Hurra, wir kaufen uns neue Jobs!

Hurra kaufen neue Jobs
Hurra kaufen neue Jobs(c) APA/HERBERT PFARRHOFER (HERBERT PFARRHOFER)
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Wer kein rückständiger Spinner sein will, plädiert lieber in aller Offenheit dafür, dass Europas Staaten wieder großflächig Jobs schaffen.

Es gibt sie also doch noch, die gute Nachricht. Wie eine heimische Tageszeitung enthüllte, suchten vergangene Woche europäische Politiker und Ökonomen aus dem „progressiven Lager“ im schönen Rom nach Auswegen aus der bedrohlichen Staatsschuldenkrise. Angereist ist das Who is Who der Fortschrittlichen, wie US-Starökonom Joseph Stiglitz, der deutsche Wirtschaftsweise Peter Bofinger, Italiens Premier Mario Monti und – man höre und staune – Österreichs Ex-Kanzler Alfred Gusenbauer. Sie alle diskutierten zwei Tage lang über eine „alternative Politik für Wachstum und Beschäftigung“.

Das macht Mut. Zumal bei diesem kleinen Workshop auch keine Energien in ideologischen Richtungskämpfen verschwendet werden mussten, das Communiqué hätte bereits vor der ersten Kaffeepause verlesen werden können: Wachstum und neue Jobs entstehen nicht durch gekürzte Staatshaushalte. Sondern durch höhere Steuern auf spekulierendes Finanzvermögen, damit „kluge“ Investitionen des Staates finanziert werden können, um Länder wie Griechenland und Spanien aus dem konjunkturellen Jammertal zu führen. Erst dann können Staatshaushalte konsolidiert werden, aber keine Sekunde vorher.

Unbelehrbare Spardeppen? Um derartiges zu erfahren, musste man freilich nicht nach Rom jetten, das wäre billiger zu haben gewesen. Etwa am Wiener Rathausplatz, wo die SPÖ-Granden am Tag der Arbeit nahezu dieselben Sätze in die Mikrofone polterten. Wer meinen sollte, das alles sei nichts anderes als die mehrfach gescheiterte linke Konjunkturpolitik der 1970er-Jahre, hat wenig verstanden. Der Vorschlag, dass sich Europas hoch verschuldete Staaten bei der EZB frisch gedrucktes Geld abholen, um damit Jobs zu kaufen, für die es in Wahrheit keine Nachfrage gibt, ist hochmodern. Quasi der letzte Schrei der Wirtschaftspolitik im Europa des Jahres 2012.

Auf der anderen Seite stehen nämlich die Spardeppen aus dem ökonomischen Hinterland, die allen Ernstes zu glauben meinen, Europa mit zusammengestrichenen Staatsbudgets in eine bessere Zukunft führen zu können. Auch wenn das sozialdemokratische Schweden genau mit diesem Rezept seinen Haushalt saniert hat, ohne das Land „kaputtzusparen“.

Nun ist nicht zu leugnen, dass staatliche Ausgabenkürzungen verheerende Wirkung entfalten. Die Korrektur von künstlich geschaffenem Wachstum (jenem, das nur durch das Ausgeben frisch gedruckten Geldes erzeugt wird) muss zwangsläufig zu einem sinkenden BIP führen, das liegt in der Natur der Sache. Zudem: Wo ist die Alternative? Immer höhere Schulden, bis das Delta zwischen realer und virtueller Wirtschaftsleistung weiter wächst und die unvermeidbare Landung auf dem Boden der Realität noch härter ausfällt?

Die wohlig weiche Korrektur horrender Staatsschulden ist leider noch nicht erfunden: Entweder „blutet“ die Bevölkerung durch eine fortschreitende Beschlagnahmung der Arbeitseinkommen durch den Staat und/oder höhere Inflationsraten. Oder sie tut das durch den Verlust jener Arbeitsplätze, die direkt oder indirekt staatlichen Ausgaben zu verdanken sind.

Unbestritten ist natürlich auch, dass Europa ohne Wirtschaftswachstum dem ökonomischen Abstieg nicht entkommen wird. Und ohne Investitionen wird es dieses Wachstum nicht geben. Aber warum wird in Europa heute stärker denn je daran geglaubt, dass auf Wiederwahl bedachte Politiker und gut abgesicherte Beamte eher in der Lage sind, Arbeitsplätze zu schaffen als mit ihrem vollen Vermögen haftende Unternehmer und private Haushalte? Wo doch die Wirtschaftsgeschichte voll von Beispielen ist, die genau diese Annahme widerlegen.

Ein genialer Plan. Ebenso interessant zu erfahren wäre, was genau mit „klugen“ Investitionen gemeint ist und warum diese nicht schon längst getätigt wurden. Fehlte es etwa an den nötigen finanziellen Mitteln? Wohl kaum. Schließlich folgte die Aufnahme der wettbewerbsschwachen Südländer in die Eurozone ja einem ziemlich genialen Plan: Die Nordländer exportieren niedrige Zinsen nach Griechenland, Spanien und Italien. Das viele billige Geld sollte von den Staaten für ebendiese klugen Investitionen eingesetzt werden, um die schwachen Volkswirtschaften aufzupäppeln.

Wurde es aber nicht. Statt innovative Branchen aufzubauen, verschuldeten sich die Regierungen, um großflächig Arbeitsplätze für den Staatssektor zu kaufen, die Löhne der Beamtenschaft drastisch zu erhöhen und das Volk zu beschenken, damit endlich richtig konsumiert werden konnte, was wiederum die Wirtschaft ankurbeln sollte. Das Ergebnis dieser „progressiven“ Wirtschaftspolitik ist bekannt.


Unternehmer schaffen Jobs. Eine alternative Politik für Wachstum und Beschäftigung wäre freilich die Schaffung eines unternehmerfreundlichen Umfelds. Vor allem für die zahlreichen Klein- und Mittelbetriebe, die allerorts von übermächtigen Bürokratien gegängelt werden und deren Initiative von hohen Steuern und Abgaben erdrückt wird. Freier Wettbewerb, niedrigere Steuern, lukrative Abschreibungsmöglichkeiten für Investitionen, liberalisierte Arbeitsmärkte und unternehmerische Freiheit schaffen Jobs – nicht ein allseits präsenter Staat, der mit Aufträgen die Konjunktur in Schwung hält, mit strengem Kündigungsschutz junge Menschen ins Prekariat treibt und für eine „gerechte“ Verteilung der vorhandenen Arbeit zu sorgen versucht.

Das weiß nicht zuletzt einer, der mit seiner Arbeitsmarktreform den Grundstein für das deutsche Jobwunder gelegt hat: Gerhard Schröder. Allerdings wurde der Sozialdemokrat nicht nach Rom gebeten. Womöglich war er den Veranstaltern ja nicht „progressiv“ genug.



franz.schellhorn@diepresse.com

was Kapitalismus kann – und wofür er nichts kann

("Die Presse", Print-Ausgabe, 06.05.2012)


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