Unabhängig vom Energie-Erzeuger

Fotovoltaik-Anlage
Fotovoltaik-Anlage(c) W. Löser
  • Drucken

Autarkie. Immer mehr Menschen produzieren ihren Strom selbst. Technisch ist das heute kein Problem mehr, wie einige Pioniere beweisen.

Nomen est omen: Wolfgang Löser wohnt im niederösterreichischen Streitdorf, und er ist engagierter Streiter für Energieautarkie. Wie das geht, lebt er selbst vor: Sein Bauernhof ist im Prinzip völlig unabhängig von den Launen des Energiemarktes und dessen Playern. Der Strom kommt von einer Fotovoltaikanlage, ein Stromspeicher soll bald dafür sorgen, dass er rund um die Uhr mit eigener elektrischer Energie das Auslangen findet. Warmwasser liefert eine Solarthermie-Anlage. Für wohlige Wärme sorgt im Winter eine Hackschnitzelheizung, in der Pellets aus Maisspindeln, einem Abfallprodukt seines landwirtschaftlichen Betriebs, verfeuert werden. Und den Traktor betreibt der Pionier mit Öl aus Pflanzen, die auf dem eigenen Hof wachsen.

Überschuss geht ins Netz

Aber nicht nur auf dem Bauernhof, auch im Einfamilienhaus in der Stadt lässt es sich energieautark wohnen. Das beweist Gerhard Kaindl mit seinem Plus-Energiehaus in Wien-Liesing. Fragt man ihn nach seinen Heizkosten, dann antwortet er zufrieden: „Auf der Jahresrechnung meines Stromlieferanten stehen zwischen 50 und 120 Euro. Aber als Überschuss, den ich zurückbekomme.“ Mit einer 53 Quadratmeter großen Fotovoltaikanlage erzeugt Kaindl dreimal mehr Energie, als er für Heizung, Warmwasser und Beleuchtung benötigt.

Den Überschuss liefert er zu einem schlechten Preis (ein Drittel dessen, was er für Strom bezahlt) ins Netz. Im Vorjahr hat er sich deshalb bereits einen Akku angeschafft, mit dem er Sonnenstrom speichern kann. Die große Lösung, die außerdem umweltfreundliche und vor allem energieautarke Mobilität liefert, ist bereits bestellt: ein Tesla Model 3, der Ende 2017 geliefert wird: „Mit dem Stromspeicher im E-Auto könnte ich eine Woche durchheizen“, sagt er.

Ob sich die Investitionen in die Technik rechnen, wollen die beiden energieautarken Pioniere nicht beantworten. Mit einer Fotovoltaikanlage sei man auf jeden Fall auf der Gewinnerseite, meinen sie. Löser findet es ärgerlich, dass nur bei erneuerbaren Energien die Wirtschaftlichkeit hinterfragt werde: „Der größte Teil unserer privaten Investitionen, Auto, Bekleidung, Urlaub, Möbel, rechnen sich nicht.“

Gemeinsam autark

Er selbst leistet sich die Unabhängigkeit von fossilen Energieträgern, weil er es sinnvoll findet und weil er der nächsten Generation eine intakte Umwelt hinterlassen möchte. Kaindl denkt ähnlich. Einig sind sich beide, dass sie allein die Welt nicht retten können. Aber sie hoffen, als Multiplikatoren zu wirken und möglichst vielen Menschen beweisen zu können, dass der Verzicht auf fossile Energieträger schon heute möglich ist.

Löser ist überzeugt, dass erneuerbare Energieträger letztlich auch wirtschaftliche Vorteile bringen: „Wir importieren Energie um fast 18 Milliarden Euro, um dieses Geld könnten wir dauerhaft regionale Energieversorgungssysteme und unzählige Arbeitsplätze schaffen“, meint er. Ganz abkoppeln von den Netzen will sich der streitbare Landwirt aus Streitdorf aber nicht: Er träumt von einer Bürgerenergiewende, von Bürgerenergiegenossenschaften, die gemeinsam regionale Energieerzeugungsanlagen betreiben und so für einen Ausgleich zwischen Erzeugung und Verbrauch sorgen.

Eine solche Zusammenarbeit im regionalen Bereich sehen auch andere als Lösungsansatz für die Energieunabhängigkeit. Roland Wernik, Geschäftsführer der Salzburg Wohnbau, verkündete schon vor einigen Jahren das Ziel, energieautarke Wohn- und Kommunalbauten zu errichten. Heute sieht er das Vorhaben differenzierter: „Wir haben die Idee über das Haus hinaus erweitert. Häuser müssen sich in ihrer Leistungsfähigkeit ergänzen“, erzählt er. Erst in der Wechselbeziehung von Objekten, von Wohnen und Arbeiten lasse sich auf regionaler Ebene auf wirtschaftliche Weise ein unabhängiges Energiesystem realisieren: „Produziert ein Haus einen Überschuss, nimmt ihn das andere ab.“ Die Salzburg Wohnbau – ein mit mehreren Umweltpreisen ausgezeichneter Wohnbauträger – hat gemeinsam mit Siemens und dem Energieversorger Salzburg AG Forschungsprojekte auf diesem Gebiet laufen.

Der E-Wirtschaft ist bewusst, dass große Veränderungen auf sie zukommen und in Zukunft immer mehr Häuser und Regionen durch die Nutzung von Fotovoltaik und Wind zumindest rechnerisch energieautark sein werden.

Sicherheitsnetz nötig

„Wir brauchen aber auch in absehbarer Zeit noch Gaskraftwerke für die Fernwärme, für die Frequenzhaltung und für gesichert abrufbare Leistung, falls einmal kein Wind weht und keine Sonne scheint“, sagt Ernst Brandstetter, Sprecher von Oesterreichs Energie. Und er weist auf die notwendigen großen Investitionen für technische Veränderungen in den Netzen hin – Stichwort Smart Grid –, die nach Überzeugung der E-Wirtschaft die Grundlage für die dezentrale Erzeugung durch Fotovoltaik und Windenergie sind: „Momentan erzeugen wir so viel Strom, wie wir verbrauchen, in Zukunft müssen wir so viel Strom verbrauchen, wie gerade erzeugt wird.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 20.05.2016)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.