"SuperMarkt": Was uns die Schweizer voraus haben

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Ohne neue Schulden durch die Krise: Ungeachtet der niedrigen Staatsausgaben sind in der Schweiz weder breite Schichten in die Armut abgerutscht, noch fällt von Spitälern und Hochschulen der Putz.

Vertretern heimischer Medien wird ja gern nachgesagt, erfreuliche Entwicklungen prinzipiell zu unterschlagen, um etwas mehr Platz für maßlos aufgebauschte Berichte über die Abscheulichkeiten des täglichen Lebens zu schaffen. So haben Journalisten als willfährige Erfüllungsgehilfen bösartiger Geheimdienste und hinterhältiger Spekulanten ja auch die Krise so lange herbeigeschrieben, bis sie endlich da war. Gleichzeitig werden die ersten Repräsentanten des Staates in heimischen Medien so lange lächerlich gemacht, bis auch der letzte Vernünftige die Lust verloren hat, in die Politik zu gehen.

Weshalb wir die Dinge etwas positiver sehen wollen. Wenn beispielsweise Österreichs Nationalräte kommenden Donnerstag die Plenarsitzung ausfallen lassen, hat das nichts mit Arbeitsscheu zu tun, sondern einen banalen Grund: Die Regierung hat nichts zu beschließen. Eine sehr gute Nachricht, an Gesetzen herrscht ja ohnehin keine Unterversorgung.


Politik der ruhigen Hand. Die Vertreter der Regierungs- und Oppositionsparteien lassen sich durch das hektische Geschäft außerhalb des Hohen Hauses eben nicht aus der Ruhe bringen. Dort draußen ist es derzeit auch besonders ungemütlich: Eine schwere Wirtschaftskrise treibt seit Monaten ihr Unwesen, das Land droht in Schulden zu ersaufen, die „Gratis“-Universitäten werden von wissbegierigen jungen Menschen gestürmt, weshalb kein vernünftiger Lehrbetrieb mehr möglich ist, und die Staatsbahn rast mit atemberaubender Geschwindigkeit auf den wirtschaftlichen Abgrund zu – mal ehrlich: Wer geht da schon freiwillig vor die Tür?

Vermutlich wäre es aber kein großer Fehler, den sitzungsfreien Donnerstag im wetterfesten Unterstand für eine Aktuelle Stunde zu nutzen. Etwa, um sich mit der Frage zu beschäftigen, wie es der Schweiz eigentlich gelingen konnte, im abgelaufenen Krisenjahr einen Budgetüberschuss auszuweisen. Mitte vergangener Woche vermeldete der Schweizer Finanzminister Hans-Rudolf Merz für 2009 ein Plus von 2,7 Milliarden Franken (1,9 Milliarden Euro) – inklusive einmaliger Sondererträge sind es sogar 9,7 Milliarden Franken. Womit die Schweizer in der Lage waren, ihre Staatsschulden auf 111 Milliarden Franken zu drücken. Und das im Jahr der großen Weltwirtschaftskrise. So etwas ist wohl das untrügliche Erkennungszeichen eines nachhaltig sanierten Staatshaushalts.

Die Sache ist umso beeindruckender, als diesem Budgetüberschuss kein Griff in die Taschen der Bürger vorausgegangen ist. Während Finanzminister Josef Pröll (ÖVP) in Österreich mit einer Steuer- und Abgabenquote von 42 Prozent der Wirtschaftsleistung ein Defizit von knapp zehn Milliarden Euro einfährt, erzielt sein Berner Amtskollege mit einer Abgabenquote von 29 Prozent einen Überschuss. Fairerweise ist an dieser Stelle zu erwähnen, dass die Abgaben zur Sozialversicherung in der Schweizer Quote nicht eingerechnet sind, weil sich die Eidgenossen privat versichern. Bereinigt um diese Unschärfe liegt die Steuerbelastung der Schweizer aber immer noch um rund ein Zehntel unter jener der Österreicher.


Im Ausgaben-Rausch. Der fundamentale Unterschied zwischen den beiden Ländern liegt zweifellos darin, dass das eine bestens geführt ist, während sich das andere seit Jahren einem Ausgaben-Rausch hingibt, der längst das ökonomische Grundverständnis des Landes zu zersetzen begonnen hat. Was immer an persönlicher Lebensplanung schiefgeht – der Staat Österreich kommt für alle Schäden auf. Wo immer Geld auszugeben ist – der Staat Österreich ist zur Stelle. Und was immer an ineffizienten Strukturen zu erhalten ist – auf den Staat Österreich ist Verlass. Weshalb die Ausgaben der öffentlichen Hand auch bei 52,3 Prozent der Wirtschaftsleistung liegen – bei unseren Nachbarn sind es 34 Prozent. Wären wir Österreicher Schweizer, brauchte die öffentliche Hand um 50 Milliarden Euro weniger – und das Jahr für Jahr. In der Schweiz maßen sich Staatsangestellte eben nicht an, das von den Bürgern erwirtschaftete Geld besser einzusetzen als diese selbst.

Ungeachtet der niedrigen Staatsausgaben sind in der Schweiz weder breite Schichten in die Armut abgerutscht, noch fällt von Spitälern und Hochschulen der Putz. Die Sozialausgaben liegen auf einem ähnlich hohen Niveau wie in Österreich, das Schweizer Gesundheitswesen ist um nichts schlechter als das hiesige, und die Schweizer Staatsbahnen zählen zu den besten der Welt. Die entpolitisierten SBB kommen nicht nur mit der Hälfte an Subventionen über die Runden, sondern auch mit deutlich weniger Mitarbeitern als die ÖBB. Letztere erzielen mit 42.000 Beschäftigten (von denen 70 Prozent pragmatisiert sind) einen ähnlich hohen Umsatz wie die SBB mit 27.000 (jederzeit kündbaren).

Und so geht es fröhlich weiter: Warten Österreichs Landeshauptleute auf den monatlichen Scheck aus Wien (dieses planwirtschaftlich organisierte Alimentierungssystem wird hierzulande gern mit Föderalismus verwechselt), müssen ihre Pendants in der Schweiz die Steuern selbst eintreiben. Mit der heilsamen Nebenwirkung, die Verwendung der kassierten Gelder bei den nächsten Wahlen vor den „Kunden“ rechtfertigen zu müssen.


Wettbewerb macht reich. Jeder Kanton bestimmt die Höhe der Einkommensteuern selbst. Der tobende Steuerwettbewerb hat nicht nur die Tarife in den Keller gejagt, sondern auch viele Regionen steinreich gemacht. Niedrige Steuersätze gekoppelt mit einer schlanken Verwaltung sind für arbeitende Menschen eben attraktiver als überbürokratisierte Hochsteuerländer.

Die Schweiz ist ein eindrucksvolles Beispiel dafür, wie unterschiedlich sich zwei Länder mit ähnlichen Voraussetzungen entwickeln können. Mit dem durchaus bemerkenswerten Ergebnis, dass wir mittlerweile nur noch die Berge gemeinsam haben.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 21.02.2010)

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