Energielieferanten: „Wir haben keine Ahnung, was wir tun sollen“

Clemens Wodniansky
Clemens Wodniansky(c) Die Presse (Clemens Fabry)
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Energielieferanten müssen seit Jahresanfang, dafür sorgen, dass ihre Kunden Energie einsparen. Wie sie das machen dürfen, ist aber noch nicht festgelegt. Wo ist da die Rechtssicherheit?

Die Presse: Seit 1. Jänner sind Sie laut Gesetz dafür verantwortlich, dass Ihre Kunden effizienter mit Energie umgehen. Wie wollen Sie das bewerkstelligen?

Clemens Wodniansky: Das Energieeffizienzgesetz, das Sie ansprechen, macht mich sehr unglücklich. Dieser Hüftschuss ist viel zu schnell gekommen. Die Implementierung wurde nicht bedacht. Seit Jahresbeginn müssten wir eigentlich nach Maßnahmen suchen, die wir hinsichtlich Energieeffizienz setzen wollen. Doch das Herzstück des Gesetzes, die Monitoringstelle, fehlt. Sie kann aber erst bekannt geben, welche Maßnahmen uns erlaubt sind. Solange ich das nicht weiß, frage ich mich: Wo ist hier die Rechtssicherheit?

Interimistisch kümmert sich darum doch das zuständige Wirtschaftsministerium – heißt es zumindest im Ministerium.

Dort steht nur plakativ ein Methodenkatalog herum. Aber wenn man sich die Sache genau anschaut, sieht man, dass letztlich doch die Monitoringstelle Maßnahmen erarbeiten muss und dann erst Verordnungen kommen können. Wann wird das sein? Im Sommer? Im Herbst? Wir haben keine Ahnung, was wir tun sollen. Das trifft alle Energielieferanten. Zudem ist es ein irrsinniger administrativer Aufwand. Hier wird viel Zeit und Geld verschluckt. Es ist schließlich nicht unsere Kernaufgabe, Verbrauchern zu erklären, dass es Sinn hat, Energie effizient zu verwenden.

Seit 1. Jänner ist es eben doch Ihre Aufgabe.

Hier hat man leider wieder einmal verpasst, die Eigenverantwortung beim Verbraucher zu lassen. Stattdessen hat es sich der Gesetzgeber relativ leicht gemacht und seine Aufgabe als Staat an irgendeine Branche weitergegeben. Es sind die Energielieferanten geworden. Und die sollen sich jetzt darum kümmern, dass sie die Endverbraucher überreden, Energie effizienter zu verwenden. Aber wie? Ich kann mir nicht vorstellen, dass wahnsinnig viele Menschen bereit sind, sich einen teuren neuen Kühlschrank zu kaufen, nur weil wir Energielieferanten ein paar Euro dazugeben.

Die Mineralölbranche hat sich bereits mit der Regierung auf einen recht verträglichen Weg geeinigt, wie sie das Effizienzziel erreichen kann. Sprechen Sie auch mit dem Wirtschaftsministerium?

Wir sind selbst nicht in Gesprächen mit dem Ministerium. Ich hoffe aber, dass die Branche eine Idee hat, die man gemeinsam umsetzen kann. Aber eigentlich müssten die Verbraucher direkt mitbekommen, worum es geht. So wie beim Ökostrom, den letztlich ja auch der Kunde direkt bezahlt. Vielleicht wäre eine Art Ineffizienzsteuer besser gewesen, damit jeder auf einen Blick versteht, dass die günstigste Kilowattstunde die ist, die er nicht verbraucht.

Sie können sich von der Pflicht auch freikaufen. Wollen Sie das angesichts der Unsicherheit tun?

Es gibt die Möglichkeit, Ausgleichszahlungen zu leisten, um so einer Strafe zu entgehen. Da geht es aber um sehr viel Geld. Das kostet schnell ein paar hunderttausend Euro und das will natürlich jeder Energielieferant im Land vermeiden. Niemand hat so kalkuliert, dass diese Abschlagszahlungen in einer Marge drinnen sind. Das erinnert mich alles an den Polizisten mit der Radarpistole in der 30er-Zone, der sich freut, wenn endlich jemand 50 fährt. Geht es hier wirklich um die Sicherheit oder geht es doch nur ums Abkassieren?

Apropos günstig: Nach dem Ölpreissturz erwarten viele Österreicher, dass auch ihre Gaspreise sinken. Warum kommt der niedrigere Gaspreis bis dato nicht wirklich bei den österreichischen Haushalten an?

Der Gaspreis hängt seit der Krise nicht mehr direkt mit dem Ölpreis zusammen. Schon lang vor dem Verfall des Ölpreises ist der Gaspreis bis in den Dezember 2014 hinein kontinuierlich gefallen. Alles hat darauf hingedeutet, dass es so weitergehen würde: hohe Temperaturen, unrentable Gaskraftwerke, übervolle Speicher wegen der Ukraine-Krise. Dann wurde es plötzlich so kalt in Mitteleuropa, dass die Preise seit Jahreswechsel um zwölf Prozent gestiegen sind. Dennoch haben die Endkunden in Österreich bereits von den niedrigen Preisen profitiert. In den vergangenen Jahren sind die Preise hier um ein Fünftel gesunken. Das ist die Auswirkung des gesteigerten Wettbewerbs. Aber natürlich profitieren nur die, die auch ihren Anbieter wechseln.

Die meisten alternativen Gasanbieter locken die Kunden mit hohen Rabatten im ersten Jahr – und haben dann das Problem, die Wechselfreudigen länger zu halten.

Wir beobachten das bei unserem Mitbewerbern definitiv. Der übliche Tarif mit dem hohen Neukundenrabatt ist etwas für reine Schnäppchenjäger, die wirklich jedes Jahr wechseln wollen. Denn im zweiten und dritten Jahr bezahlen Sie alles zurück – und am Ende sogar ein bisschen mehr. Jeder dritte Kunde, der zu uns wechselt, ist schon ein Mehrfachwechsler. Aber die wenigsten greifen noch einmal zu diesem Tarif, sondern wählen lieber einen ohne Rabatt, aber dafür mit fairem Preis. Niemand will jedes Jahr wechseln. Viel wichtiger wären für uns die 85 Prozent der Österreicher, die noch nie in ihrem Leben den Gasanbieter gewechselt haben.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 04.03.2015)

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