Öko-Energiequelle: Für Pellets fallen ferne Bäume

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Pellets(c) REUTERS (BRIAN SNYDER)
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Ein Drittel des EU-Bedarfs kommt aus Übersee, vor allem den USA. Dort machen Umweltschützer gegen das Abholzen mobil. Was ist da dran?

Das trostlose Bild prägt sich ein: Wo früher am Roanoke River der Auwald üppig grün wucherte, ragen morsche Baumstümpfe aus einem fauligen Pfuhl. Der Wald ist abgeholzt, das Holz verarbeitet. Nicht etwa zu Möbeln oder Dachstühlen, sondern zu gepressten Spänen. Und diese Pellets werden nicht etwa vor Ort, in North Carolina, verheizt. Nein, sie haben eine weite Reise vor sich: Mit dem Schiff geht es über den Atlantik nach Rotterdam, von wo man sie über ganz Europa verteilt.

Denn die EU setzt voll auf die als CO2-neutral gepriesene Energiequelle. In Amerika aber formiert sich Widerstand von Umweltaktivisten. In der „Washington Post“ haben sie diese Woche einen medialen Fürsprecher gefunden. Das Foto schmückte einen Artikel mit dem Titel „Wie Europas Klimapolitik dazu führte, dass in den USA mehr Bäume gefällt werden“. Die Botschaft: Die klimagetriebene Gier der Europäer nach Ökoheizung und Ökostrom zerstöre wertvolle Biotope und letzte Urwälder. Was ist da dran?

Zunächst zu den klaren Fakten: Die Förderung und Lobpreisung der alternativen Energiequelle hat den Bedarf an Pellets in Europa rapide ansteigen lassen. Allein von 2010 bis 2013 (mit den aktuellsten Daten von Eurostat) hat er sich fast verdoppelt, von 10,4 auf 19,4 Mio. Tonnen. Solche Mengen lassen sich innerhalb der Union nicht stemmen. Ein Drittel wird importiert. An erster Stelle der Lieferländer stehen die USA (mit 45 Prozent Anteil 2013), gefolgt von Kanada und Russland.

Stolze Besitzer von Pelletsheizungen stellen sich das anders vor. Sie denken an Späne aus dem nahen Sägewerk, die dort als Abfall anfallen und so noch sinnvoll zu nutzen sind. Wenn aber dafür gesunde Bäume gefällt und das Heizmaterial um die halbe Welt transportiert wird, pervertiert sich dann nicht die Idee? Und wie steht es dann noch mit der Ökobilanz?

Doch Christian Rakos gibt Entwarnung. Der Präsident des European Pellet Council (EPC) versichert: In Österreich verkaufte Pellets stammen aktuell sicher nicht aus Amerika, und es fallen dafür auch keine Bäume. Selbst vor zwei Jahren lag der Anteile der US-Importe hierzulande bei unter fünf Prozent. Wie aber passt das mit den europäischen Zahlen zusammen?

Pellets dienen nicht nur privaten Haushalten zum Heizen – was außer in Österreich vor allem in Italien und Schweden populär ist. Man kann mit ihnen auch Kraftwerke befeuern – ein Thema in Holland, Dänemark und vor allem in Großbritannien, wo man viele Kohlekraftwerke umgerüstet hat. Gerade solche waldarmen Länder sind auf Importe aus Übersee angewiesen.

Die Ruhe trügt. Zuletzt, erklärt Brancheninsider Rakos, seien die Lieferungen aus den USA aber in ganz Kontinentaleuropa stark zurückgegangen – wegen einer „eklatanten Überversorgung“: Neue Pelettieranlagen haben die Kapazitäten ausgeweitet. Zugleich blieben die Händler in zwei ungewöhnlich milden Wintern auf ihrer Ware sitzen. Und schließlich hat der geschwächte Euro den Import aus den USA verteuert und weniger attraktiv gemacht. Außer für die Briten: Sie haben ihre Einkäufe durch Hedging abgesichert und sind mit ihrem Pfund dem starken Dollar weniger ausgesetzt.

Freilich: Es kommen wieder kältere Winter. Auch der Euro/Dollar-Kurs wird nicht so bleiben. Und das US-Landwirtschaftsministerium rechnet zumindest mit einer Verdoppelung des globalen Pelletbedarfs bis 2020. Eine Globalisierung der Branche ist absehbar. Damit stellt sich doch die Frage: Sollen für Pellets gesunde Bäume fallen? Denn das passiert in den USA tatsächlich. Die dortigen Forstwirte sind heilfroh über das neue Exportsegment. Mit ihrem Hauptabnehmer, der Papierindustrie, geht es schon lang bergab, wegen der Digitalisierung der Medien und der Konkurrenz aus Brasilien. Um 100 Mio. Tonnen ging die Nachfrage in nur 15Jahren zurück. Und bevor die Waldbesitzer überzählige Bäume gar nicht nutzen, verkaufen sie das Holz liebend gern an Pelletsproduzenten.

Ein Frevel? Ökonomisch ja, ökologisch nicht unbedingt. Wenn Brüssel den Holzbrennstoff als fast CO2-neutral ausweist, geht es nicht darum, ob er aus Abfall oder eigens dafür gefällten Stämmen stammt. Als relevant gilt nur, dass die Bäume, die letztlich immer dahinter stehen, aus einem laufend wieder aufgeforsteten Wald kommen.

Idealisten gegen Praktiker. Unter dieser Prämisse sind Pellets aus den USA nur wegen des langen Transports weniger klimafreundlich. Eine Studie hat den Nachteil errechnet: Während heimische Pellets die Treibhausgasbilanz gegenüber Heizöl um 97Prozent verbessern, sind es bei US-Importware nur 80 Prozent – also immer noch ein gewaltiger Vorsprung.

Aber die NGOs bestreiten die alles entscheidende nachhaltige Nutzung. Rakos schüttelt darüber den Kopf: „Die Amerikaner haben eine genauso nachhaltige Holzwirtschaft wie wir, und das Ausmaß der forstlich bewirtschafteten Fläche ist seit 100 Jahren fast unverändert.“ Er erinnert sich an riesige Wälder angepflanzter Kiefern, die man als Autofahrer durch die Südstaaten über tausende Kilometer passiere.

Für Europa stellt sich mittelfristig dennoch eine heikle Frage: Wenn die Pelletsmengen rasant steigen und das „Kuppelprodukt“ Späne nicht mehr ausreicht, sollen dann unsere noch unberührten Wälder unter die Säge kommen? Deutlich teurer würde es auf jeden Fall. Nutzbare, aber ungenutzte Flächen gibt es zwar genug, vor allem in Frankreich. Sie sind aber wertvolle Bioreservate. Und bei ihnen trifft das kritische Kalkül der US-Umweltaktivisten zu: Setzt man den Kreislauf der Bewirtschaftung in einem Wald erst in Gang und fällt den ersten Baum, dauert es tatsächlich Jahrzehnte, bis sein Ersatz wieder die gleiche Menge an CO2 absorbiert. Aber selbst dann dürfte gelten: Holz schlägt Öl und Kohle – wenn auch nicht mehr um Längen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.06.2015)

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