SuperMarkt: Herrn Brenners Gespür für Schmäh

SuperMarkt Herrn Brenners Gespuer
SuperMarkt Herrn Brenners Gespuer(c) APA FRANZ NEUMAYR (FRANZ NEUMAYR)
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Der Ökonom James Buchanan wusste, warum Politiker hochriskante Geschäfte eingehen, von den sie nicht das Geringste verstehen. Der "politische Mensch" ist kein anderer als der "ökonomische Mensch".

Das ist ja noch einmal gut gegangen. Aus dem vermeintlichen Finanzskandal im Land Salzburg wurde nach längerem Hinsehen doch noch ein höchst erfolgreiches Spekulationsgeschäft der öffentlichen Hand. Das Portfolio des Landes ist nämlich nicht wie vermutet mit hunderten Millionen Euro unter Wasser, sondern mit 74 Millionen Euro im Plus. Zu diesem Ergebnis kommt jedenfalls der von der Landesregierung bestellte Prüfbericht über die Salzburger Finanzlage, der Mitte vergangener Woche präsentiert wurde.

„Wir können nicht zufrieden sein, aber wir können durchschnaufen, es ist kein Schaden entstanden“, wie ein sichtlich erleichterter Finanzlandesrat David Brenner (SPÖ) am Mittwoch meinte. Bemerkenswert. Die Landesregierung weiß zwar nach monatelangen Untersuchungen noch immer nicht so genau, wie viel Landesgeld tatsächlich an den Spieltischen der internationalen Finanzmärkte gesetzt wurde. Aber der zuständige Landesrat weiß schon heute, dass nichts davon verloren ging. Obwohl die abgeschlossenen Geschäfte noch nicht „glattgestellt“ wurden und jederzeit weitere „Schatten“-Portfolios auftauchen können (so werden neuerdings die „schwarzen“ Kassen der öffentlichen Hand bezeichnet).


Die Tat einer Person? Nun ist die Frage, ob am Ende Gewinne oder Verluste anfallen, alles andere als nebensächlich. Aber auch nicht das eigentliche Thema. Das versteckt sich hinter der Frage, wie es sein kann, dass eine einzige Beamtin drei Milliarden Euro an öffentlichen Geldern verwettet, ohne dass der zuständige Landesrat davon etwas mitbekommen haben will. Eine Summe, die dem eineinhalbfachen Jahresbudget des Landes entspricht. Die Operation erschwerend kommt hinzu, dass die Gelder nicht auf einem Landeskonto schlummerten, sondern erst an den Märkten geliehen werden mussten. Man muss kein forensisch versierter Finanzbuchhalter sein, um zu erahnen, dass das nur schwer die Einzeltat einer zweifellos hochbegabten Landesbediensteten gewesen sein konnte. Hier scheint also jemand die Öffentlichkeit ordentlich am Schmäh zu halten.

Das geht übrigens nicht nur den Salzburgern so. Auch in anderen heimischen Bundesländern finden hochrangige Politiker nichts dabei, in flammenden Reden die Gier ruchloser Spekulanten anzuprangern, um dann selbst die riskantesten Geschäfte einzugehen, die der Kapitalismus anzubieten hat. Die Stadt Wien spekuliert munter auf einen fallenden Schweizer Franken, das Land Kärnten hat sich mit Swaps vertan, detto die Stadt Linz, während das Land Niederösterreich gleich Wohnbaugelder verwettet hat.


James Buchanan lässt grüßen. Wieso aber tun Politiker so etwas? Sind sie gar die schlechteren Menschen? Keineswegs. Sie sind nur nicht jene edlen Wesen, für die sie die Politikwissenschaft hält. Der „politische Mensch“ ist kein anderer als der „ökonomische Mensch“ – er ist ein und derselbe, wie es der in der Vorwoche verstorbene Nobelpreisträger James Buchanan mit seiner „Public Choice“-Theorie auf den Punkt gebracht hat. Jemand wird eben nicht zu einem besseren Menschen, nur weil sein Gehalt plötzlich vom Staat überwiesen wird.

Die Vorstellung, dass sich Staatsdiener und Volksvertreter nur für die Gemeinschaft aufopfern, ist ziemlich herzig. Ein Beamter ist an einer steilen Karriere ebenso interessiert wie an Prestige und der wachsenden Macht seiner Abteilung. Deshalb wuchern in diesem Land ja auch die Bürokratien. Die politischen Akteure versuchen wiedergewählt zu werden und den eigenen Wirkungsbereich auszubauen, koste es, was es wolle. Deshalb steigen in diesem Land Staatsausgaben und öffentliche Schulden ohne Unterlass. Weil ja auch kein Minister oder Staatssekretär auf ein kleines, sondern ein möglichst fettes Budget drängt, wirkt sich allein die Zahl der Ministerien und Staatssekretäre direkt auf die Höhe der Staatsausgaben aus, wie die OECD in mehreren Studien nachweisen konnte.

Das Verfolgen eigennütziger Ziele erklärt auch, warum sich Landespolitiker gern auf hochriskante Börsengeschäfte einlassen, von denen sie nicht die leiseste Ahnung haben. Die Vertreter der Länder haben alle Versuche, Ausgaben selbst über Steuern eintreiben zu müssen, abgewehrt. Mit dem nicht zu unterschätzenden Vorteil, als netter Onkel durch das Land reisen zu können, der den Menschen gibt, aber nicht nimmt. So jemanden wählt man doch gern.

Die verschenkten Gelder müssen allerdings zuvor dem Bund über den Finanzausgleich abgeschnorrt werden. Ein entwürdigender Bittgang. Spielraum verschaffen sich die stolzen Landesfürsten über die Gewinner „ihrer“ Betriebe – und über gewinnbringende Veranlagungen. Hohe Renditen sind aber leider nur in Kombination mit hohem Risiko zu haben – willkommen im Hochrisikotrakt der Finanzmärkte.


Kollidierende Interessen. Das durchaus eigennützige Handeln politischer Akteure erschüttert freilich die allgemein gültige These, wonach die Politik zum Wohle der Allgemeinheit auf den Märkten intervenieren müsse, um dort Schlimmeres zu verhindern. Interveniert wird schließlich nicht von neutralen Geschöpfen, sondern von Menschen aus Fleisch und Blut. Von Menschen mit eigennützigen Zielen, die durchaus mit dem politischen Auftrag kollidieren können.

Deshalb ist es wohl auch keine allzu brillante Idee gewesen, die Aufarbeitung eines Skandals jenem Finanzlandesrat zu überlassen, unter dessen Augen sich das alles abgespielt hat. So eloquent und souverän dieser auch auftreten mag.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.01.2013)

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