Der nicht sehr geheime Plan für eine Weltwährung

Man of Steel/Richard Nixon
Man of Steel/Richard NixonArchiv
  • Drucken

  Die Idee einer Weltwährung ist alt. Sie wird gerade wiederbelebt. Der Prozess ist kompliziert, die Erfolgschancen sind gering.

Mal heißt sie Bancor, mal Globo, mal Phoenix. Kaum etwas hat die Fantasie von Ökonomen, Notenbankern, Autoren und Verschwörungstheoretikern seit der Finanzkrise so angeregt wie die Idee einer Weltwährung. Für die einen ist sie die Lösung aller Probleme, für die anderen der Weg zur Knechtschaft.

Nachdem wir die Idee in dieser Kolumne in der vergangenen Woche gestreift haben, ist eine Reihe von Fragen hereingekommen. Grund genug, weiter in das Thema vorzudringen. Immerhin war die Forderung nach einer grundlegenden Reform des internationalen Geldsystems selten lauter. Da sind sich im Grunde alle einig – Chinesen, Europäer und auch Amerikaner: Was wir jetzt haben, ist kein System, sondern ein Murks.

An sich ist die Idee einer Weltwährung auch nichts Radikales. Genau genommen hatte jede Epoche ihre Weltwährung – in der Form einer global dominanten nationalen Währung. Das galt für die Antike genauso wie für das 19. und 20. Jahrhundert. Ob diese Währung als Goldstück oder Papier im Umlauf war, ist dafür nebensächlich. Denn auch die konkreten Goldwährungen der Antike konnten nur erfolgreich sein, weil sie durch die wirtschaftliche und militärische Macht der sie prägenden Nation „gedeckt“ waren. Ähnlich verhält es sich heute mit dem Dollar.

Wert entsteht nie durch Zwang

Es ist auch nicht zu befürchten, dass da eine globale Verschwörung abläuft, an deren Ende wir alle gezwungen werden, mit einer Währung zu bezahlen. Wer das glaubt, hat ökonomisch grundsätzlich etwas missverstanden: Wert entsteht nie durch Zwang. Die Währungen, die wir heute nutzen, sind zuallererst eine Dienstleistung, die von Markt und Menschen auch akzeptiert werden muss. Dass sie per Gesetz als Zahlungsmittel vorgeschrieben werden und wir unsere Steuern in einer gewissen Währung zahlen müssen, hilft bei der Vereinheitlichung, bildet aber keineswegs die Basis für das Funktionieren einer Währung.

Auch findet kein Schritt hin zu einem neuen globalen Geldsystem im Geheimen statt. Im Gegenteil: Die Transparenz, mit der Regierungen, Zentralbanken und internationale Organisationen wie Währungsfonds oder die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) vorgehen, ist beispielhaft. Wer das Gegenteil behauptet, hat sich nie die Mühe angetan, die zugegebenermaßen komplizierten Dokumente und Reden zum Thema zu lesen.

Nun stimmt es natürlich, dass niemand seine hochtrabenden Pläne – beispielsweise für eine Weltwährung – an die große Glocke hängt. Aber das liegt vor allem daran, dass diese Pläne derzeit höchstens in einer abstrakten Form existieren. Genau genommen ist es eher eine Debatte über mögliche Schritte als ein echter Plan. Und diese Debatte wird auch nicht erst seit der Finanzkrise geführt, sondern seit fast fünfzig Jahren.

Was uns zur Entstehungsgeschichte der Sonderziehungsrechte (SZR) des Währungsfonds führt. Es ist richtig, dass vor allem China die Nutzung dieser synthetischen Währung derzeit vorantreibt. Besonders jetzt, da die chinesische Währung Renminbi (auch Yuan genannt) Teil des Währungskorbes ist, aus dem sich die Sonderziehungsrechte zusammensetzen. Die SZR haben ihre Rolle und Aufgabe seit ihrer Einführung Ende der 1960er-Jahre so oft gewechselt, dass es leicht ist, den Überblick zu verlieren. Genau genommen war nie vollkommen klar, was die SZR eigentlich darstellen sollen.

SZR als Alternative zum Dollar

Bei ihrer Einführung wurden sie in Europa aus demselben Grund geschätzt wie heute in China. Sie sollten als Alternative zur damals wie heute vorherrschenden Reservewährung dienen, dem Dollar. Dabei ging es weniger um politische Machtspiele als um eine Einsicht, die sich bis heute gehalten hat: Wenn die Währung einer einzelnen Nation gleichzeitig globale Leitwährung ist, kommt es irgendwann zu einem Konflikt zwischen den Interessen dieser Nation und der global notwendigen Geldpolitik. Gleichzeitig wurde das Projekt aber auch seitens Europas verkompliziert. So steckt dem Vernehmen nach Frankreich hinter dem geradezu bizarren Namen der SZR. Eine Bezeichnung, die das Wort „Reserve“ enthielt, wollte man in Paris nicht akzeptieren. Diese Ehre sollte dem Gold vorbehalten bleiben.

Am ehesten ist die aktuelle Phase vergleichbar mit den 1970er-Jahren. Wobei: Damals waren wir sogar schon weiter. Wie ausgerechnet die chinesische Zentralbank in einem aktuellen Artikel berichtet, war Washington ein Jahr nach dem von Präsident Richard Nixon ausgelösten Ende des Währungssystems von Bretton Woods zu weitreichenden Zugeständnissen bereit. „Beim IWF-Jahresmeeting 1972 bot der damalige US-Finanzminister, George Shultz, der internationalen Gemeinschaft einen mutigen Plan an, um das Geldsystem zu reformieren. Der Vorschlag kam, nachdem die bestehende Geldordnung total erschüttert wurde und wichtige Länder den USA zunehmend misstrauten.“ Konkret sollte der Dollar damals durch die SZR als Leitwährung ersetzt werden. Um diesen Prozess zu beschleunigen, sollten bestehende Dollarreserven in SZR getauscht werden.

Die Mühlen der Finanzbürokratie mahlen aber extrem langsam. Erst 1979 hat der IWF einen Fonds aufgelegt, um diese Umstellung zu bewerkstelligen. Kurz später beendete der damalige Fed-Chef, Paul Volcker, mit einem dramatischen Zinsschritt nach oben die von Nixon losgetretene Inflationskrise des Dollar. Der erste Anlauf für eine ernsthafte Weltwährung hatte sich also als „Totgeburt“ herausgestellt, wie die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) in einer aktuellen Analyse schreibt.

Der Dollar war in seiner Funktion als Leitwährung gestärkt, und Washington konnte sich an den SZR-Plan plötzlich nicht mehr erinnern. Vollkommen selbstlos war der Vorschlag ohnehin nie: Der Währungsfonds wurde damals wie heute von den USA dominiert. Auch in der Zusammensetzung der SZR nimmt der Dollar bis heute eine dominante Rolle ein. So werden 90 Prozent aller globalen Transaktionen in Dollar abgewickelt. Und 60 Prozent der Währungsreserven werden in der US-Währung gehalten. Ende der 1980er-Jahre waren es allerdings noch 75 Prozent.

Euro zur multinationalen Reservewährung aufgestiegen

In Europa hat man sich in den folgenden 20 Jahren auf ein anderes Projekt konzentriert, um dem Dollar etwas entgegenzusetzen: die eigene Gemeinschaftswährung. Der Euro hat etwas erreicht, was den SZR bis heute versagt blieb: Er ist zu einer multinationalen Reservewährung aufgestiegen, mit eigener Zentralbank und einem Regelwerk, das (theoretisch) Vertrauen und Stabilität bringen soll.

Für hochtrabende Pläne, aus dem IWF eine Welt-Zentralbank zu machen und aus den SZR ein Weltgeld, ist der Euro eher hinderlich. Er funktioniert so gut, dass er der Welt eine theoretische Alternative zum Dollar bieten kann. Und gleichzeitig so schlecht, dass eine globale Riesenwährungsunion aktuell nicht sehr attraktiv scheint.

E-Mails an:nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 08.10.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:

Mehr erfahren

File photo of a Chinese national flag in front of a poster explaining the design of new 100 yuan banknote at a branch of a commercial bank in a business district in Beijing
International

China „verbrennt“ 100 Mrd. US-Dollar

Um den Yuan zu stützen, baut Peking seine enormen Devisenreserven im Eiltempo ab. Noch herrscht keine Panik. Aber wie lang bleibt die Geldrüstung des Landes stark genug?
Chinese 100 yuan banknotes are seen on a counter of a branch of a commercial bank in Beijing
International

China will Yuan-Abwertung tolerieren

Der Kurs könne wie schon im vergangenen Jahr um 4,5 Prozent und damit auf 6,8 Yuan je Dollar fallen.

Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.