Im Hafen an die Steckdose

Kreuzfahrtschiff - Olympic Voyager
Kreuzfahrtschiff - Olympic VoyagerAPA
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In Häfen ankernde Cruise Liner erzeugen ihren Strom meist selbst mit Dieselaggregaten, die dreckigen Rußpartikel will aber niemand einatmen. Die Alternative: Stromversorgung vom Land.

Hamburg. Sie sind schwimmende Städte, und Städte brauchen Energie. Fähren und Kreuzfahrtschiffe erzeugen ihren Strom selbst, mit sogenannten Hilfsdieseln. In Deutschland wird derzeit der umweltschädigende Betrieb dieser Schluckspechte heiß diskutiert, in der Kritik stehen vor allem Kreuzfahrtschiffen, die im Hafen liegen und deren Bordbetrieb weiterläuft – für den schon ein kleinerer Luxusliner den Energiebedarf einer 12.000-Einwohner-Stadt hat. Kritisiert wird dabei weniger der Energieverbrauch als der Schadstoffausstoß. Die Stromerzeugung an Bord wird zwar nicht mit dem dreckigen Schweröl betrieben, sondern mit relativ „sauberem“ Diesel. Die Emissionen sind dennoch erheblich. Kaum ein Kreuzfahrtschiff verfügt über eine Abgasreinigungsanlage, der Stand der Technik liegt auf dem Niveau, auf dem sich Dieselfahrzeuge vor Beginn der Umweltdiskussion befanden. Die meisten Schiffe pusten ihren Ruß ungefiltert in die Luft und überbieten damit in manchem norddeutschen Hafen den Schadstoffausstoß aller Autos in Schleswig-Holstein. Das ärgert Umweltschützer ebenso wie Hafenanrainer. Eine Reduktion ist aber auf der Schiffs- wie auf der Landseite nicht über Nacht umzusetzen. Abgasreinigungsanlagen für Schiffe sind teuer, brauchen Platz und bringen zusätzliches Gewicht. Dort, wo sie hingehören, nämlich im Schornstein, führen sie leicht dazu, dass die Trimmung nicht mehr stimmt, das Schiff topplastig wird und zu übermäßiger Krängung neigt.

Sauberer Landstrom

Hafenstädte können den Schiffen die eigene Stromerzeugung nur dann verbieten, wenn sie ihnen elektrische Energie von der Landseite liefern können. Für den stark frequentierten Hamburger Hafen würde dies aber nach Expertenberechnungen den Bau von drei Kernkraftwerken bedingen, denn Voraussetzung ist natürlich, dass Landstrom „sauberer“ erzeugt wird als an Bord. Für den Mittelmeerraum wird diese Diskussion daher noch kaum geführt, denn hier stehen an Land fast nur Kohlekraftwerke zur Verfügung. Und die machen mehr Dreck als jedes Schiff.

Einige Häfen bieten Landstrom schon an. Allerdings können kleine Häfen wie Lübeck den überschaubaren Bedarf eher decken als die Topadressen Hamburg oder Rotterdam. Der holländische Hafen verpflichtet Binnenschiffe sogar, Landstrom zu verwenden. In den Vorreiterländern der Kreuzfahrt, USA und Kanada, bieten seit 2004 Los Angeles und seit 2009 Vancouver Landstrom an. Die Anlagen können jedoch nur zwei Kreuzfahrtschiffe gleichzeitig versorgen. Kalkulierbarer als die saisonabhängigen Kreuzfahrtanläufe ist der Verbrauch von Fährschiffen. Sowohl die Fähren der Stena Line in Göteborg wie auch der Color Line in Oslo bekommen in ihrer Heimat Landstrom; im deutschen Zielhafen Kiel hingegen nicht. Da der Umweltschutz sich langfristig nicht auf die Häfen beschränken wird, ist Landstrom nur eine Übergangslösung. Der Hamburger Hafen setzt ihn in Zusammenarbeit mit seinem Großkunden Aida Cruises um, indem saubere Flüssiggasmotoren mit entsprechendem Abgasreinigungssystem auf eine Barge, ein Beiboot, montiert werden, das mobil dort eingesetzt werden kann, wo gerade eine „Hafensteckdose“ gebraucht wird. Die meiste Zeit seines Lebens ist ein Schiff jedoch nicht im Hafen, sondern auf See. Daher ist die Lösung der Zukunft im ersten Schritt eine Reinigung der Abgase, in der nächsten Schiffsgeneration hingegen die Entwicklung neuer, von vornherein sauberer Antriebe.

Kreuzfahrtschiffe sind für eine Dienstzeit von 40 Jahren gebaut. In dieser Zeit müssen sie sich amortisiert haben. Entsprechend lang sind die Karenzzeiten, die man für neue Technologien einräumen muss, will man nicht ein Massensterben kleinerer Reedereien heraufbeschwören. Die Lösung des Problems liegt also in der nächsten Generation. Ungewöhnlich ist das nicht: Die letzten alten Autos verschwinden erst jetzt, obwohl die Diskussion um den Co2-Ausstoß in den 1980er-Jahre begonnen hat. (o. schmi)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 01.02.2014)

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