Wochen quasi die Tür einrennen. Schon im vergangenen Jahr hatten viele im altehrwürdigen „Haus der Industrie“ am Wiener Schwarzenbergplatz ihren Unmut über die Wirtschaftspolitik der Regierung deponiert: Es gehe nichts weiter, die Koalition befinde sich im Dauerwahlkampf, wurde stets beklagt. Doch mit der Kür von Michael Spindelegger zum ÖVP-Chef und der unübersehbaren Stärkung des ÖAAB in der Partei sind offenbar alle Dämme gebrochen. Vor allem ÖVP-nahe Unternehmer und Manager werden seitdem regelmäßig in der IV vorstellig. Mit der einhelligen Klage: „So kann das nicht weitergehen. Wir müssen etwas machen.“

Wohin sonst sollten sie auch gehen? Die IV ist die einzige große, politisch nach allen Seiten offene Interessenvertretung im Lande. Und die einzige, nebenbei bemerkt, die kompromisslos marktwirtschaftliche Anliegen verfolgt. Vor allem aber: Die Mitgliedschaft bei der IV beruht auf Freiwilligkeit – dort wird also den Sorgen und Anliegen der „Kundschaft“ Gehör geschenkt.

Trotzdem bringen die aufgebrachten Wirtschaftstreibenden ihre Interessenvertretung ordentlich in die Bredouille. Sie verlangen nämlich die Gründung einer wirtschaftsliberalen Partei. Und da kann die IV beim besten Willen nicht mit: Undenkbar, dass die neutrale Interessenvertretung offensiv bei einer Parteigründung mitmacht. Ihr Credo lautet ja nicht umsonst: „Wir wollen zu allen Parteien eine Gesprächsbasis haben.“

Kein Wunder also, dass IV-Präsident Veit Sorger zu dem Thema wie ein Grab schweigt.

Was aber nicht bedeutet, dass die Industriellenvereinigung einem neuen Player auf dem politischen Parkett völlig abgeneigt wäre. Im Gegenteil. Das Kalkül dahinter: In Österreich wird es – das zeigen die Umfragen – zusehends schwieriger werden, Zweier-Koalitionen zu bilden. Was also liegt näher als der Wunsch nach einer Partei, die wirtschaftsliberal ist – mit der also eine „vernünftige Regierung“ gebildet werden kann?

Manager und Unternehmer, die bereits Vieraugen-Gespräche mit IV-Granden geführt haben, berichten jedenfalls unisono: Die Interessenvertretung steht einer neuen Partei nicht nur durchaus wohlwollend gegenüber, sie hat sich auch schon so allerlei Gedanken über das Thema gemacht. Und so ist man im „Haus der Industrie“ zu folgender Conclusio gelangt: Eine neue, wirtschaftsliberale Partei hätte das Zeug dazu, auf Wählerstimmen von 15 bis 18 Prozent zu kommen.

Das deckt sich auch mit den Schätzungen vom Politikexperten Thomas Hofer, der allerdings zu bedenken gibt: „So ein Prozentsatz ist nur realistisch, wenn sich die Partei nicht ausschließlich auf Wirtschaftsthemen konzentriert. Eine Portion Populismus gehört da schon auch noch dazu.“

In der IV sieht man das ohnehin ähnlich: Die Themen einer neuen Partei müssten jedenfalls breiter aufgestellt sein – und beispielsweise auch die Bereiche Bildung, Gesundheit, Pflege und Pensionen umfassen. „Das darf keine reine Unternehmerpartei werden“, betont ein Diskussionsteilnehmer, „keine Partei der Porschefahrer und Ärzte.“

Als Zielgruppe werden jedenfalls 1,9 Millionen Österreicher definiert, jene Österreicher, die „Nettozahler“ sind. Das sind die, die laut IV-Definition „das System tragen müssen, aber nicht mehr daran glauben“.

Und auch über das Finanzielle hat man sich in der Interessenvertretung schon Gedanken gemacht. Zehn Millionen Euro, so heißt es, müssten für den Anfang reichen. Zumal ohnehin nicht vorgesehen sei, eine bundesweite Parteienstruktur aufzubauen. Und an Geldgebern wird es angesichts der grassierenden Unzufriedenheit wohl kaum mangeln. Gut möglich auch, dass die Industriellenvereinigung selbst bei einzelnen Projekten unterstützend zur Seite stehen würde.

Also alles startklar? Eher nicht. „Die Gespräche über eine neue Partei enden immer dann, wenn es um geeignete Kandidaten geht“, erzählt ein Mitdiskutant. Immer wieder ist bei solchen Gesprächsrunden der Name von BZÖ-Chef Josef Bucher genannt worden, der unter Wirtschaftstreibenden allgemein als „grundvernünftig“ gilt. Allerdings bezeichnen ihn viele auch als „zu schwach“ – von seinem „fürchterlichen Anhang“ ganz zu schweigen. Dennoch soll es zwischen IV und Wirtschaftsvertretern im BZÖ wie Ex-Billa-Chef Veit Schalle durchaus losen Kontakt geben. Angeblich hat IV-Präsident Veit Sorger himself auch schon bei diversen Ex-Politikern vorgefühlt.

Doch noch tut sich personell nichts. Was einstweilen nicht unbedingt ein Problem sein muss. Politikberater Hofer ist der Meinung, dass eine neue Partei ohnehin die besten Chancen hat, wenn sie frühestens ein Jahr vor den Nationalratswahlen (das wäre 2013) startet. Weil ihr dann nämlich eine gewisse Aufbruchsstimmung zugute kommt. Damit aus der Sache kein zweites LIF wird.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 14.05.2011)

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