SuperMarkt: Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten

SuperMarkt Land unbegrenzten Moeglichkeiten
SuperMarkt Land unbegrenzten Moeglichkeiten(c) Erwin Wodicka wodicka aon at (Erwin Wodicka)
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Die in Salzburg geplatzte Fehlspekulation ist so etwas wie ein Hilferuf im Namen aller Landespolitiker. Das Ganze erinnert an den Untergang der einstigen Gewerkschaftsbank Bawag.

Wer bislang gedacht hat, der amerikanische Traum ließe sich am besten in den USA leben, liegt ziemlich falsch. Das Land der unbegrenzten Möglichkeiten heißt nämlich Österreich. Ein kleines Land, dessen Bundespräsident stolz darauf ist, dass der „Querschnitt“ der Bevölkerung im Nationalrat abgebildet wird. Ein Land, in dem es ein ehemaliger Geschäftsführer der Mietervereinigung in den Chefsessel des Bundeskanzleramtes schafft, in dem bevorzugt Kammerangestellte Wirtschaftsminister werden und in dem die in einer Zahnarztpraxis gestartete Laufbahn auch schon mal bis an die Spitze des Infrastrukturministeriums führen kann.

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten darf dann auch ein ausgebildeter Politologe und ehemaliger Direktor des Salzburger Karl-Renner-Instituts die Verantwortung für die finanziellen Geschicke eines Bundeslandes übernehmen – und dabei zusehen, wie 340 Millionen Euro verspekuliert werden. Geld, das übrigens nicht vorher von landeseigenen Betrieben verdient worden wäre, sondern das im Namen der Steuerzahler ausgeliehen wurde, also zurückzubezahlen ist, was die Sache nicht wirklich besser macht.

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten werden dann auch nicht nur die für das Spekulationsdesaster Verantwortlichen auf die Anklagebank gebeten, sondern gleich auch noch das kapitalistische System, das derart riskante Geschäfte ja anbietet. Demzufolge ist es auch nur dem Kapitalismus vorzuhalten, dass sich Staaten bis über beide Ohren verschulden, um die Macht des regierenden politischen Personals zu verlängern.

Ohne Kapitalismus gäbe es schließlich auch keine Akkumulation von privatem Kapital, das dann an Staaten und dessen föderale Einheiten verliehen werden könnte. Ganz so, als wickelte ein ohne Führerschein durch die Gegend Rasender den 5er-BMW des Herrn Papa um den nächstgelegenen Baum, um dann mit ausgestrecktem Finger auf den Automobilhersteller zu zeigen, der die Sause mit der Konstruktion derartiger Geschosse überhaupt erst möglich machte.

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird auch gleich nach einem „Spekulationsverbot“ für staatliche Organe gerufen – statt sich mit der Frage zu beschäftigen, warum es die öffentlichen Hände immer wieder an die Roulettetische der Hochfinanz zieht. Es ist die finanzielle Zügellosigkeit mit fremdem Geld, der demokratisch gewählte Regierungen ebenso verfallen sind wie deren autokratische Vorgänger. Jahr für Jahr wird mehr Geld ausgegeben als eingenommen, weil das Volk bei Laune gehalten werden will und das politische Leben ja auch irgendwie weitergehen muss.


Gefährliches ÖGB-Syndrom. Erfreulicherweise wird es für die spendablen Politiker aber immer schwieriger, von den über die Grenze der Anständigkeit belasteten Steuerzahlern noch mehr Geld für politische Prestigeprojekte zu holen. Neuerdings wird das benötigte Geld zwar vermehrt den auf Hochtouren laufenden Druckmaschinen der Europäischen Zentralbank entnommen, aber auch diese Art der Mittelaufbringung hat ihre Grenzen, weshalb den Regierungen der Bittgang zu den verhassten Finanzmärkten nicht ganz erspart bleibt.

Das Ganze erinnert an den Untergang der einstigen Gewerkschaftsbank Bawag. Der Eigentümer ÖGB leistete sich einen Verwaltungsapparat, dessen Kosten die Mitgliedsbeiträge deutlich überflügelten, weshalb der hauseigenen Bank Renditen abverlangt wurden, die selbst Heuschreckenfonds als durchaus ambitioniert erachtet hätten. Erträge, die im klassischen Bankengeschäft aufgrund des verschärften Wettbewerbs nicht zu realisieren waren. Womit der Führung der Bank eben kaum noch eine andere Wahl blieb, als höhere Risken zu nehmen und Geschäfte einzugehen, die für den gegen üble Spekulanten wetternden ÖGB eigentlich das Letzte waren.

Dieselbe Schizophrenie ist im Land der unbegrenzten Möglichkeiten ein treuer Begleiter der Politik. Während keine öffentliche Rede ohne Schelte auf den brandgefährlichen Kasinokapitalismus auskommt, stecken Politiker von links bis rechts das Geld anderer Leute ungeniert in die riskantesten Geschäfte, die es an den Börsen zu haben gibt. In Niederösterreich wurden erwartete Rückflüsse aus Wohnbaudarlehen abgezinst und verkauft, das Geld veranlagt; in Wien wird mit Schweizer Franken spekuliert, während das rote Linz mit der ehemals roten Bawag wegen schiefgelaufener Spekulationen streitet und in Kärnten so gut wie alles gemacht wurde, was Gott verboten und Jörg Haider erlaubt hatte.

Nun wäre es freilich eine Option, vom politischen Personal eine Art Wirtschaftsführerschein zu fordern. Ein ökonomisch versierter Politiker hätte das öffentliche Spekulationsdesaster vielleicht nicht verhindern können. Aber ein ökonomisch versierter Politiker hätte zumindest erkennen können, dass das Handeln mit hochriskanten Papieren nicht zu den Kernaufgaben einer Landesverwaltung gehört.

Hilfestellung beim Entzug. Die viel wirksamere Methode wäre aber, den politischen Organen mit aller Entschlossenheit dabei zu helfen, ihren Ausgabenrausch in den Griff zu bekommen. Etwa, indem die Gunst der unerfreulichen Stunde genutzt wird, nun endlich jene Schuldenbremsen einzuziehen, gegen die sich österreichische Landesfürsten seit Jahren so entschieden wehren. Wer ordentlich wirtschaftet, wird damit keinerlei Schwierigkeiten haben; alle anderen werden für diese Hilfestellung letzten Endes sogar dankbar sein.

Gleichzeitig sind Länder und Gemeinden mit einer weitreichenden Steuerhoheit auszustatten. Es sollte dem Bundesland Salzburg vorbehalten bleiben, jene 340 Millionen Euro, die in den vergangenen Jahren verloren wurden, bei seinen Bürgern einzutreiben. Mit Aussicht auf heilende Wirkung.

Im Land der unbegrenzten Möglichkeiten wird von alldem freilich nichts kommen. Wie schon Herr Honecker zu sagen pflegte: „Den Sozialismus in seinem Lauf halten weder Ochs noch Esel auf.“ Mit dem zweifelhaften Vorteil, dass Durchschnittsbürgern hierzulande größere Aufstiegsmöglichkeiten winken als in den USA.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 16.12.2012)


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