Energie: Shells kurzer Ausflug in die Arktis

(c) Bloomberg (Andrey Rudakov)
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Nur sechs Wochen nach Beginn der umstrittenen Exploration vor der Küste Alaskas beendet Shell das Projekt wieder. Grund dafür sind die hohen Kosten und der niedrige Ölpreis.

Wien. Manchmal haben auch Umweltschützer Glück. Seit mehreren Jahren bekämpfen Greenpeace und andere Organisationen die Pläne des britisch-holländischen Energiekonzerns Shell, in der Arktis – rund 250 Kilometer vor der Küste Alaskas – nach Öl und Gas zu bohren. Sie führten Protestaktionen an Shell-Tankstellen rund um den Globus durch, sie versuchten, einen zur Versorgung notwendigen Eisbrecher beim Auslaufen aus dem Hafen zu behindern, und sie besetzten einst sogar die Bohrplattform.
Es half alles nichts. Mitte August gab die US-Regierung Shell die Genehmigung, in der sogenannten Tschuktschi-See zu bohren. Für Umweltschützer war das die umweltpolitische Bankrotterklärung der Regierung Obama, für Shell der Startschuss zu der auf zwei Jahre angelegten größten Exploration seit Langem.

Zu geringe Vorkommen

Knapp sechs Wochen später ist alles wieder anders. Gestern, Montag, gab Shell nämlich bekannt, dass die Bohraktivitäten in der Tschuktschi-See vorzeitig beendet worden sind. Man habe zwar Anzeichen für Öl und Gas gefunden. Diese seien aber nicht ausreichend genug gewesen, um eine weitere Exploration in der Region zu rechtfertigen, heißt es in einer Aussendung. Das Bohrloch werde daher entsprechend der US-Gesetze versiegelt und verlassen.

„Shell sieht zwar weiterhin ein großes Explorationspotenzial, und die Region wird wahrscheinlich auch große strategische Bedeutung für Alaska und die USA bekommen. Für jenen Teil der Region, in dem wir aktiv waren, ist das jedoch ein sehr enttäuschendes Ergebnis“, so der für die Exploration in Amerika zuständige Shell-Manager Marvin Odum. Drei konkrete Gründe nennt Shell für den vorzeitigen Abbruch der Bohrtätigkeit: Neben den Ergebnissen der ersten Bohrungen sind das die hohen Kosten des Projekts sowie die „unvorhersehbare Umweltgesetzgebung in Alaska“, wie der Konzern weiter schreibt.

Denn nicht nur unter Umweltschützern war das Projekt heftig umstritten. Auch viele Aktionäre fragten immer wieder besorgt, ob die hohen Kosten angesichts des seit dem Herbst des Vorjahres auf rund 50 Dollar pro Fass halbierten Ölpreises noch zu rechtfertigen seien. Denn bei diesem Preis rechnet sich eine Förderung in einer so schwierigen Region wie der Arktis in der Regel nicht. Experten schätzen, dass der Preis rund doppelt so hoch sein müsste, damit das Projekt rentabel wäre.
Zudem schwebte über den ganzen Aktivitäten immer auch das Damoklesschwert eines Ölunfalls, der bei Bohrarbeiten immer vorkommen kann, in einer ökologisch heiklen Region wie der Arktis jedoch gravierendere Auswirkungen hätte. Und der auch im Fall eines kleinen Vorkommnisses aufgrund der großen Aufmerksamkeit der Umweltschützer sicher nicht geheim geblieben wäre.

Milliardenkosten für Shell

Aber auch der Rückzug von dem Projekt bedeutet für Shell vorerst einmal hohe Kosten. Rund sieben Milliarden Dollar (6,3 Mrd. Euro) hat Shell bisher bereits in das Projekt investiert. Zu diesem Betrag dürften aber noch Abschreibungen in Milliardenhöhe hinzukommen. So gab Shell am Montag bekannt, dass das Explorationsprojekt in Summe mit rund 4,1 Milliarden Euro in den Büchern des Konzerns steht. Die genauen Details sollen jedoch erst bei der Bekanntgabe der Zahlen für das dritte Quartal Ende September bekannt gegeben werden. An der Börse gaben die Shell-Aktien jedoch bereits am Montag leicht nach.
Schon in der Vergangenheit ist Shell mit dem Projekt nicht wirklich glücklich gewesen. So musste es im Jahr 2012 bereits einmal unterbrochen werden, nachdem die Bohrplattform auf Grund gelaufen war. Der Vorfall sorgte damals ebenfalls für große Kritik an der Vertrauenswürdigkeit des Konzerns. Denn der Grund für den Unfall war, dass die Plattform von Alaska nach Seattle gezogen wurde, um Steuern zu sparen (bleiben Bohrplattformen über einen gewissen Zeitraum in der Arktis, fallen dafür höhere Steuern an).

Doch auch wenn die Umweltschützer nun jubeln können und in der Arktis vorerst wieder Ruhe einkehrt, wird es langfristig wohl wieder Bohrprojekte in der Region geben. Denn dafür sind die vermuteten Reserven einfach zu groß. So schätzte eine Studie der amerikanischen Geological Survey im Jahr 2008, dass mehr als 90 Milliarden Fass Öl und 47 Billionen Kubikmeter Gas unter dem Eis rund um den Nordpol lagern. Das würde ungefähr 13 Prozent der weltweit vermuteten, aber noch nicht erschlossenen Öl- beziehungsweise 30 Prozent der Gasreserven entsprechen. Ein Schatz, der irgendwann gehoben werden wird. (jaz)

AUF EINEN BLICK

Der Ölkonzern Shell beendet nach nur sechs Wochen seine umstrittenen Bohraktivitäten vor der Küste Alaskas. Grund dafür sind die Ergebnisse der ersten Bohrungen. Zwar wurden Anzeichen für Öl und Gas gefunden, allerdings wesentlich weniger, als man erwartet hatte. Angesichts der hohen Kosten und des niedrigen Ölpreises wurde das ursprünglich auf zwei Jahre angelegte Explorationsprogramm daher vorzeitig abgebrochen. Die Aktie von Shell gab geringfügig nach.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 29.09.2015)

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