Vergabe: Das AMS schafft Arbeit – für die Justiz

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Symbolbild(c) APA/ANDREAS PESSENLEHNER (ANDREAS PESSENLEHNER)
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Das Arbeitsmarktservice (AMS) muss seine EDV dringend aufrüsten. Doch die vor zweieinhalb Jahren erfolgte Ausschreibung gerät zum juristischen Krieg. Die Chronologie der seltsamen Ereignisse rund um den Auftrag.

Es ist nicht so, dass Herbert Buchinger völlig ahnungslos an die Sache herangegangen wäre. Er weiß nämlich: „Große Ausschreibungen dauern immer lang.“ Aber so lang? „Damit habe ich nicht gerechnet“, räumt der Chef des Arbeitsmarktservice (AMS) ein.
Zweieinhalb Jahre ist es mittlerweile her, dass das AMS die Aufrüstung seiner IT ausgeschrieben hat. Und der Auftrag ist immer noch nicht vergeben. „Uns kostet das wirklich viel Geld“, klagt Buchinger. „Wir arbeiten nämlich auf Basis eines IT-Vertrags aus dem Jahre 1994 – das heißt: Wir zahlen zu viel.“ Monatlich würden sich die Mehrkosten auf 1,5 bis zwei Millionen Euro belaufen.
Das ist natürlich bitter. Außerdem geht es auch um viel Geld, das investiert werden soll: Rund 200 Millionen Euro wird das Projekt kosten.
So gesehen war klar, dass die Ausschreibung, wie auch Buchinger wusste, zur Geduldsprobe werden würde. Das übliche Spiel: Ein Unternehmen bekommt den Zuschlag, die unterlegenen Bieter bemühen ihre Juristen. So einen dicken Fisch will sich keiner kampflos durch die Lappen gehen lassen.
Doch in dieser Angelegenheit ist von „üblich“ schon lange keine Rede mehr. Die Ausschreibung ist mittlerweile ein Fall für eh fast alle in der Justiz geworden: für das Bundesvergabeamt, für den Verwaltungsgerichtshof, für den Verfassungsgerichtshof. Und der Rechnungshof hat sich der Sache auch schon angenommen.
Zu untersuchen gibt es reichlich. Jedenfalls war die langwierige Geschichte der AMS-Ausschreibung schon für allerlei Merkwürdigkeiten gut.
Das begann bereits bei der Formulierung der Ausschreibung, die im Dezember 2008 erfolgte: Da wurde nämlich festgehalten, dass Bieter, die Medien Auskünfte über die laufende Ausschreibung erteilen, postwendend vom Verfahren ausgeschlossen werden. „So etwas ist absolut unüblich“, sagt ein renommierter Vergaberechtsexperte, „um nicht zu sagen: demokratiepolitisch bedenklich.“ Immerhin handle es sich um Steuergelder, die Öffentlichkeit habe also das Recht, über den Lauf der Dinge informiert zu werden.
AMS-Chef Buchinger meint dazu bloß: „Unsere Experten haben uns dazu geraten.“ Weil Medien ja oft zur Stimmungsmache missbraucht würden.
Oder weil gewisse Dinge nicht publik werden sollten? Die Vermutung ist nicht ganz von der Hand zu weisen. Jedenfalls erteilte das AMS am 4. August 2010 IBM den Zuschlag. Und die unterlegenen Bieter – Siemens und T-Systems – tobten, wiewohl die Entscheidung für sie nicht ganz überraschend kam: IBM sei von Anfang an beim Verfahren bevorzugt worden, monierten sie. Beispielsweise seien Einreichfristen auf Wunsch von IBM einfach verlängert worden. Besonders seltsam seien aber die Ereignisse bei der Abgabe des „last and best offer“ gewesen: Nachdem IBM zuvor preislich Letztgereihter gewesen sei, sei es beim Letztgebot plötzlich zu einer wundersamen Preisreduktion um 50 Prozent gekommen.

Schnell machte ein unschöner Argwohn die Runde: AMS-Chef Buchinger habe sich von Anfang an auf IBM kapriziert. Was der erbost zurückweist: „Das ist völlig aus der Luft gegriffen. Ich habe persönlich keine Beziehungen zu IBM – und Interventionen hat es auch keine gegeben.“
Die unterlegenen Bieter brachten dennoch schleunigst Beschwerde beim Bundesvergabeamt ein. Und siehe da: Das Amt erklärte die Zuschlagsentscheidung des AMS vorerst für nichtig.
Ein Etappensieg also für die unterlegenen Bieter.
Doch IBM war natürlich auch nicht faul. Flugs wandte sich der Konzern an die nächste Instanz, den Verwaltungsgerichtshof. Doch das wurde zum klassischen Schuss nach hinten: In dem Erkenntnis vom 22. Juni 2011 wird die Beschwerde von IBM nicht nur als unbegründet abgewiesen – es wird auch noch darauf hingewiesen, dass das AMS aufgrund der seltsamen Verbilligung im IBM-Angebot eine „vertiefte Angebotsprüfung“ hätte durchführen müssen – um der Sache auf den Grund zu gehen.
Ein weiterer Etappensieg für die unterlegenen Bieter.
Doch dann passierte Merkwürdiges: Im Bundesvergabeamt ist seit Kurzem nicht mehr der „Senat 4“ für die Causa verantwortlich. Dabei geht es um jenen Senat, der zu Beginn sehr engagiert die Zuschlagsentscheidung für nichtig erklärt hat. Auf Anordnung des Chefs des Bundesvergabeamtes, Michael Sachs, wurde der „Senat 12“ mit der Sache betraut.

Das sei ausgesprochen ungewöhnlich, sagen Experten. Im Bundesvergabeamt selbst ist man bemüht, das Revirement als völlig normalen Vorgang darzustellen. Sachs selbst ist auf Urlaub, seine Vertreterin Viktoria Mugli-Maschek sagt: „Der Senat 4 war überlastet, Senat 12 hatte keine Causen zu bearbeiten. Im Sinne einer raschen Entscheidungsfindung kam es zum Wechsel.“
Doch das Amt hat sich damit angreifbar gemacht, und die unterlegenen Bieter sind misstrauisch. Da war es auch nicht gerade hilfreich, dass der neu eingeteilte Senat vor Kurzem seine erste Entscheidung in der Angelegenheit bekannt gab: Der Ausschluss von Siemens aus dem AMS-Verfahren war rechtens. Es kam, wie es kommen musste: Siemens hat nun wegen der ungewöhnlichen Verschiebung der Zuständigkeiten im Bundesvergabeamt Beschwerden beim Verwaltungs- und beim Verfassungsgerichtshof eingebracht.
Jetzt steht nur mehr T-Systems als einsamer Kämpfer gegen AMS und IBM im Ring. Demnächst soll es Klarheit geben: Am Mittwoch dieser Woche fand die mündliche Verhandlung im Bundesvergabeamt statt. In rund 14 Tagen soll die Entscheidung feststehen.
Das Ende der Geschichte wird das aber wohl nicht sein.

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