SuperMarkt: Die "Volvo-Liberalen"

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SuperMarkt VolvoLiberalen(c) APA (HOLZ-SCHWARTZ)
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In Österreich wimmelt es nur so von Liberalen. Das dürfte auch daran liegen, dass die meisten unter ihnen "liberal" mit "tolerant" verwechseln. Dem Begriff wird hierzulande jede Menge zugemutet.

Als am vergangenen Donnerstag das nicht gerade für seine radikalliberalen Umtriebe bekannte Wirtschaftsforschungsinstitut (Wifo) der Regierung die Privatisierung einiger Staatsbetriebe ans Herz legte, ging ein Ruck durch das Land: Die Vertreter aller politischen Strömungen waren sich einig, dass ein Verkauf von Staatsanteilen zum Abbau des gigantischen Schuldenbergs nicht infrage komme. Einzig das drollige BZÖ, dessen politische Tage längst gezählt sind, hielt noch schüchtern dagegen.

Besser könnte man den Niedergang des politisch organisierten Liberalismus in diesem Land wohl nicht mehr beschreiben. Das ist umso überraschender, als es hierzulande vor Liberalen ja geradeso wimmelt. Fragt man beispielsweise jüngere Wählerschichten nach ihrer Gesinnung, kratzen die Liberalen an der absoluten Mehrheit. Das könnte freilich auch daran liegen, dass dem Begriff „liberal“ hierzulande jede Menge zugemutet wird. Hier die wichtigsten Schattierungen zur besseren Orientierung:

Die »Volvo-Liberalen« würden sich freilich nie über eine Luxusautomarke definieren. Vertreter dieser Strömung nennen sich lieber „linksliberal“ oder „sozialliberal“. Sie halten einen stark intervenierenden Staat mit hohen Steuerquoten für wünschenswert. Privateigentum ist aus ihrer Sicht zwar nicht abzulehnen, aber in jedem Fall problematisch. Am häufigsten anzutreffen in trendigen Vierteln, von dort aus wird der Nachwuchs im coolen Volvo in private Kindergärten und Schulen chauffiert. Mit dabei ist auch die passende Entschuldigung: „Eh nur wegen der guten Nachmittagsbetreuung“.

Zu erkennen sind Linksliberale auch an ihrer Scham für das reiche Elternhaus. Ihrer Ansicht nach sollten nicht nur sie selbst privilegiert sein: „Volvo für alle!“, heißt ihre Devise. Dafür hat der Staat zu sorgen. Die Volvo-Liberalen sind letzten Endes wohlhabende Sozialisten mit gutem Geschmack und schlechtem Gewissen.
Die »Toleranz-Liberalen«verwechseln Liberalismus gern mit „jeder nach seiner Façon“. Demzufolge haben nicht nur jene Menschen Anrecht auf Asyl, die ihrer politischen Gesinnung oder sexuellen Orientierung wegen verfolgt werden, sondern auch jene, die sich seit Jahren illegal in Österreich aufhalten, deren Kinder herzig aussehen und die schon so gut Deutsch sprechen, dass eine Abschiebung nicht mehr infrage kommt. Sie lehnen die Befreiung unterdrückter Völker von ihren Despoten mittels Waffengewalt ab. Der Toleranz-Liberale gleicht dem Volvo-Liberalen – nur eben ohne Volvo.

Die »Ja-aber-Liberalen« beschreiben sich auch gern als „bürgerlich-liberal“. Vertreter dieser Strömung sind überzeugt davon, dass die Marktwirtschaft eine gute Sache ist. Sie stehen dem Staat nicht ablehnend gegenüber, bestenfalls skeptisch. Wirtschaftspolitisch folgen sie meist den großen liberalen Vordenkern. Geht es aber um die strikte Trennung von Kirche und Staat, hört sich der liberale Spaß auf. Nach dem starken Staat wird auch dann laut gerufen, wenn unerwünschte Formen des zwischenmenschlichen Zusammenlebens vor deren Legalisierung „geschützt“ werden sollen.

Die »Traktor-Liberalen« halten es für höchst zweifelhaft, dass sich Preise an Angebot und Nachfrage orientieren. Ihrer Ansicht nach sollten dafür die monatlich anfallenden Kosten in landwirtschaftlichen Kleinbetrieben bzw. die Tarife für die neuesten Großtraktoren herangezogen werden. Vertreter dieser Ansicht finden Wettbewerb gut, solange er nicht in der eigenen Branche wüten darf. Die Traktor-Liberalen bekennen sich auch zum Privatvermögen, sind aber überzeugt davon, dass der Verkauf von Staatsbetrieben einer Verschleuderung von Volksvermögen gleichkommt. Diese Spezies der Liberalen geniert sich auffallend für den Begriff „Marktwirtschaft“, weshalb sie ihm gern ein Attribut voranstellt. Besonders beliebt: „sozial“ oder „ökosozial“.
Die »Blut-und-Boden-Liberalen« nennen sich auch gern „nationalliberal“. Sie teilen eine ausgeprägte Vorliebe für das Teutonische. Marktwirtschaft ist nicht schlecht, solange es nicht um die Kapitalmärkte geht. Vertreter dieser Strömung geben oft auch „antizionistisch“ (die smarte Form des Antisemitismus, auch bei Linken sehr populär).


Die Liberalen ohne Attribut repräsentieren die unwichtigste, weil hierzulande weitgehend ausgestorbene Geisteshaltung. Sie unterscheiden nicht zwischen links-, rechts-, national-, anarcho-, gesellschafts- oder wirtschafts-liberal. Sondern zwischen liberal und nicht liberal. Sie glauben nicht, dass erwachsene Menschen permanent von pragmatisierten Beamten durch das Leben geführt werden müssten. Vielmehr erwarten sie, dass öffentlich Bedienstete nur daran interessiert sein sollten, ihren Arbeitgebern (also den Bürgern) die beste Dienstleistung zu den niedrigsten Kosten zu bieten.

Liberale sehen in der Marktwirtschaft auch keine Ideologie zur nachhaltigen Ausbeutung der Schwächeren. Sondern das beste fehleranfällige System, das der Menschheit zur Verfügung steht. Womit auch erklärt wäre, warum sie es in Österreich so schwer haben.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 10.10.2010)


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