Bargeld bleibt weltweit das wichtigste Zahlungsmittel

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2016 war das Jahr des Kampfes gegen Bargeld. Aber eine aktuelle Studie zeigt: Cash is King. Vor allem in Österreich und Deutschland.

Manchmal kommt die große Welt des Geldes bis vor die eigene Haustür. In der steirischen Region Leoben-Bruck gibt es dafür sogar einen Zeitplan. Dort hat die Raiffeisenbank insgesamt fünf Filialen gesperrt – und durch einen Bus ersetzt. So nennen sie die Filiale auf Rädern zumindest. Der Bus ist in Wahrheit ein Lkw in den typischen Raika-Farben. Aber warum setzt die Bank auf Kundennähe per Dieselstinker? Die Antwort: „Wir haben viele Kunden, die am Ersten des Monats ihre Pension in bar abheben“, erzählt RZB-Chef Walter Rothensteiner.

Vergleichen wir diese Aussage einmal mit der wahren großen Welt des Geldes. Etwa mit den Ideen des Ökonomen Kenneth Rogoff. Der hat sich an die Spitze jener Bewegung gestellt, die das gute alte Bargeld am liebsten abschaffen würde. Rogoffs Gründe: Er verspricht sich eine Welt ohne Steuerhinterziehung und ohne Kriminalität, denn ohne Bargeld gibt es auch keine Anonymität beim Zahlen. Rogoff wünscht sich die totale Kontrolle.

Es geht um Geldpolitik

Nun fragt man sich, was die Pensionisten in der Steiermark zu einer Welt ohne Cash sagen würden. Und was ein Ökonom wie Rogoff eigentlich über Kriminalitätsbekämpfung wissen kann. Aber die Wahrheit ist simpler – und Rogoff gibt das auch zu. Der Kampf gegen das Bargeld hat nicht ohne Grund in diesem Jahr Fahrt aufgenommen. Es geht um die Geldpolitik. Es geht um negative Zinsen. Und darum, dass Bargeld der Umsetzung dieser an sich schon abenteuerlichen Idee ein bisschen im Weg steht. Wer sein Geld in Scheinen lagert, entgeht der Entwertung durch negative Zinsen.

Oder, wie es der EZB-Notenbanker Yves Mersch in einem Gastbeitrag für den „Spiegel“ ausdrückt: „Für die Alchemisten stellt Bargeld eine störende Hürde dar, da es verhindert, die Leitzinsen tief in den negativen Bereich abzusenken, um die wirtschaftliche Aktivität anzukurbeln. Denn über die Flucht ins Bargeld können Haushalte und Firmen der nominalen Entwertung ihrer Bankeinlagen entgehen.“ Höhepunkt dieses Kampfs gegen das Bargeld war die offizielle Außerdienststellung des lila 500-Euro-Scheins durch die Europäische Zentralbank Mitte des Jahres. Die Banknote soll von nun an nicht mehr hergestellt werden, behält aber ihre Gültigkeit.

Mersch war ein ausdrücklicher Gegner dieser Maßnahme, die er in klaren Worten kritisiert. „Die Argumente des Anti-Bargeld-Kartells können einer genaueren Überprüfung nicht standhalten“, so Mersch. So sei die angebliche Bekämpfung von Verbrechen bloß vorgeschoben. „Dass Kriminelle sich über Mobiltelefone abstimmen, würde niemanden ernsthaft auf die Idee bringen, alle Handys zu verbieten.“ Besonders hart geht Mersch mit jenen Ökonomen ins Gericht, die sich zu den Galionsfiguren der Anti-Bargeld-Bewegung gemacht haben. Man dürfe nicht vergessen, dass vor allem Banken und die Kreditwirtschaft von einer Einschränkung des Bargeldverkehrs profitieren würden, so Mersch: „Was Wunder, dass Vorschläge, Bargeld abzuschaffen, vor allem von Bankern oder bankfinanzierten Ökonomen stammen – wenn auch gern in akademischer Garderobe gekleidet.“

In Deutschland und Österreich besonders populär

Unterstützung erhält der Luxemburger aus dem deutschen Sprachraum. Denn nirgends ist das Bargeld so populär wie in Deutschland und Österreich. Eine groß angelegte aktuelle Studie von Zentralbank-Ökonomen aus sieben Ländern zeigt aber auch: Cash ist überall immer noch König. Selbst in Ländern wie den USA. Die Studie, an der auch der Ökonom Helmut Stix für die Oesterreichische Nationalbank mitgearbeitet hat, wurde kürzlich im „International Journal of Central Banking“ veröffentlicht.

Als Basis dienten die Zahlungsgewohnheiten von mehr als 18.000 Menschen in sieben Ländern. In der Zusammenfassung schreiben die Autoren: „Viele haben vorausgesagt und die Meinung geäußert, dass Bargeld als Zahlungsinstrument verschwinden wird. Aber um es mit Mark Twain zu sagen: Die Berichte über den Tod des Bargelds wurden stark übertrieben.“

Tatsächlich hat sich der Wert der Euro- und Dollarbanknoten im weltweiten Umlauf seit dem Jahr 2005 verdoppelt – auf 1,1 Billionen Euro und knapp 1,5 Billionen Dollar. Das hat auch damit zu tun, dass Weltwährungen wie Dollar und Euro außerhalb ihres Währungsraums eine wichtige Rolle spielen. Etwa in Südamerika, Afrika oder einigen Ländern Osteuropas.

Wer zum Beispiel versucht, der galoppierenden Inflation in Venezuela oder Russland zu entgehen, ist auf harte ausländische Devisen angewiesen. Dies ist einer der Gründe, warum der Kampf gegen das Bargeld bisher nur in kleinen Währungsräumen wie etwa Schweden Erfolg hat. Aber es ist nicht der einzige. Wie wir gerade in Indien beobachten können, haben viele Millionen Menschen gar keinen Zugang zu einem Bankkonto.

Häufig für kleine Transaktionen verwende

Und selbst dort, wo alle Möglichkeiten des elektronischen Zahlungsverkehrs zur Verfügung stehen, greifen die Menschen noch immer zu Bargeld. In allen sieben untersuchten Ländern (Australien, Österreich, Deutschland, Kanada, Frankreich, den Niederlanden und den USA) wird keine Zahlungsmethode öfter genutzt als Cash. Das liegt freilich daran, dass Bargeld häufig für kleine Transaktionen verwendet wird.

Wie außergewöhnlich stark die Liebe der Deutschen und Österreicher zum Bargeld ist, zeigt aber die zweite Statistik. Geht man nach dem Gesamtwert der Transaktionen, haben Kredit- und Bankomatkarte natürlich Vorteile. Aber die Österreicher sind auch hier richtig stur: Ganze 65 Prozent aller Ausgaben werden mit Bargeld beglichen.

In Deutschland sind es immerhin fast 55 Prozent. In Australien liegen Cash und Kreditkarten bei jeweils etwas mehr als 30 Prozent gleichauf. In allen anderen Ländern haben die unbaren Zahlungsmittel das Bargeld, was den Wert der Transaktionen betrifft, tatsächlich bereits überholt.

Die Liebe der Österreicher und Deutschen zum Bargeld zeigt sich auch beim Inhalt ihrer Geldbörsen. So haben Holländer und Franzosen im Durchschnitt je 30 Dollar in der Geldbörse. Aber die Deutschen tragen 90 Dollar mit sich herum. Und die Österreicher sogar 110. Der Raika-Lkw wird also noch viele Kilometer abspulen müssen, bevor das Bargeld tatsächlich verschwindet.

E-Mails an:nikolaus.jilch@diepresse.com

("Die Presse", Print-Ausgabe, 17.12.2016)

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