Die Inflation lässt Sachwerte funkeln und glänzen

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  Metalle, Kunst, Diamanten und Rohstoffe: Wie Anleger sich für die Rückkehr der Inflation wappnen können.

Mit der Inflation ist es wie mit Schnee und Eis auf der Straße. Der Winter bricht selten überraschend herein, es gibt meist ausreichend Zeit zur Vorbereitung. Und doch wundern sich jedes Jahr einige Spezialisten, wenn sie im November mit Sommerreifen einen Unfall bauen.

Soll heißen: Dass die Inflation sich wieder regt, sollte niemanden überrumpeln. Erst recht, da wir seit mittlerweile fünf Jahrzehnten kaum etwas anderes kennen. Im 18., 19. und frühen 20. Jahrhundert gab es noch regelmäßig Phasen der Deflation. Spätestens mit der Beerdigung des Goldstandards Anfang der 1970er haben wir auf ein System permanenter Inflation umgestellt. Und gelernt, damit zu leben.

Aber wenn die Inflation (also eine wachsende Geldmenge und als Folge steigende Preise) systemrelevant ist, dann ist die Deflation nicht bloß unangenehm – sondern geradezu gefährlich. Deswegen haben wir in den vergangenen sechs Jahren einen Kampf der Giganten gesehen. Der Markt versucht seit Ausbruch der Finanzkrise krampfhaft, die Übertreibungen der vergangenen Jahrzehnte zu bereinigen – ein deflationäres Szenario. Die Zentralbanken antworten darauf mit einer bisher nicht gesehenen Geldflut, die Schlimmeres verhindert soll.

Notenbanken wollen Resultate

Es ist ein Drahtseilakt: Einerseits müssen die Fehlinvestments aus dem System gespült werden, damit ein echter Neustart gelingen kann. Andererseits soll eine Abwärtsspirale verhindert werden, die auch gute Unternehmen und Investments in den Tod reißen könnte. Deshalb versuchen die Zentralbanken jetzt, den zaghaften Ausstieg aus ihrer extrem lockeren Geldpolitik zu starten. Aber zuerst wollen sie für ihre Bemühungen auch in der richtigen Welt Resultate sehen – also steigende Inflationsraten.

Und weil die Energiepreise inzwischen nicht mehr fallen, werden sie diese auch bekommen. Längst wird sogar offen mit einem Überschießen der Inflationsziele geliebäugelt. Bedeutet: Selbst wenn das Inflationsziel von knapp zwei Prozent erreicht sein sollte, werden die Notenbanker die monetären Zügel nicht sofort straffen. Das Ergebnis: Zum ersten Mal seit mindestens zwei Jahren ist auch an den Märkten wieder von Inflation die Rede.

Unterstützt wird dieser Trend von der Politik. Egal, wer im November ins Weiße Haus gewählt wird: Die US-Fiskalpolitik wird expansiver. Auch in Europa sträuben sich immer mehr Regierungschefs gegen die Sparpolitik.

Für Michael Hartnett, den Chefstrategen der Bank of America, steht deswegen ein massiver Paradigmenwechsel an. Denn „echte Assets“, sagt Hartnett, waren gegenüber Aktien und Anleihen noch nie so niedrig bewertet wie heute. Aber „echte Assets“ profitieren von Inflation. Auf Deutsch nennen wir sie auch Sachwerte. Dazu gehören Edelmetalle, Rohstoffe wie Industriemetalle, Öl oder landwirtschaftliche Erzeugnisse sowie Immobilien, Farmland – aber auch Sammlerstücke wie Wein, Kunst, Autos und Diamanten. Freilich: Das sind alles keine Neuentdeckungen.

Anleihen steigen gegenüber Diamanten

Hartnetts Botschaft lautet aber: Der Boom bei den Sachwerten geht gerade erst los. Trotz der schon bisher regen Aktivität bei Immobilien oder auf dem Kunstmarkt ist der Sektor gegenüber Aktien und Anleihen massiv unterbewertet, sagt der Stratege. Als Beispiel hat er sich die Preisentwicklung von US-Staatsanleihen angesehen. Aber als Währung nicht den Dollar, sondern die Preise für Diamanten genommen. Ergebnis: Seit den 1990er-Jahren sind die Anleihen gegenüber Diamanten rasant gestiegen. Seit der Finanzkrise noch mal. Heute befinden sie sich in lichten Höhen – und sind so teuer wie nie zuvor.

Aber Vorsicht – nicht gleich loslaufen und scheinbar günstige Diamanten kaufen. Das Investieren in funkelnde Steine ist eine komplizierte Sache. So gibt es anders als etwa bei Gold oder Silber keinen eindeutigen Marktpreis. Jeder Stein hat seinen eigenen Preis – abhängig von Karat, Schnitt, Farbe, Klarheit und Zertifizierung. Der von Hartnett gewählte „Diamantenkurs“ ist nur eine Annäherung. Grob gesagt haben Diamanten seit 2012 rund 20 Prozent an Wert verloren, erklärt Susanne Höllinger, die Chefin der Kathrein Privatbank, im Gespräch mit der „Presse“.

Aber: „Physische Diamanten werden von unseren Kunden wegen der Intransparenz eher selten nachgefragt. Da ist die Nachfrage nach Gold in physischer Form deutlich höher“, sagt Höllinger.

Wenn man auf eine Renaissance der Diamantenpreise setzen will, würden sich vor allem Minenaktien anbieten: Anglo American, Petra Diamonds oder Gemfields PLC sind die klingendsten Namen. „Bei kleineren Diamantenaktien, die meist sogenannte Penny Stocks sind, ist für den Investor höchste Vorsicht geboten. Das sind hoch spekulative Anlagen“, so Höllinger.
Weine, Kunst und Oldtimer sind freilich ähnlich komplizierte Investments wie Diamanten. Andere Assetklassen sind simpler. Edel- und Industriemetalle sind leicht handelbar. Gold, Silber, Platin und Palladium kann man sogar physisch lagern. Aber auch bei den Soft Commodities, also Zucker, Kakao, Baumwolle und Kaffee, ist es in den vergangenen Monaten schon zu teilweise rasanten Preisanstiegen gekommen. Immobilien sind ohnehin ein Dauerbrenner.

Höhere Zinsen stören nicht

Wenn Hartnett recht behält, werden diese Klassen in einer inflationsgeprägten Zukunft weiter zulegen – und der Zeitpunkt zum Einstieg ist noch günstig. Sein Rat: „Verkaufe den Hochmut, kaufe die Erniedrigung.“ Aktien und Anleihen seien dem Hochmut verfallen, während Sachwerte „ganz klar“ erniedrigt wurden. Die laufenden Gewinne aus einem zehnjährigen Investment in Rohstoffe sind heuer auf minus 6,1 Prozent gefallen. So tief waren sie seit 1933 nicht mehr. Für Hartnett ist damit „Peak Deflation“ erreicht. Die Stimuli der Zentralbanken, die direkt in die Finanzmärkte gewandert sind, werden jetzt wieder durch expandierende Staatsausgaben ersetzt – die eher in der Realwirtschaft landen.

Auch dass die Zentralbanken langsam wieder auf steigende Zinsen setzen werden, stört dabei nicht. So hat der Goldpreis just mit dem ersten Zinsschritt der Fed im Dezember 2015 gedreht – und seitdem um rund 20 Prozent zugelegt.

E-Mails an:nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 22.10.2016)

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