SuperMarkt: Krise bei Kaffee und Kuchen

SuperMarkt Krise Kaffee Kuchen
SuperMarkt Krise Kaffee Kuchen(c) REUTERS (POOL)
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Europas Politik feiert das Ergebnis des Eurogipfels als ersehnten Befreiungsschlag. Hoffentlich landet dieser nicht in der Magengrube der Bürger.

Ganz Europa hat am vergangenen Donnerstag einmal kollektiv durchgeatmet. Das lag nicht so sehr an der frischen Polarluft, die das Sturmtief „Otto“ durch Europa getragen hat. Sondern daran, dass sich Frankreich und Deutschland über eine Lösung der Griechenland-Krise verständigt haben. Der heruntergewirtschaftete Staat bekommt von seinen Europartnern und dem IWF 109 Milliarden Euro an Garantien zur Verfügung gestellt, um zahlungsfähig zu bleiben. Werden zu dieser Summe noch jene Beträge addiert, die im Vorjahr zum selben Zweck aufgebracht wurden, sind es knapp 220 Milliarden Euro, mit denen das kleine Land am Südzipfel der Union für ein paar Jahre „flüssig“ gehalten wird.

Geradezu beeindruckend ist freilich, dass Regierungen, denen in der Heimat die politische Courage fehlt, ein paar Verwaltungseinheiten zu streichen, auf dem europäischen Parkett plötzlich mutig werden und milliardenschwere Verpflichtungen für Länder eingehen, die sich aus freien Stücken an den Rand des Bankrotts manövriert haben. Diese Art der Solidarität geht freilich nur gut, weil noch kein „echtes“ Geld geflossen ist. Bis dato handelt es sich vorwiegend um Garantien.

Weniger erfreulich ist, dass es dabei nicht bleiben wird. Wenn sich nämlich Griechenland zahlungsunfähig erklärt, dann werden aus den Haftungen tatsächliche Geldflüsse. Und das wird ohne jeden Zweifel passieren. Schon deshalb, weil sich die wirtschaftliche Lage Griechenlands seit vergangenem Donnerstag um keinen Millimeter verändert hat. Der Staat ist genauso pleite wie vor vier Tagen – und er wird es auch in drei Jahren sein, weil die griechische Bevölkerung die Kosten des gigantischen Schuldenbergs gar nicht bewältigen kann. Selbst, wenn sie wollte, wofür es allerdings keine verlässlichen Anzeichen gibt.


Ein griechisches Sommermärchen. Die europäische Führung sieht das naturgemäß anders, sie hält – zumindest nach außen hin – folgendes Szenario für durchaus realistisch: Griechenland hält nicht nur eisern am beschlossenen Sparkurs fest, es holt auch in kurzer Zeit das nach, was in vier Jahrzehnten versäumt wurde. Die übermächtigen Gewerkschaften werden entmachtet, die Wirtschaft wird auf Vordermann gebracht, die abgeschotteten Sektoren werden dem Wettbewerb geöffnet, wodurch eine Art Aufbruchsstimmung im Land entsteht. Von der tollen Stimmung sind potenzielle Investoren hellauf begeistert, weshalb wieder jede Menge Kapital ins Land strömt. Die Beschäftigung steigt ebenso wie die Konsumausgaben der privaten Haushalte, die Staatskassen füllen sich sukzessive mit Geld – und die Griechen leben glücklich bis ans Ende ihrer Tage.

Die weniger romantisch Veranlagten spielen gedanklich freilich längst die Möglichkeit einer Pleite Griechenlands durch: Die Athener Regierung hat zwar das größte Sparpaket der Geschichte auf die Beine gestellt (das die ebenfalls historischen Ausgabensteigerungen korrigieren sollte), aber das reicht nicht, um den finanziellen Verpflichtungen dauerhaft nachzukommen. Weshalb der griechische Premier sein Land für insolvent erklären wird. Wann das passiert, ist schwer zu sagen. Klar ist, dass die Gläubiger Griechenlands in diesem Fall ihre Forderungen abschreiben müssen. Die schlagend werdenden Haftungen reißen tiefe Löcher in die Budgets „guter“ Eurostaaten. Zudem ist die EZB von den nationalen Notenbanken zu rekapitalisieren, was wohl nur über Steuergeld zu machen wäre.


Auf dem Weg in die Transferunion. Die Crux ist, dass die Eurozone nicht nur das griechische Problem am Hals hat. Auch Portugal, Irland, Spanien und vor allem Italien sind alles andere als stabil. Das wissen natürlich auch Merkel, Sarkozy&Co. Deshalb wird künftig auch der Euro-Rettungsschirm europäische Schrottanleihen aufkaufen. Damit wird die Eurozone still und heimlich zur Transferunion umfunktioniert: Solide wirtschaftende Mitgliedsländer zahlen die Schulden jener Defizitstaaten zurück, die dazu nicht mehr in der Lage sind. Zu diesem Zweck werden entweder „Eurobonds“ aufgelegt oder die Schulden der Sünder einfach „vergemeinschaftet“. Für ein derartiges Vorgehen fehlt zwar jede vertragliche Grundlage, aber das hat die Politik schon in der jüngeren Vergangenheit kaum gekümmert.

Der große Nachteil dieser bequemen Lösung ist, dass sie alle marktwirtschaftlichen Sanktionsmechanismen außer Kraft setzt. Welchen Anreiz sollten Mitgliedstaaten noch haben, ihre Haushalte in Ordnung zu halten, wenn ohnehin die Deutschen zahlen? Die budgetäre Misswirtschaft würde damit nicht nur pardoniert, sondern auf die anderen Mitgliedstaaten abgewälzt, ohne dass diese nennenswerten Einfluss auf die Haushaltsführung von Griechenland & Co. hätten.


Politische Sprengkraft. Alternativ dazu wird die Europäische Zentralbank „angehalten“, weiterhin Ramschanleihen aus ganz Europa aufzukaufen. Allerdings hat die EZB das dafür nötige Geld nicht. Folglich wird sie es einfach drucken (in der Realität erledigt das freilich der Computer über das Anfügen einiger Nullen). Mit diesem Schritt wird aus dem „harten“ Euro schrittweise ein kaugummiweicher. Das wird zwar die Exportwirtschaft freuen, allerdings werden die ausgeweiteten Geldmengen Inflationsraten und Zinsen in die Höhe treiben.

Was aber, wenn die Bürger in den besser geführten Staaten weder die Lust noch die Kraft haben, alle schlecht geführten mitzutragen? Wenn der politische Druck so groß wird, dass daran die Eurozone zu zerbrechen droht? Dann verlassen entweder die schwächeren Mitglieder den Euro oder die stärkeren. Für diese Variante herrscht derzeit allerdings ein striktes Denkverbot. Es kann schließlich nicht sein, was nicht sein darf. Deshalb wird alles unternommen werden, die Währungsunion in ihrer aktuellen Besetzung durchzutragen.

Es steht leider zu befürchten, dass diese Strategie eine zu riskante ist. Vor allem aus Sicht der glühenden Anhänger der Währungsunion.



franz.schellhorn@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 24.07.2011)

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