Leo Windtner: "Hier wird Vermögen vernichtet"

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Im Fußball herrscht der Markt, in der Energiebranche ist hingegen die Planwirtschaft zurück, sagt Leo Windtner, Chef der Energie AG und ÖFB-Präsident. Vom Alltag als Sisyphus.

Herr Windtner, Sie sind Chef eines mehrheitlich landeseigenen Stromversorgers und ÖFB-Präsident. Welcher Job ist politischer?

Leo Windtner: Ein gewisses Maß an Zusammenarbeit mit Politikern ist bei beiden notwendig. In meine ÖFB-Funktion involvieren sich Politiker kaum. Bei der Energie AG ist es wegen der Eigentümerkonstellation legitim, dass das Land Oberösterreich als Mehrheitseigentümer seine Interessen vertritt.

Und welcher Job hat mehr mit Marktwirtschaft zu tun?

Beim Fußball herrscht der marktwirtschaftliche Exzess. In der Energiebranche ist viel verloren gegangen. Vom liberalisierten Markt ist de facto nichts übrig. Die Flut an Regulierungen macht die Arbeit immer schwieriger. Manchmal fühlt man sich wie Sisyphus.

Wenigstens die Kunden spüren noch einen Effekt der Liberalisierung. Ihre Rechnungen sind niedriger als davor.

Ich spreche nicht von der ersten Hälfte der Liberalisierung, sondern von dem, was in den vergangenen Jahren regulatorisch passiert. Das ist das energiepolitische Absurdistan. Bei der Entbürokratisierung und Deregulierung gibt es akuten Handlungsbedarf in Österreich. Wir haben einen Dschungel an Regularien entwickelt, der für Wirtschaft und Bevölkerung eine gewaltige Last geworden ist. Der Effekt der Liberalisierung wird durch höhere Steuern und Abgaben großteils konterkariert.

Fast alle großen Energiekonzerne in der EU haben Probleme, zuletzt hat sich der deutsche Energieriese E.On selbst zerschlagen.

Wir haben in Europa zu viel Strom. 2014 gab es bereits siebenmal negative Strompreise, sodass wir das Wasser bei unseren Kraftwerken nicht durch die Turbinen, sondern über die Wehrfelder laufen lassen mussten. Sonst hätten wir Strafe bezahlt. Das ist das Ergebnis einer totalen Überförderung der Erneuerbaren in Deutschland und eines verunglückten CO2-Regimes. Das alles als Preis für die Energiewende zu taxieren ist ein energiepolitischer Hohn. Dass ein börsenotierter Leuchtturm der Branche wie E.On so einen Schritt setzen muss, zeigt, dass der Markt aus dem Ruder gelaufen ist. Hier wird unter dem Deckmantel der Energiewende Vermögen im großen Stil vernichtet.

Bei unserem letzten Gespräch haben Sie vor einer „Energiekrise“ gewarnt, sollte die Energiewende nicht eingedämmt werden. Ist die Energiekrise da?

Ein Großteil meiner Befürchtungen ist eingetreten. Mit der fatalen Perspektive, dass die Politik kaum etwas zu ändern bereit ist. In Deutschland werden in den nächsten Jahren noch tausende Megawatt an Erneuerbaren dazukommen. Bis 2020 werden weitere hoch subventionierte Wind- und Solarkraftwerke mit 100.00 MW stehen. Gleichzeitig gehen durch die AKW-Abschaltungen nur 22.000 MW vom Netz. Wir können uns also keine Verbesserung der Lage erwarten. Wenn Österreich dann noch ein Energieeffizienzgesetz beschließt, das jeder marktwirtschaftlichen Logik widerspricht, fragt man sich schon: Was will die Politik mit der Branche?

Was heißt das Gesetz für Ihr Unternehmen?

Wir wissen heute, einen Monat bevor das Gesetz wirksam wird, alle noch nicht, welche Energiesparmaßnahmen uns angerechnet werden und wer für die Beurteilung zuständig sein wird. Bei den Kosten ist unsere Einschätzung klar: Es kann uns zwölf bis 13 Prozent unseres Ebit kosten. Das wären bis zu 15 Millionen Euro pro Jahr.

In der Branche häufen sich die Hiobsbotschaften, zuletzt etwa beim Verbund. Wann ist der Sektor endlich über den Berg?

Es gibt wenig Aussicht auf Besserung. Das Thema Versorgungssicherheit wird komplett beiseitegeschoben. Es wird notwendig sein, in Zukunft Versorger auch für das Bereitstellen von Kraftwerksreserven zu bezahlen. Das Erkennen langsam alle. Vor einem halben Jahr hat die E-Control noch gesagt: Alles kein Problem. Heute heißt es: Gaskraftwerksbetreiber werden nicht mehr ohne Weiteres ihre Anlagen einmotten dürfen. So geht das nicht. Wir sind Aktiengesellschaften und keine gemeinnützigen Genossenschaften. Da kann man gleich alles verstaatlichen. Wir können nicht über Jahre hindurch zig Millionen für die Vorhaltung dieser Kraftwerke ausgeben. Da haben wir auch bei den Wirtschaftsprüfern keine Chance mehr. Wir müssen uns entscheiden: Sperren wir zu, oder ist eine Chance auf wirtschaftlichen Weiterbetrieb gegeben?

Sie sperren mit der Energie AG Werke zu.

Schweren Herzens schließen wir das Steinkohlekraftwerk am Standort Riedersbach. Auch unser neues Gas-und-Dampf-Kraftwerk in Timelkam haben wir größtenteils wertberichtigen müssen. Wenn wir kaum hundert Stunden im Jahr damit Geld verdienen können, ist das für den Weiterbetrieb eines Kraftwerkes, das ursprünglich für rund 6000 Einsatzstunden konzipiert war, viel zu wenig. In den kommenden Jahren wollen wir weitere 20 Millionen an Kosten einsparen.

Im Vorjahr gab es bei der Bilanz wenig Grund zu feiern. Wie ist es heuer gelaufen?

Wir sind zurück auf Kurs. Wir werden die geplanten 100 Millionen Euro Ebit erreichen und aller Voraussicht nach keinen großen Einbruch beim Unternehmenswert hinnehmen müssen.

Sie machen sich seit Kurzem für Fusionen auf dem heimischen Energiemarkt stark. Heiß diskutiert wurde etwa das mögliche Zusammengehen mit der Linz AG. Welche Vorteile sähen Sie darin? Wäre es mehr, als das Umfärben des roten Stadtversorgers?

Ich habe das nicht auf die Linz AG bezogen, das gilt für die gesamte Branche in Mitteleuropa. Vor der Liberalisierung haben alle nachgedacht, wer mit wem zusammengehen könnte. Nachdem man die Liberalisierung wider Erwarten halbwegs souverän passiert hat, waren die Pläne vom Tisch. Jetzt denkt man wieder nach, ob es nicht vernünftig wäre, zusammenzugehen, damit nicht jeder das Gleiche tut.

Hat Österreich zu viele Stromversorger?

Das wäre ein trivialer Befund. Aber wenn man sich das Beispiel der Salzburg AG ansieht, die aus dem Landes- und dem Stadtversorger entstanden ist, erkennt man: Es ist weder für die Stadt noch für das Land noch für irgendeine Partei ein negativer Effekt aus der Fusion entstanden. Das kann funktionieren, wenn die Eigentümer es wollen und das Management zu einem Mindestmaß an Zusammenarbeit bereit ist.

Die Energieversorger stehen vor großen Veränderungen. Wie viel Prozent wird die Energie AG in zehn Jahren noch mit dem Erzeugen und Verkauf von Strom verdienen?

Das Ursprungsgeschäft, das Generieren und Verkaufen von Strom, wird weggebrochen sein. Strom erzeugen allein wird nicht mehr reichen. Wir müssen uns auf die neuen, kleinen Chancen im IT- und Dienstleistungsbereich konzentrieren. Wir werden viele kleine Brötchen backen müssen und nicht mehr einen großen Kuchen aus der Stromerzeugung wie früher.

Steckbrief

Energie. Leo Windtner (* 1950) steht seit 20 Jahren an der Spitze des landeseigenen Stromversorgers Energie AG Oberösterreich. Ab 1985 war der heute 62-jährige Oberösterreicher zehn Jahre lang Bürgermeister von St.Florian.
Fußball.
Seit 2009 ist der passionierte Hobbysportler ehrenamtlicher Präsident des Österreichischen Fußballbundes.
Katharina Roßboth

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2014)

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