Shell: Brasilien als Grund für 64-Mrd.-Deal

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Mit der Milliarden-Übernahme der britischen BG Group erhält Konkurrent Shell riesige neue Reserven – vor allem in Brasilien. Der Deal könnte eine neue Fusionsrunde auslösen.

Wien. Um 25 Prozent höhere Öl- und Gasreserven. Das erwartet sich der britische Energiekonzern Shell von der Übernahme des kleineren Konkurrenten BG Group. Und dafür will er auch eine ganze Menge Geld in die Hand nehmen: Für 64 Mrd. Euro in Form von Cash und Aktien will die Nummer eins am britischen Markt die Nummer drei auf der Insel kaufen. Gegenüber dem Durchschnittskurs der vergangenen 90 Tage von BG ist das ein Aufschlag von rund 50 Prozent. Dass der BG-Aktienkurs am Mittwoch um gut 40 Prozent nach oben schnellte, war die logische Folge.

Doch die größte Fusion in der Energiebranche seit der Jahrtausendwende ist keine rein britische Angelegenheit, auch wenn die Zentralen beider Unternehmen in London beheimatet sind. Es geht dabei nämlich um den Zugriff auf gesicherte Ölreserven, die weltweit verteilt sind. So verfügt die BG Group über Vorkommen in Australien, Kasachstan, Ägypten und Ostafrika. Am wichtigsten für Shell dürften dabei jedoch die gesicherten Reserven in Brasilien sein. Schon heute produziert BG dort 144.000 Fass Öl und Gas pro Jahr. Bis 2020 soll diese Zahl auf 557.000 ansteigen. „Durch den Kauf wird Shell der größte ausländische Ölkonzern in Brasilien“, schreibt dazu das Analysehaus Jefferies.

Und dies sei ein wichtiger Wettbewerbsvorteil gegenüber anderen internationalen Ölkonzernen, da Brasilien eine der aufstrebenden neuen Ölnationen sei. Die künftig zu Shell gehörenden Reserven sind unter anderem in jener Region vor der Küste des Landes, in der Brasilien in den Jahren 2006 und 2007 den größten Ölfund der vergangenen 30 Jahre machte. Und diese Reserven sind seit dem Rückgang des Ölpreises seit Herbst des Vorjahres noch wertvoller geworden. Denn Shell erspart sich so die teure und oft nicht erfolgreiche Exploration, um neue Fördermöglichkeiten zu erschließen.
Der gefallene Ölpreis ist aber auch aus einem anderen Grund der Treiber hinter der Großfusion. In Folge des Preisabsturzes sanken auch die Börsenwerte der Energiekonzerne. Die Aktie von BG gab etwa seit dem Vorjahr um fast 30 Prozent nach. Shell nutzte diese Gelegenheit nun aus.

Situation wie vor 17 Jahren

Viele Branchenexperten erwarten daher nun, dass die 64-Mrd.-Euro-Fusion der Anstoß zu einer neuen Fusionswelle in der internationalen Energiebranche sein könnte – so wie es vor rund 17 Jahren bereits einmal war. Auch damals war der Ölpreis kurz zuvor kräftig gefallen, weshalb BP den Fusionsreigen mit der Übernahme von Amoco eröffnete. Kurz danach folgte die Fusion von Chevron mit Texaco, die Übernahme von Elf durch Total sowie der Mega-Merger von Exxon und Mobil. Und gerade Exxon Mobil, der seit damals größte Ölkonzern der Welt, kündigte erst jüngst an, die aktuell gesunkenen Börsenpreise für Ölkonzerne ebenfalls für Übernahmen nützen zu wollen. Als mögliche Übernahmeziele gelten in der Branche neben einer Reihe von kleineren Unternehmen in den USA und Europa auch der US-Konzern Andarko und BP.

Dass ein anderes Unternehmen die Übernahme von BG durch Shell mit einem höheren Angebot noch vereitelt, gilt angesichts des 50-Prozent-Aufschlages von Shell als unwahrscheinlich. Der Druck, selbst zu agieren, dürfte in den kommenden Monaten aber steigen. Denn Shell will durch den Kauf nicht nur über mehr Reserven verfügen, sondern auch Synergien in Höhe von 3,4 Mrd. Euro jährlich heben. Und auch vom Börsenwert wird sich Shell (186 Mrd. Euro) durch die Übernahme von BG (42 Mrd. Euro) an die Nummer eins Exxon Mobil (331 Mrd. Euro) weiter anpirschen. Zum Vergleich: Die OMV hat einen Börsenwert von knapp neun Mrd. Euro. (jaz/ag.)

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.04.2015)

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