SuperMarkt: Sind wir noch zu retten?

SuperMarkt Sind noch retten
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Die Eurokrise soll mit einer uneingeschränkten Haftung für alle Mitglieder beendet werden. Womit Griechenland das neue Wirtschaftsmodell wäre. Die Eurozone ist längst von einer partiellen Hyperinflation erfasst.

Stephan Schulmeister ist nicht nur ein sympathischer Zeitgenosse, er zählt auch zu den raren Ökonomen in diesem Land, die noch mit ganzem Herzen gegen das Böse ankämpfen. Nach den Drachen müssen wir auch nicht lange suchen, Schulmeister hat ihre Fährte längst aufgenommen: Die Spur führt in die großen Geldtürme des Westens, in denen sich die profitgierigen Monster verschanzt haben, um dort der vorbeiziehenden Arbeiterschaft aufzulauern und ihr das hart verdiente Geld abzujagen. So in etwa lautet die (grob verkürzte) Analyse, die der Wifo-Ökonom jüngst in der „Presse“ veröffentlichte.

Nun hat Schulmeister recht, wenn er meint, es sei ein unwürdiges Schauspiel, dass sich große Banken bei der EZB Geld zu niedrigen Zinsen leihen können, um damit hoch verzinste Anleihen von wackeligen Staaten aufzukaufen, ohne das geringste Risiko nehmen zu müssen. Weil ja jeder Eurostaat die Garantie in der Schublade hat, im äußersten Fall von den Partnerländern aufgefangen zu werden. Womit nicht nur das Schuldnerland, sondern auch die Zeichner seiner Anleihen geschützt sind.


Hellenische Grippe. Das ist aber nicht die Ursache des Problems, sondern ein unhübsches Symptom. Die Ursache heißt „griechische Krankheit“: Staaten, die das niedrige Zinsniveau (herbeigeführt von den Hartwährungsländern) nur dazu nutzten, sich günstig zu verschulden, um über ihre wirtschaftlichen Verhältnisse leben zu können. Statt das Geld in Forschung und Entwicklung sowie die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit der eigenen Wirtschaft zu stecken, wurde es von den Regierenden dazu verwendet, das wählende Volk zu beschenken.

Vom hellenischen Virus sind bereits weite Teile der Währungsunion befallen. In Griechenland und Portugal ist die „griechische Krankheit“ voll ausgebrochen, während Spanien, Italien und Belgien schon verdächtig hüsteln. Irland wiederum ist der Illusion erlegen, dass die Häuserpreise immerfort steigen müssten, weshalb die hohe Verschuldung privater Haushalte nicht weiter schlimm sei. Nun droht eine Kettenreaktion, die bestenfalls ein paar Eurozweifler beglücken dürfte.

Was tun? Die Garantien für schlingernde Eurostaaten ins Unendliche ausdehnen, wofür die neokeynesianische Glaubenskongregation offen plädiert? Das wäre denkbar. Vor allem, wenn man es für richtig hält, den griechischen Schlendrian zur offiziellen Wirtschaftspolitik zu erklären und die EU in eine Transferunion zu verzaubern. Weniger begeistert dürften davon jene Staaten sein, die ihre Haushalte in Ordnung gehalten und ihrer Bevölkerung eine harte Währung versprochen haben. Woran die Deutschen übrigens schon vor der Euro-Einführung zweifelten: 62 Prozent von ihnen sagten im April 1998, dass sie wegen der bunt zusammengemischten Teilnehmerschaft steigende Preise und eine Entwertung ihrer Ersparnisse erwarten.

Heute werden ihre schlimmsten Träume wahr. Die Eurozone ist nämlich längst von einer partiellen Hyperinflation erfasst. Besonders schön zu sehen ist die rasende Entwertung auf dem Goldmarkt: Bekam man vor zwei Jahren eine Unze Gold noch für 565 Euro, muss man heute fast das Doppelte für dieselbe Menge hinlegen. Wer vor zwei Jahren einen Schweizer Franken erwerben wollte, bekam ihn um 24 Prozent günstiger als heute.

Wenig Gold im Kühlschrank? Das Glück der Regierenden ist, dass die gängigen Waren eines Privathaushalts eben weniger aus Schweizer Franken, Gold und anderen Edelmetallen bestehen. Sondern aus Nahrung, Wohnraum und Energie. Deshalb schlägt sich die enorme Inflation (Aufblähen der Geldmenge) noch nicht stärker in steigenden Verbraucherpreisen (eine Folge von Inflation) nieder. Wenngleich eine allgemeine Teuerungsrate von knapp zwei Prozent in einer Wirtschaftskrise auch schon eine ungewöhnlich hohe ist.

Sind dann erst einmal die Kapazitäten voll ausgelastet, darf man gespannt sein, wie die EZB das Geld aus den Märkten ziehen will. Höhere Zinsen wäre eine Möglichkeit, von der aber angeschlagene Eurostaaten noch tiefer nach unten gezogen würden. Womit auch das Dilemma der EZB offenbart wäre: Für ökonomisch so verschiedene Mitgliedsländer eine gemeinsame Geldpolitik zu machen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Sie wird sich also zwischen höherer und niedriger Inflation entscheiden müssen. Variante eins brächte eine schleichende Enteignung der Vermögenden, einen bequemen Abbau der Staatsschulden und neue Chancen für die Exporteure. Variante zwei stärkte zwar die Kaufkraft, ginge aber Hand in Hand mit Sparpaketen und drohenden Unruhen.

Nun raten wir einmal, welchen Weg das nicht gerade von tollkühnen Staatenlenkern geführte Europa bevorzugen würde. Zumal die Bösen, falls die Sache schiefgehen sollte, ohnehin feststehen: Es sind die „entfesselten Märkte“, die unschuldige Staaten aus Profitgier in den Ruin spekulieren.

franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 05.12.2010)


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