SuperMarkt:Schweden müssten wir sein

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Der Wirtschaftsstandort Österreich verliert sukzessive an Wettbewerbsfähigkeit. Schweden arbeitet sich hingegen nach oben. Kein Wunder.

Wie einem Gastkommentar von Peter Michael Lingens unlängst zu entnehmen war, liest er die „Presse“ sehr gern. Das ist überaus erfreulich. Zumal der frühere Redakteur der „Arbeiter-Zeitung“ und spätere Chefredakteur des „Profil“ der Ansicht ist, dass diese Zeitung den Lesern mehr als nur die nackte Meldung liefert. Sie leuchtet Hintergründe aus, analysiert, kommentiert und stellt eigene Hypothesen, die mit gegenläufigen Fakten auf deren Plausibilität hin überprüft werden, auf. So wie das der Konsument einer Qualitätszeitung in Zeiten einer noch nie da gewesenen Informationsflut auch erwarten darf. Selbst in Kommentaren lässt „Die Presse“ nach Ansicht Lingens' dem aufgeklärten Leser noch die Möglichkeit, eine andere Meinung zu vertreten als der Autor.

Das gelingt allerdings nicht immer. Ausgerechnet im SuperMarkt seien der Kundschaft relevante Fakten vorenthalten worden. Genauer gesagt vor zwei Wochen, als an dieser Stelle argumentiert wurde, dass der Staat hierzulande über ein geschickt getarntes System selbst Bezieher niedriger Einkommen Monat für Monat ausweidet. Und es deshalb ziemlich lächerlich sei, wenn ausgerechnet die Kanzlerpartei SPÖ wenige Monate vor der nächsten Wahl mit feuchten Augen mehr „Netto“ für die armen Arbeitnehmer fordert. Obwohl sie es doch war, die zusammen mit ihrem Koalitionspartner ÖVP die Arbeitskosten sehr erfolgreich in die Höhe geschnalzt hat.

Diese Art der Darstellung habe allerdings viele Leser mit dem Eindruck zurückgelassen, dass hohe Steuern grundsätzlich mit einer „allgemeinen Schädlichkeit“ behaftet seien, wie Herr Lingens schrieb. Das vor allem deshalb, weil verheimlicht worden sei, dass es ja auch Länder wie Schweden gibt, die ungeachtet ihrer hohen Steuerquoten zu den erfolgreichsten Volkswirtschaften der Welt gehören.

Mit hohen Steuern ins Glück. Nun werden die Leser einer Kolumne mit dem Untertitel „Was Kapitalismus kann – und wofür er nichts kann“ vermutlich nur in Ausnahmefällen ein sozialpartnerschaftlich akkordiertes Elaborat erwarten. Trotzdem hat Peter Michael Lingens recht, wenn er meint, Schweden wäre eine genauere Betrachtung wert gewesen. Schließlich wird von den Anhängern eines stark intervenierenden Staates ja bei jeder Gelegenheit suggeriert, dass das skandinavische Land nicht trotz, sondern wegen seiner hohen Steuern so erfolgreich sei. Christoph Matznetter, der frühere SPÖ-Staatssekretär im Finanzministerium, verstieg sich vor nicht allzu langer Zeit gar zur Aussage, dass selbst der Zivilisationsgrad einer Bevölkerung an der Steuer- und Abgabenquote seines Landes abzulesen sei. Damit Sie wissen, wie der sozialdemokratische Zivilisationsmessapparat zu bedienen ist: Je höher die Steuern und Abgaben, desto zivilisierter ein Land.

Zweifellos hat das Schweden von heute mit der brandschatzenden Wikingerhorde von gestern nicht mehr viel gemein. Und ja: Das Land ist nicht nur eine Hochsteuerregion, sondern auch einer der wettbewerbsfähigsten Landstriche der Welt. Erst vergangene Woche zeigte sich das renommierte Schweizer Managementinstitut IMD von Schweden geradezu begeistert. In einer Rangliste der 60 wettbewerbsfähigsten Länder der Welt nimmt es hinter den USA, der Schweiz und Hongkong Platz vier ein. Während sich der skandinavische Vorzeigestaat kontinuierlich nach oben arbeitete, rutschte Österreich in nur sechs Jahren (!) von Rang elf auf Platz 23 ab. Und das, obwohl in Österreich nach Angaben der Regierung doch alles so super sei. Dabei verschlechtert sich das Umfeld für Unternehmer sukzessive, der Staat greife nach dem Geschmack des IMD viel zu stark in das Wirtschaftsleben ein, und um die Kompetenz der Staatsführung sei es nicht zum Besten bestellt.

Sucht man hingegen nach den Aufschriften auf den Hinweisschildern zum schwedischen Erfolg, steht dort nirgendwo etwas von „hohen Steuern“. Sondern von konsolidiertem Staatshaushalt, niedriger Bürokratie, leistungsfähigem Bildungssystem, offenen Märkten und niedriger Verschuldung der öffentlichen Haushalte.


Eine Frage von Preis und Leistung.
Die hohe steuerliche Belastung der Bürger wird sowohl in Schweden als auch in Österreich kritisch gesehen. Mit dem Unterschied, dass die schwedische Regierung mit den eingenommenen Geldern Vernünftigeres anzufangen weiß. Die Bürger bekommen im Gegensatz zu den Österreichern nicht nur ein sehr gutes Bildungssystem und ganztägig geöffnete Kindergärten geboten, sondern vor allem einen ausgezeichnet geführten Staat. Während sich in Österreich ein Defizit an das nächste reiht, wirft der schwedische Haushalt in der Regel hohe Überschüsse ab. Gelder, die nicht vor einer Wahl verjuxt, sondern zum Abbau der Staatsschulden eingesetzt werden. Was wiederum dazu führte, dass die öffentlichen Schulden unter 40 Prozent der jährlichen Wirtschaftsleistung gefallen sind – in Österreich sind sie doppelt so hoch.

Möglich wurde das alles nur, weil das Land im hohen Norden einen Kurswechsel vorgenommen hat, der insbesondere den Anhängern freier Marktwirtschaften ein Lächeln ins Gesicht zaubert. Geschützte Branchen wurden liberalisiert, Staatsbetriebe privatisiert, Einkommensteuern gesenkt, Vermögensteuern gestrichen. Der sozialistische Rundumversorgungsstaat wurde nicht abgeschafft, sondern abgespeckt. Zahlt ein schwedischer Arbeitgeber seinem Angestellten einen Euro aus, kostet ihn das 1,74 Euro, einen österreichischen Arbeitgeber hingegen 2,11 Euro. Jeder Arztbesuch ist in Schweden kostenpflichtig (15 bis 25 Euro, mit jährlicher Obergrenze), wer mit 60 Jahren in Rente geht, büßt ein Fünftel seiner Pension ein.

Und Österreich? In Österreich erklärte Sozialminister Rudolf Hundstorfer (SPÖ) erst am vergangenen Freitag, dass das staatliche Pensionssystem auf Jahre hinaus gesichert sei. „Es fehlt zur Stunde nichts.“ Abgesehen von jenen zehn Milliarden Euro, die aus dem Budget schon jetzt ins staatliche Pensionssystem eingeschossen werden müssen, um es solvent zu halten.

Herrn Lingens ist also uneingeschränkt zuzustimmen: Relevante Fakten sind zur Bildung einer eigenen Meinung keinesfalls von Nachteil.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 02.06.2013)


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