Gasversorgung: Hoffnung auf Norwegen

Gas pipe is pictured at Gas Connect, Austria´s gas distribution node, in Baumgarten, east of Vienna
Gas pipe is pictured at Gas Connect, Austria´s gas distribution node, in Baumgarten, east of Vienna(c) REUTERS (LEONHARD FOEGER)
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Das Vertrauen in Russland als größten Gaslieferanten wurde am Wochenende abermals unterminiert. Aber was können Russlands Konkurrenten bieten? Norwegen ist Österreichs zweitgrößter Gaslieferant.

Wien. Ende vergangener Woche ist neuerlich viel weniger russisches Gas als vereinbart in Österreich angekommen. Die Liefermenge sei um ein Viertel niedriger ausgefallen als vertraglich vereinbart, teilte der Chef des österreichischen Energieregulators E-Control, Martin Graf, am Montag mit. Noch am Wochenende strömte um 20 Prozent weniger Gas durch die Pipeline. Die Versorgungssicherheit sei gegeben, versicherte Graf. Selbst einen totalen Ausfall von russischem Gas könne Österreich mehrere Wochen bis Monate überbrücken.

Aber gibt es im Fall der Fälle überhaupt Alternativen zum russischen Gas? „Die Presse“ will dieser Frage in einer mehrteiligen Serie nachgehen. Als erste Alternative böte sich Österreichs zweitwichtigster Gaslieferant an: Norwegen.

Das Land ist viereinhalbmal so groß wie Österreich, zählt aber um drei Millionen weniger Einwohner. Es ist nicht Mitglied der EU, dafür verfügt es über eines der höchsten Bruttoinlandsprodukte pro Kopf. Norwegen besitzt den weltgrößten Staatsfonds mit 696 Mrd. Euro. Das ist Geld aus den Einnahmen von Öl und Gas, die still und weitgehend skandalfrei ins Ausland fließen und im Inland für höchsten Wohlstand auf Generationen sorgen: 21,5 Prozent trugen die Öl- und Gasexport 2013 zum BIP bei, einschließlich Mineralölprodukten beliefen sie sich auf etwa 60 Prozent des Warenexports.

15 Prozent des österreichischen Gasbedarfs werden aus dem Land der Fjorde gedeckt, während aus Russland über 60 Prozent kommen. Innerhalb der EU bediente Norwegen 2012 laut Eurogas-Statistik 19 Prozent der Nachfrage nach Gas, während Russland bei 24 Prozent hielt.

Norwegens vages Versprechen

„Wir können und werden unsere Gasproduktion kurzfristig steigern, aber nicht sehr stark“, stellte der norwegische Energieminister, Tord Lien, zuletzt im März dieses Jahres dazu klar. Norwegens Gasproduktion war 2013 bei 108,7 Mrd. Kubikmeter gelegen, was etwa dem Vierzehnfachen des österreichischen Jahresgesamtverbrauchs entspricht. Ein Jahr davor waren 115 Mrd. Kubikmeter aus dem norwegischen Boden geholt worden – eine normale Schwankungsbreite unter gewöhnlichen Bedingungen und Voraussetzung für Prognosen, die eine ebenso große Schwankungsbreite aufweisen. So erwarten die Experten vom norwegischen Energieministerium einen Produktionskorridor von jährlich 105 bis maximal 130 Mrd. Kubikmeter bis 2020.

Während also Russland betont, dass es Europa – einen reibungslosen Transit durch die Ukraine vorausgesetzt – mit so viel Gas beliefern könne, wie nötig, heißt es in Norwegen, man werde so viel liefern, wie man eben könne.

„Das Problem ist, dass die bekannten Lagerstätten meist schon in Betrieb sind und teils ihren Förderzenit überschritten haben“, erklärt Walter Boltz, Vorstand der E-Control: So sei die Förderung aus dem berühmten Troll-Gasfeld 100 Kilometer vor der norwegischen Küste westlich von Bergen bereits rückläufig, wiewohl Gas noch für viele Jahrzehnte bereitstünde. Seit Mitte der 1990er-Jahre war die Gasproduktion in Norwegen ständig gestiegen. Konzentriert war sie immer auf die Offshore-Förderung in der Nordsee, wo die staatliche Gasgesellschaft Statoil in unterschiedlichen Konsortien mit internationalen Konzernen wie Shell oder BP aktiv ist. Faktum ist, dass es auch unerschlossene Lagerstätten im Nordmeer oder in der Barentssee gibt. Doch diese Lagerstätten sind aufgrund ihrer hohen Entwicklungskosten beim derzeitigen Gaspreis für Investoren nicht lukrativ. Öl- und Gasunternehmen erwarten einen Investitionsrückgang von 18 Prozent im Jahr 2015. Das habe auch mit einer Abkühlung der norwegischen Wirtschaft und einem sinkenden Wert der Landeswährung zu tun, so Marius Gonsholt Hov von der Svenska Handelsbanken in einem Beitrag in „Businessweek“.

Norwegen kulanter als Moskau

Das heißt nicht, dass der norwegische Export nach Europa zurückgeht. „Unsere Prognosen zeigen, dass der Export von Gas vom norwegischen Schelf in den nächsten Jahren stabil bleibt“, meint Eldbjørg Vaage Melberg vom „Norwegischen Petroleumdirektorat“.

Norwegen selbst macht Europa sein Gas kaum streitig. Das Land verfügt über genügend Wasserkraft. So fließen 95 Prozent des Gases ins Ausland – und zwar über vier Pipelines nach Großbritannien und Kontinentaleuropa. Nur ein geringer Teil geht als Flüssiggas mit Tankern nach Spanien. Das Problem unzuverlässiger Transitstaaten besteht nicht.

Als zu Zeiten der Finanzkrise der Bedarf geringer war, habe Norwegen flexibler als Russland reagiert und sich auch mit kürzeren Verträgen zufriedengegeben, so Boltz: Und Norwegen habe nicht den Ehrgeiz der Russen, sich an europäischen Pipelines zu beteiligen und zum Endkunden vorzudringen.

AUF EINEN BLICK

In Österreich ist zuletzt weniger

Gas aus Russland angekommen als vertraglich vereinbart. Die Liefermengen seien am vergangenen Freitag um ein Viertel und am Wochenende um 20Prozent niedriger ausgefallen, so die E-Control am Montag. Das liege über den üblichen Schwankungen von maximal 15Prozent. Die Versorgungssicherheit sei nicht gefährdet. Auffälligerweise aber bleibe Russland eine Erklärung schuldig.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 23.09.2014)

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