Wie wir Energie sparen sollen

(c) Michaela Bruckberger
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LED statt Glühbirne und defensives Autofahren: Die Regierung verrät, wie uns Konzerne künftig zur Sparsamkeit motivieren müssen. Größte Nutznießer könnten Stromversorger werden.

Wien. In den vergangenen Wochen ist es in den Chefetagen großer heimischer Stromkonzerne verdächtig ruhig geworden. Vorbei die Zeit, in der die Vorstände die Regierung für ein Gesetz, das sie Millionen kosten könnte, geißelten. „Genug gejammert“, verkündete Verbund-Chef Wolfgang Anzengruber Anfang März. Das Energieeffizienzgesetz sei eine Realität, der man ins Auge sehen müsse. Robert Grüneis, Energievorstand der Wiener Stadtwerke, will im lang bekämpften Regelwerk nun gar „eine Chance für uns“ erkennen.

Langsam wird klar, warum die Strombranche die Stacheln wieder eingefahren hat: Der „Presse“ liegt das Dokument vor, in dem die Regierung auflistet, wie die Energielieferanten uns künftig zur Sparsamkeit treiben sollen. Und die Stromkonzerne, so scheint es, kommen gar nicht so schlecht weg.

„Einsparung unglaubwürdig“

Dass es das Papier schon gibt, ist eigentlich die erste Überraschung. Ursprünglich war vorgesehen, dass eine unabhängige Monitoringstelle bestimmt, wie viel welche Maßnahmen für die Unternehmen wert sein sollen. Doch die Ernennung der Monitoringstelle zieht sich länger hin, als dem Wirtschaftsministerium lieb ist. Daher haben die Beamten kurzerhand in die Tasten gegriffen und das 136 Seiten starke Dokument selbst geschrieben.

Nun soll es schnell gehen, berichten Insider aus dem Ministerium. Noch im April soll die Liste als Anhang der Verordnung über die Leitlinien für die Monitoringstelle in Begutachtung gehen und alsbald fixiert werden. Mit dem Sozial- und dem Umweltminister sei alles weitgehend akkordiert, nur Details müssten geklärt werden.

Das ist einerseits eine gute Nachricht, denn Österreichs Energielieferanten sind seit Anfang 2015 verpflichtet, ihre Kunden zum Energiesparen zu drängen – wissen bis dato aber nicht, wie sie das tun dürfen. Damit macht dieses Dokument endgültig Schluss. Für jede verschenkte LED-Birne, jede Stunde Spritspar-Training und jede einzelne Energieberatung am Telefon hat das Ministerium eine Formel parat, die angibt, wie viel sich Lieferanten dafür anrechnen dürfen. Andererseits weckt die Heimlichtuerei rund um die Erstellung des Dokuments eine gewisse Skepsis.

„Die Presse“ hat das Papier daher zwei renommierten Energieexperten des Landes vorgelegt und sie um eine Einschätzung gebeten. Beide wollten namentlich nicht genannt werden, da sie regelmäßig für die involvierten Ministerien tätig sind. Ihr Resümee fällt denkbar kritisch aus: Das Methodenpapier, so wie es da liege, lade die Unternehmen zu „kreativer Buchführung ein“, heißt es. Die Energieeinsparung einzelner Maßnahmen sei oft „unglaubwürdig hoch“.

„Nur nebulöse Vorschläge“

Vor allem im Verkehrsbereich, der mit 27 Prozent des Endenergieverbrauchs das größte Potenzial hätte, gebe es „nur nebulöse Vorschläge“: die umstrittene Beimischung von Zusatzstoffen zum Diesel, der Umstieg auf Erdgasautos und spritsparendes Fahren. Jeder Autofahrer, der ein paar Stunden besser bremsen lernt, verbraucht laut Ministerium fortan ein Zehntel weniger Sprit. Ob das tatsächlich so ist, wird nicht erhoben.

Etwas besser versteckt sind die Verwerfungen auf dem Wärmesektor, dem zweiten Bereich, in dem Energiesparen wirklich Sinn hat. Hier kritisieren die Experten erstens das Festhalten an Ölheizungen selbst in thermisch unsanierten Gebäuden. Zweitens werde eine an sich sinnvolle Technologie viel zu stark forciert: die Wärmepumpe. Nach den Plänen des Ministeriums wäre der Umstieg auf eine Wärmepumpe etwa dreimal so viel wert wie der Umstieg auf eine Pelletsheizung. Das Einsparungspotenzial der Wärmepumpen bei bestehenden Gebäuden werde „mindestens um das Doppelte überschätzt“, warnen die Experten.

Größter Nutznießer dieser Regelung sind just jene, die im Vorfeld am lautesten gegen das Gesetz gewettert haben: die Stromkonzerne. Denn Wärmepumpen werden mit elektrischer Energie betrieben. Bieten Stromkonzerne ihren Kunden nun den Einbau einer Wärmepumpe an, profitieren sie doppelt. Einerseits können sie „sehr einfach überhöhte Einsparungen erzielen und auch noch langfristige Kunden gewinnen“, heißt es. Die sinnvollste Variante sei die Wärmepumpe aber oftmals nicht.

Das Wirtschaftsministerium betont auf Anfrage, dass mit dem „Effizienzdiesel“ gerade im Verkehrsbereich eine „flächendeckend wirksame Maßnahme“ eingeführt werde. Zudem handle es sich bei dem Papier um eine Arbeitsfassung, die laufend erweitert und vertieft werde.

Auf einen Blick

Seit Anfang 2015 verpflichtet das Energieeffizienzgesetz Energielieferanten, den Verbrauch ihrer Kunden bis 2020 jedes Jahr um 0,6 Prozent zu senken – oder die Effizienz zu steigern. Andernfalls drohen hohe Abschlagszahlungen. Der „Presse“ liegt ein Papier vor, in dem die Regierung auflistet, wie das geschehen soll. Dabei zeigt sich: Die Einsparungen werden oft überschätzt, für Stromkonzerne könnte es sogar zu einem Geschäft werden.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 11.04.2015)

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