Kapsch: Das freundliche Gesicht der Industrie

(c) APA (GEORG HOCHMUTH)
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Die Granden der Industriellenvereinigung haben entschieden: Unternehmer Georg Kapsch soll ihr nächster Präsident werden. Obwohl er ganz anders als alle bisherigen Präsidenten ist.

Es war eine illustre Runde, die vor wenigen Tagen in aller Diskretion auf dem Wiener Schwarzenbergplatz zusammentraf. Der Präsident der Industriellenvereinigung, Veit Sorger, hatte zu sich gebeten. Und sämtliche IV-Präsidenten der Bundesländer kamen. Das sogenannte Präsidium der Interessenvertretung war komplett – und damit beschlussfähig.

Es galt eine wichtige Weichenstellung vorzunehmen: Veit Sorger dankt nach acht Jahren an der Spitze von Österreichs größter freiwilliger Interessenvertretung im Juni ab. Und die Tradition des altehrwürdigen Hauses will es, dass das Präsidium einen Kandidaten für die Nachfolge vorschlägt. Der hat damit das Amt quasi in der Tasche – auch wenn er formal erst im Juni vom rund 100-köpfigen Bundesvorstand gewählt werden muss.

Alsbald stieg vom „Haus der Industrie“ weißer Rauch auf: Das Präsidium schickt Unternehmer Georg Kapsch ins Rennen. Der 52-Jährige wird also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit der nächste Präsident der Industriellenvereinigung.

Das ist nachgerade eine Zäsur: Kapsch passt so überhaupt nicht in das Schema bisheriger IV-Präsidenten. Wohl stammt er aus einer durchaus vermögenden Unternehmerfamilie mit klingendem Namen. Wohl verfügt er über ein durchaus tragfähiges Netzwerk. Und wohl hat er als langjähriger Präsident der Wiener Industriellenvereinigung eine gewisse Hausmacht in der Interessenvertretung. Aber politisch ist er bei Weitem nicht so konservativ wie seine Vorgänger. Soll heißen: Deren ständiges Liebäugeln mit der FPÖ wird es bei Kapsch kaum geben.

Das ist bis zuletzt auch genau das Problem für Kapsch gewesen: Schon lange hat er intern kundgetan, dass er Interesse an der Führung der Industriellenvereinigung hätte – und von vielen war er auch als logischer Nachfolger Sorgers betrachtet worden. Aber eben nicht von allen.

In Industriellenkreisen gibt es nicht wenige, die eine „neue Wende“ im Land vorbereiten wollen. Und da sollte man, so ihre Überlegung, gleich an der Spitze der Interessenvertretung ein Statement setzen. Immerhin ist die Industriellenvereinigung mit ihren rund 3500 freiwilligen Mitgliedern ein nicht zu unterschätzender Machtfaktor im Land. Im Lauf der vergangenen Monate wurden daher immer wieder Gegenkandidaten zu Kapsch ins Spiel gebracht. Zunächst der Präsident der IV in Oberösterreich, Klaus Pöttinger.Dann Ex-ÖVP-Wirtschaftsminister Martin Bartenstein. Zuletzt der Präsident der steirischen IV, Jochen Pildner-Steinburg.

Sorger hat dem munteren Treiben nun ein Ende gesetzt. Im „Presse“-Interview (Seite 4) betont er: „Kapsch hat meine volle Loyalität.“ Schön für ihn. Aber wieso diese Skepsis von Industriellen gegen Georg Kapsch?

An seinem unternehmerischen Background liegt es mit Sicherheit nicht: Kapsch ist Chef eines Elektronikkonzerns mit 830 Millionen Jahresumsatz. Ein Vollblut-Industrieller, der nebstbei alle Höhen und Tiefen des Unternehmertums kennengelernt hat. Im Jahre 2001 hat er gemeinsam mit seinem Bruder Kari Kapsch den Vorstand im 1892 gegründeten Familienunternehmen übernommen.

Es war ein gewaltiger Kraftakt – finanziell und nervlich. Denn zuvor mussten sie ihren Onkel und dessen Söhne, die immerhin 42 Prozent der Anteile gehalten hatten, auskaufen. Dazu gab es keine Alternative: Der Onkel baute weiterhin auf das Telefongeschäft, die Kapsch-Brüder hingegen waren überzeugt davon, dass die Zukunft im Mautgeschäft liege.

Die Familienfehde wurde also mit dem Anteilskauf beendet. Doch dann brach prompt die Krise in der Telekombranche aus. „99 Prozent meines Geldes steckten im Unternehmen, und das war fast bankrott“, erzählte Kapsch kürzlich bei einer Diskussionsveranstaltung. Und: „Man kann in so einem Fall nur versuchen, ruhig zu bleiben und schnell zu reagieren.“ Eine gewisse Herausforderung, angesichts seinerzeitiger Verbindlichkeiten von 230 Millionen Euro.

2003 wurden wieder Gewinne geschrieben, dafür hatte das Unternehmen um 1000 Mitarbeiter weniger. Wirklich erstaunlich ist aber der Umgang mit den verbliebenen 2000 Arbeitnehmern: Es gab unzählige Informationsveranstaltungen der Chefs, außerdem wurde ein Forum im Netz eingerichtet, in dem Mitarbeiter anonym ihren Unmut kundtun konnten. Kapsch in einem Interview: „Es ist wichtig, dass sich Betroffene Luft machen können. Wenn jemand schimpft, enthält das meist auch ein Körnchen Wahrheit.“

Unschwer zu erkennen: Georg Kapsch ist kein Patriarch. Sein Führungsstil wird als partizipativ beschrieben – Kommunikation, Mentoring und Coaching gehören zur Kapsch-Kultur. Sein Credo: „Wer anderen nicht zuhört, kann sie nicht führen.“

Das ist natürlich ein Kontrastprogramm zu den Industriellen der alten Schule. Doch Kapsch ist halt sehr von seinem familiären Umfeld beeinflusst: „Vielleicht ist meine Erziehung ein bisschen zu wenig in Richtung Härte gegangen“, wurde er einmal zitiert. Kapsch ist Sohn eines konservativen Vaters, die Mutter hingegen – die ihn sehr geprägt hat – hatte einen Hang zu sozialistischem Gedankengut.

Georg Kapsch wird gern als „Sozialliberaler“ bezeichnet. Einst erzählte er, dass ihn die Arbeit in einer NGO gereizt hatte, „aber das Unternehmertum ist mir sinnvoller erschienen“. Dem Lifestyle-Migrantenmagazin „Biber“ gab er als Sponsor diverser einschlägiger Initiativen ein Interview und sagte: „Was ich absolut nicht ertrage, sind Nationalismus und Engstirnigkeit.“ Und dann war auch noch seine Kandidatur für das Liberale Forum in Wien, Ende der Neunzigerjahre.

Die Politik ist Kapsch immer noch ein Anliegen, weil ihm deren Visionslosigkeit Sorgen bereitet. Jüngst meinte er bei einer Diskussionsveranstaltung vor jungen Nachwuchskräften: „Engagieren Sie sich! Sonst erwartet uns ein neues Biedermeier, wenn sich niemand einmischt.“ Als im vergangenen Jahr Gerüchte laut wurden, dass sich die Industriellenvereinigung nach einer neuen liberalen Partei sehne, gingen sämtliche Granden der Interessenvertretung auf Tauchstation. Kapsch war der Einzige, der offiziell dazu Stellung nahm – und die Notwendigkeit so einer Bewegung argumentierte.

Mit Kapsch wird in der Industriellenvereinigung die Wende eingeläutet. Halt anders, als einige wollten.

Zur Person

Georg Kapsch wurde am 10. Juni 1959 in Wien geboren. Der Betriebswirt sitzt seit dem Jahr 2001 im Vorstand der Kapsch AG – der Konzern ist spezialisiert auf Telekom- und IT-Lösungen sowie auf Mautsysteme.

Kapsch ist verheiratet und hat zwei Söhne.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.02.2012)

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