SuperMarkt: Verteilen, was das Zeug hält

SuperMarkt Verteilen Zeug haelt
SuperMarkt Verteilen Zeug haelt(c) FABRY Clemens
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Die kräftige Konjunktur lässt die Staatskasse klingeln. Die Regierung tut freilich alles, um uns das harte Los eines ausgeglichenen Haushalts zu ersparen. Die Republik wird heuer 153 Milliarden Euro ausgeben.

Eines der ganz großen Dramen dieses Landes ist ja, dass es sich so unverstanden fühlt. Kaum jemand, der sich für uns interessiert und so gut wie niemand, der begreifen mag, wie toll wir doch eigentlich sind. Umso erfreulicher ist es, wenn das kleine Österreich vom großen Ausland beachtet und dann auch noch gelobt wird. So wird die Republik Österreich neuerdings zu den bestgeführten Staaten der EU gezählt und als eine der tragenden Säulen der Eurozone gewürdigt. Besonders erfreut darüber ist die Regierung, weshalb auch täglich ein anderes Mitglied der Staatsführung auf die „hervorragenden Daten“ verweist, mit denen Österreich dieser Tage von sich reden macht.

Sind dann auch noch unabhängige Stellen ganz hin und weg von der guten Entwicklung Österreichs, kann den Regierungsmitgliedern auch schon mal der Kamm schwellen. Erst vergangenen Dienstag hat „uns“ der Versicherungskonzern Allianz zur „drittgesündesten“ Volkswirtschaft der Eurozone erklärt, geschlagen nur von Deutschland und Luxemburg. „Oooh, aaah!“, raunt es durch das Land, wer hätte das gedacht, wo doch die heimische Kommentatoren-Meute nur herumnörgelt.

Dabei hat Österreich einiges vorzuweisen, zum Beispiel eine produktive und wettbewerbsfähige Wirtschaft sowie eine hohe „Ressourceneffizienz“ (was immer das auch heißen mag). Stabilisierend wirkten zudem der kräftige Inlandskonsum sowie die niedrige Verschuldung privater Haushalte und Betriebe. Dadurch würden konjunkturelle Rückschläge der Wirtschaft weniger anhaben als anderswo. Das ist sehr erfreulich.


Nach der Krise ist vor der Krise. Nicht ganz vorne, aber immer noch in der Spitzengruppe rangiert Österreich auch in der Kategorie „stabile Staatsfinanzen“ (Platz sechs). Bemerkenswert ist freilich, dass in der Eurozone mittlerweile schon ein Land in die Auslage gestellt wird, das sich verschulden muss, um die Zinsen für seine Staatsschulden bezahlen zu können. Das umso mehr, als es sich dabei um ein Staatsgebilde handelt, das in 39 der vergangenen 40Jahre Defizite erwirtschaftet hat und die Schulden in den kommenden vier Jahren um weitere 50Milliarden Euro erhöhen wird. Das alles sagt mehr über den vergleichsweise bescheidenen Zustand der Eurozone als über die Stärke Österreichs.

Aber wer weiß, womöglich haben ja jene, die uns dieser Tage so gerne Rosen vor die Füße werfen, bereits einkalkuliert, dass Österreichs Regierung locker einen ausgeglichenen Haushalt erreichen könnte – wenn sie nur wollte.

Nur will sie eben nicht. Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) hat erst beim jüngsten EU-Gipfel die österreichische Sicht der Dinge in aller Klarheit dargelegt: Österreich wird den Teufel tun und die guten Wirtschaftsdaten dazu nutzen, die Konsolidierung des Staatshaushalts voranzutreiben. Vielmehr werden die guten Wirtschaftsdaten der Regierung dabei helfen, den Staatshaushalt nicht konsolidieren zu müssen. Schließlich treibt die florierende Wirtschaft die Einnahmen des Staates in lichte Höhen, weshalb es gar nicht mehr nötig sei, bei den öffentlichen Ausgaben auch nur einen Cent zu streichen.

Stattdessen erteilt man Griechenland Lektionen in Sachen „Sanierung“ und erhebt die mit der Finanzkrise erhöhte Staatsausgabenquote zum Dauerzustand. Mit dem Zusammenbruch von Lehman Brothers schnalzten die Ausgaben der Republik von 48 Prozent des Bruttoinlandsproduktes auf 52 Prozent hoch. Ein einmaliges Ereignis, wie es hieß, eine vorübergehende Maßnahme, um die Wirtschaft vor dem „Crash“ zu bewahren. Bevor die Bürger dieses Landes bis drei zählen konnten, wurden aus den temporären Konjunkturprogrammen dauerhafte Stützen der heimischen Wirtschaft.

Dementsprechend wird die Republik Österreich heuer 153 Milliarden Euro ausgeben. Das ist verdammt viel Geld für ein Boomjahr, in dem das Wirtschaftswachstum jenseits der drei Prozent liegen wird (nach Abzug der Inflation). Dabei stünde immer noch mehr Geld zum Verteilen zur Verfügung, wenn der Staat seine Ausgaben auf das Vorkrisenniveau von (ohnehin rekordverdächtigen) 48 Prozent des BIPs beschränkte. Weil ja auch die Wirtschaftsleistung heuer mit knapp 300 Milliarden Euro einen neuen Höchstwert erreichen wird. Begnügte sich die öffentliche Hand mit 48 Prozent Staatsausgaben, wäre ein ausgeglichener Haushalt auch kein Kunststück, sondern Realität.

Daran ist aber keine Partei in diesem Land ernsthaft interessiert. Auch die ÖVP nicht, die so gerne über die rote Schuldenpolitik herzieht. Die Minister der Wirtschaftspartei von einst warnen heute bei jeder Gelegenheit vor den verheerenden Folgen sinkender Staatsausgaben. Womit sich die österreichische Konjunkturpolitik in ihrer vollen Pracht zeigt: In schlechten Zeiten rettet der Staat mit erhöhten Ausgaben die Wirtschaft vor dem Absturz – und in guten Jahren darf an den krisenbedingt erhöhten Staatsausgaben keinesfalls gerüttelt werden, um der boomenden Konjunktur nur ja nicht den Schwung zu nehmen.


Hohe Ausgaben für jede Lebenslage. Das alles führt dazu, dass immer neue Ausgaben erfunden werden müssen, um dem Land das harte Schicksal eines ausgeglichenen Haushalts zu ersparen. Weder die Regierungsparteien noch eine andere wahlwerbende Gruppe hat bis dato ein detailliertes Programm vorgelegt, wie die Republik Österreich mit der hervorragenden Konjunktur im Rücken ohne neue Schulden auskommen könnte. Es reicht nicht einmal für Floskeln à la „Wann sanieren, wenn nicht jetzt?“. Stattdessen wird die Bevölkerung in allen Ecken des Landes gegen einen imaginären Sparwahn aufgehetzt – und das bei Staatsausgaben, die über 52Prozent der Wirtschaftskraft liegen.

Deshalb spielt Österreich auch in einer eigenen Liga. Kaum eine Regierung ist so erfolgreich, aus der von den produktiven Teilen der Bevölkerung erwirtschafteten Ausgangsposition so wenig zu machen, wie die österreichische. Leider ist das keine jener Kategorien, in der weltweit Ranglisten geführt werden.



franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 26.06.2011)


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