SuperMarkt: Der Sieg über die Liberalen

SuperMarkt Sieg ueber Liberalen
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Die Europäische Zentralbank wird klammen Staaten ab sofort unbegrenzt Geld zur Verfügung stellen. Eine künstliche Ausweitung der Geldmenge bringt aber nicht die versprochene Lösung ökonomischer Probleme.

Recht gehabt zu haben, ist, wie ein älterer Kollege meint, nur der Trostpreis im Leben. Läge er damit richtig, dann dürfte die im globalen Ideenwettstreit zu vergebende „Knacker“ längst in festen Händen sein. So sagte der slowakische Ökonom Ján Oravec bei einer Tagung am vergangenen Mittwoch in Prag: „Noch nie hatten wir Liberale mit unserer Kritik so recht wie heute. Und noch nie wurden wir dafür mehr gehasst als heute.“ Da ist was dran. Nur einen Tag später hat die Europäische Zentralbank (EZB) mit dem letzten Tabu gebrochen und aller Welt verkündet, künftig unbegrenzt Geld zu drucken, um verschuldete Wohlfahrtsstaaten vor dem Bankrott zu retten.

Es ist das kleine Wörtchen „unbegrenzt“, das den großen Unterschied macht. Das wissen nicht zuletzt die Vertreter der Krisenländer und deren Geldgeber, die über den EZB-Entscheid ebenso jubelten wie jene Ökonomen, die unabhängig von der konjunkturellen Großwetterlage wortreich erklären, warum der Weg zu „gerechtem“ Wohlstand mit schuldenfinanzierten Staatsausgaben gepflastert ist.


Putsch in der Zentralbank. Für liberale Ökonomen ist das unbegrenzte Drucken von Geld zur „Lösung“ budgetärer Engpässe wiederum so, als versuchte man Schwermütige mit österreichischer Filmkunst zu erheitern. Die einzige Autorität, die von ausgabefreudigen Regierungen akzeptiert wurde, waren steigende Zinsen. Je mehr die Kreditgeber fürchten mussten, ihr Geld nicht zurückzubekommen, desto stärker erhöhten sich die Risikoaufschläge – und damit der Druck auf die Politik, den Ausgabenrausch zu bremsen, um nicht von der Zinslast erdrückt zu werden. Dieser letzte Wächter der Stabilität wurde nun aus dem Weg geräumt, die Politik hat freie Hand. Ein finaler Sieg über die „Marktfanatiker“, der in den Peripherieländern mit euphorischen Kursgewinnen gefeiert wurde.

Mittlerweile stellen mit der „Fed“, der Bank of England, der Bank of Japan und der EZB alle großen Notenbanken der Welt „ihren“ Regierungen unbeschränkt Geld zur Verfügung. Was könnte die politische Bedeutungslosigkeit der Liberalen deutlicher machen als das? Immerhin beschreiben deren Ahnherren seit fast 100 Jahren in anschaulichen Bildern, warum das Anwerfen der Notenpresse zur Bekämpfung budgetärer Probleme keine wirklich brillante Idee ist.

Eine künstliche Ausweitung der Geldmenge bringt nämlich nicht die versprochene Lösung ökonomischer Probleme. Sie ist deren Ursache. Bereits im Kreditboom der 1920er-Jahre prognostizierte Ludwig von Mises den großen Börsencrash. Weil das viele billige Geld die Verbraucher verleitet, ihre Ersparnisse in den Geschäften zu lassen, statt sie auf den Sparkonten der Inflation zum Fraß vorzuwerfen. Gleichzeitig werden Unternehmer zu falschen Investitionsentscheidungen verführt. Geld fließt in Projekte, die unter normalen Umständen nie realisiert würden, weil sie sich bei höheren Kapitalkosten nicht rechneten. Das alles führt zu Blasen, die früher oder später platzen müssen, wie Mises erkannte.

Das hinderte die US-Regierung unter Präsident Bill Clinton nicht daran, zu Beginn der 1990er-Jahre per Gesetz dafür zu sorgen, dass die Banken auch mittellosen Bürgern Zugang zu Krediten für den Erwerb von Eigenheimen gewähren mussten. Das freute Neo-Hausbesitzer, Bauwirtschaft und Immobilienmakler. Umso mehr, als die US-Notenbank Fed nach den Anschlägen vom 11.September 2001 unter tatkräftiger Mithilfe von George W. Bush die Zinsen senkte, um die Konjunktur nicht einbrechen zu lassen.

Mit Erfolg – und verheerenden Folgen: Der boomende Immobilienmarkt wurde weiter angeheizt, was zu immer irrwitzigeren Preisen führte. Mit ihnen erhöhte sich auch die Bonität der Hausbesitzer, denen nun auch Kredite für neue Autos und schöne Urlaube nachgeworfen wurden. Bis plötzlich die Kunden den Stecker zogen, weil sie die Preise nicht mehr zahlen konnten. Die Nachfrage ebbte ab, die Preise brachen ein, die Sicherheiten der Hausbesitzer lösten sich in Luft auf, nicht aber deren inzwischen gewachsene Schulden. Die aus der geplatzten Blase resultierenden Kosten brachten die heillos verschuldeten Staatshaushalte vollends ins Wanken.


Böser Kapitalismus! Schuld daran waren nicht spendierfreudige Regierungen und deren gut gemeinten Eingriffe in das Marktgeschehen. Sondern die Banken und ihr verantwortungsloser „Kapitalismus“, der das alles möglich machte. Jene Wirtschaftsordnung also, die auf dem Privateigentum der Produktionsmittel und der freiwilligen Interaktion von Menschen beruht. Ein System, das zwar Millionen von Menschen aus der Armut geführt hat, aber in westlichen Wohlstandshochburgen zu den größten aller Übel zählt. Warum? „Weil die Liberalen die wichtigste Schlacht verloren haben: jene über die Bilder und Begriffe“, meint Oravec. Der Terminus Kapitalismus werde nur noch als „Kasino-Kapitalismus“ oder „Finanzkapitalismus“ geführt. Selbst renommierte Publikationen wie die „Financial Times“ machen sich über das einsame Schicksal der „Marktgläubigen“ lustig. Als wären Märkte eine Religion, deren Existenz erst einmal bewiesen werden müsste.

Die Liberalen scheinen die Fähigkeit verloren zu haben, die Menschen mitzunehmen. Während ihre Gegner „unbegrenzt“ Geld für „soziale Gerechtigkeit“ versprechen, haben die Vertreter der Freiheit nur Blut, Schweiß und Tränen anzubieten. Vor 300 Jahren konnten sie die Menschen noch davon überzeugen, dass sie keine Kaiser und Fürsten brauchen, um unfallfrei durchs Leben zu kommen. Heute erklären sie den Bürgern noch vergeblich, dass die Kaiser und Fürsten zwar weg sind, aber ihnen dafür Minister, Landeshauptleute und Bürokraten sagen, wo es langgeht. Womit die Liberalen wenigstens noch auf den Trostpreis hoffen dürfen.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.09.2012)


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