Mitterlehner: "Sich voreilig auf neue Klimaziele festzulegen, ist falsch"

Mitterlehner
Mitterlehner(c) Clemens Fabry
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Erst müsse geklärt werden, wie viel einzelne EU-Länder zur Zielerreichung beitragen müssen, sagt Wirtschaftsminister Mitterlehner.

Die Presse: Sind Sie angesichts des Hypo-Debakels froh, dass Sie letztlich doch nicht Finanzminister geworden sind?

Reinhold Mitterlehner: Ich muss ehrlich sagen, die Aufgabe im Wissenschaftsbereich ist sehr fordernd.

Sehr diplomatisch. Finanzminister Spindelegger hat kürzlich gesagt, er sei „erschüttert“ und „überrascht“, dass es bei der Hypo zusätzlichen Finanzbedarf gibt. Waren Sie auch überrascht?

Ich will das gar nicht beurteilen, weil ich weder mit der Hypo noch mit dem Finanzministerium zu tun hatte. Aber in der Wissenschaft wird niemand verstehen, dass für die Hypo immer ein neuer Finanzierungsbedarf auftaucht, während die Notwendigkeiten für die Zukunft möglicherweise auf die lange Bank geschoben werden.

Sie mussten bereits 60 Mio. Euro einsparen. Erwarten Sie weitere Einsparungen?

Schon das war sehr unerfreulich, weil es den Hochschulen schwer zu erklären ist, warum alle Ministerien gleich behandelt wurden. Die EU hat die Mittel für Zukunftsthemen sogar aufgestockt. In der Wissenschaft ist ein weiteres Sparpaket unmöglich.

Die Steuerzahler trifft die Hypo-Pleite doppelt, weil auch die Kosten des Lebens steigen. Warum spüren die Haushalte nichts vom niedrigen Strompreis in Europa?

Die Erklärung hat vor allem mit Deutschland zu tun, das erneuerbare Energie dramatisch fördert. So wird Strom produziert, den man genau dann, wenn er erzeugt wird, nicht braucht. Dieser Strom wird dann kostengünstig verschleudert. Österreichs Kunden profitieren davon, aber nur teilweise. Ein Grund dafür ist, dass die Versorger Systeme in Betrieb halten müssen, die einspringen, wenn keine Sonne scheint oder kein Wind weht.

Stichwort Ökostrom: Berater von Angela Merkel wollen das deutsche Ökostromgesetz komplett abschaffen, weil es viel kostet und wenig bringt. Wäre das auch eine Lösung für Österreich?

Nein, aber unser System – das zum Glück über eine Deckelung verfügt – wird nur eine Zwischenlösung sein. Die EU erarbeitet gerade ein einheitliches Förderregime für Ökostrom. Möglicherweise werden wir da in Richtung anderer Varianten gehen – also etwa mehr Investitionsanreize und weniger Förderung der Erzeugung. Aber dafür warten wir ab, was die EU vorlegt.

Wann werden Ökostromanlagen ohne Förderung auskommen?

Klar ist, dass bereits geförderte Anlagen ihr Geld nicht rückwirkend verlieren können. Fotovoltaik-Neuanlagen könnten aber voraussichtlich ab 2018 keine Förderung mehr brauchen, da sie die Netzparität (Erzeugungskosten sind gleich hoch wie Marktpreis und Netzgebühren, Anm.) erreicht haben werden.

Die EU-Kommission hat ihr Klimapaket vorgelegt und viel Kritik geerntet. Ein verpflichtendes Ausbauziel für Ökostrom gibt es dort nicht mehr. Ist das gut so?

Es ist richtig, dass wir rechtzeitig mit der Diskussion beginnen. Es ist aber falsch, sich voreilig auf konkrete Ziele für CO2, Erneuerbare und Effizienz festzulegen, bevor geklärt ist, wie diese Ziele auf die einzelnen Mitgliedstaaten verteilt werden sollen. Würde das politische Ziel von 27 Prozent Anteil Erneuerbarer am Energiemix auf Österreich heruntergebrochen, wären das 42 Prozent. Das ist nicht mehr lustig, weil ich den Bedarf der Großindustrie oder im Straßenverkehr dann ja auch vermehrt mit Erneuerbaren abdecken muss, bei denen es gewisse Einschränkungen gibt.

Die Industrie kritisiert das Ziel der EU, die Reduktion der CO2-Emissionen um 40 Prozent bis 2030, generell als „übertrieben“.

Ich bin nicht gegen ein neues CO2-Ziel per se. Hier müssen wir aber sehr vorsichtig sein. Minus 40 Prozent bis 2030 bedeutet, dass ich binnen zehn Jahren mein Ziel verdopple und meine Geschwindigkeit verdreifache. Das hat einfach keinen Sinn, wenn Länder außerhalb Europas nicht mitziehen. Ich warne daher vor voreiligen Beschlüssen beim Treffen der Staatschefs kommende Woche und habe auch den Bundeskanzler um diese Linie gebeten.

Welche Konsequenzen erwarten Sie, wenn sich die EU doch rasch auf ein 40-Prozent-Ziel einigt?

Wenn wir jetzt ohne Begleitmaßnahmen ein neues Ziel formulieren, gefährden wir die Industrie. Die Abwanderung energieintensiver Betriebe wird sich beschleunigen – und das will ich nicht haben.

Ein Lösungsvorschlag wäre, die saubersten und energieeffizientesten Betriebe über hundert Prozent Gratiszertifikate komplett von den Klimakosten zu befreien. Was halten Sie davon?

Das finde ich sehr gut. Österreichs Betriebe sind bei der Energieeffizienz europaweit schon an vierter Stelle. Und jedes neue reine Effizienzziel bestraft jene, die schon viel getan haben. Die, die nichts getan haben, sind bevorzugt. Die EU hat eines übersehen: Sie hat gedacht, dass wir mit unseren CO2-Zielen die Entwicklung der ganzen Welt vorwegnehmen und durch die Vorreiterrolle profitieren. Das Konzept ist nicht aufgegangen, weil die anderen Länder nicht wirklich mitziehen. Ich würde nicht die Flinte ins Korn werfen. Aber man muss auch die anderen Länder stärker ins Boot holen.

Die EU hat auch eine Energieeffizienzrichtlinie erlassen, die von den Mitgliedsländern per Gesetz umgesetzt werden muss. Der erste Versuch im Vorjahr ist gescheitert. Wird es bis zum Sommer ein neues Energieeffizienzgesetz geben?

Ich hoffe, dass wir das bis Sommer fertigstellen. Es ist aber nicht ganz einfach. Warum? Ich möchte nicht die bestrafen, die schon viel getan haben. Es muss dieselben Ziele mit weniger Administration geben. Aber wir haben schon eine Struktur für die Umsetzung und wollen demnächst in Begutachtung gehen.

Der Chef der Energieagentur sagt, Tempo 100 auf den Autobahnen würde die Effizienz am stärksten erhöhen. Was halten Sie davon?

Wenig. Als Verkehrsteilnehmer bin ich nicht begeistert. Solange der Nutzen nicht zu hundert Prozent bewiesen ist, habe ich meine Zweifel. Aber es stimmt, das Einsparungspotenzial bei der Industrie ist ziemlich ausgereizt. Beim Verkehr sieht das etwas anders aus. Ich erwarte den Durchbruch beim Thema CO2 aber viel eher durch Forschung als neue Beschränkungen.

Die Technik soll es richten, ohne dass sich die Menschen ändern?

Doch, natürlich auch. Wir brauchen eine Energieverbrauchswende, weil bei uns jeder mit der Energie salopp umgeht. Da können wir schon effizienter werden. Denken Sie nur an die Weihnachtsbeleuchtung. Auch dort hat die neue Technik der LED-Lampe viel besser gewirkt als jede Vorschrift.

Haben Sie die Aufregung um das „Glühbirnenverbot“ verstanden?

In Österreich wird jede Veränderung kritisiert, ohne die Vor- und Nachteile abzuwägen. Wenn man bedenkt, dass die LED-Lampen das gleiche Licht geben und weniger Energie brauchen, dann halte ich die Diskussion schon für sehr ausgereizt. Dass Menschen lieb gewordene Dinge nicht so einfach aufgeben wollen, ist aber ein Phänomen, das wir in Österreich haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 15.03.2014)

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