Der lange Weg zum grünen Strom

Windkraftwerk in Oberoesterreich
Windkraftwerk in Oberoesterreichwww.bilderbox.com
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Bis die Erneuerbaren auch nur acht Prozent des globalen Energiemix erreichen, dauert es laut BP-Analyse noch 20 Jahre. Immerhin wächst der globale Energiebedarf – dank China – langsamer.

Wien. Die zeitliche Koinzidenz war gestern augenfällig. Just an dem Tag, an dem die deutsche Regierung die lang erwartete Ökostromreform auf den Weg brachte, zeichnete der Ölkonzern BP in seinem maßgeblichen „Statistical Review of World Energy“ das ernüchternde Szenario für die Zukunft der erneuerbaren Energie. Um im Spektrum aller Primärenergiequellen den Anteil der Erneuerbaren von bescheidenen drei Prozent auf zumindest acht Prozent zu erhöhen, werde es 20 Jahre dauern, berichtet BP. Dabei hat BP-Chefökonom Spencer Dale schon postuliert, dass sich die Erneuerbaren schneller etablieren als alle anderen Energiequellen in der modernen Geschichte bisher.

Es sei eine Lehre aus der Geschichte, dass die Etablierung Jahrzehnte in Anspruch nehme, so Dale: Um von einem Marktanteil von einem Prozent auf zehn Prozent zu kommen, habe beispielsweise Öl 40 Jahre gebraucht. Bei Gas habe der Sprung von einem auf acht Prozent 50 Jahre gedauert. Die Erneuerbaren, die in der ersten Dekade ein Entwicklungsbild wie die Nuklearenergie gezeigt hätten, würden weiterhin billiger werden und somit robust wachsen.

Deutsche Ökostromreform

Nachdem das bisher vorwiegend durch staatliche Förderungen forciert wurde, hat die deutsche Regierung gestern die Neuregelung zum Ausbau der Erneuerbaren abgesegnet. Größere Ökostromprojekte werden fortan ausgeschrieben und nicht mehr über einen Garantiepreis für den produzierten Strom unterstützt. Bei den Ausschreibungen erhält der den Zuschlag, der am wenigsten Subvention verlangt.

Deutschland verfolgt mit seiner Energiewende den weltweit ehrgeizigsten Plan, aus fossilen Energieträgern und der Atomkraft auszusteigen. Mit der Ökoreform, die vom Bundestag im Sommer beschlossen werden und Anfang 2017 in Kraft treten soll, kann sichergestellt werden, dass dort bis 2025 zwischen 40 und 45 Prozent des Stroms aus Erneuerbaren stammt. Allerdings bestätigte das deutsche Wirtschaftsministerium gestern gegenüber Reuters, dass geplante, aber unrealisierte Projekte verfallen und nicht nachgeholt werden können: Ökostrom wird in den nächsten Jahren daher deutlich weniger stark ausgebaut, als von der Regierung in Aussicht gestellt. Derzeit stammt etwa ein Drittel des Stroms aus Erneuerbaren.

Mehr Öl, weniger Kohle

Zurück zum BP-Energiebericht für das Jahr 2015: Es sei ein Jahr gewesen, in dem „bedeutsame langfristige Trends sowohl bei der Nachfrage als auch beim Angebot von Energie zutage traten“. Was den Verbrauch betrifft, so ist er 2015 – gleich wie 2014 – nur um einen Prozent gewachsen, was halb so schnell ist wie im Schnitt der vergangenen zehn Jahre und der langsamste Zuwachs seit 1998. Die Verlangsamung verdankt sich vor allem China – und zwar nicht so sehr dem abgebremsten BIP-Wachstum als vielmehr dem rapiden Rückgang der dortigen Energieintensität. Wäre Chinas Energieintensität (also der Energieverbrauch in Bezug zum erwirtschafteten BIP) nicht in den vergangenen fünf Jahren gesunken, wäre der globale Verbrauch um fünf Prozent höher, so Dale: Viel werde also auch künftig von China abhängen.

Auf der Anbieterseite haben die Erneuerbaren und die hohe Ölproduktion die Kohle auf den niedrigsten Marktanteil seit 2005 gedrückt – und zwar um 1,8 Prozent auf 29,2 Prozent. Bemerkenswert, dass Öl zum ersten Mal seit 1999 wieder mehr Marktanteil gewonnen hat – es steht bei 32,9 Prozent des globalen Energiemix.

Während sich bei Öl nach zwei Jahren Preisverfall abzeichne, dass 2017 Angebot und Nachfrage wieder in Balance sein werden, werde das Angebot bei Gas die Nachfrage bis 2021 übertreffen, hielt gestern die Internationale Energieagentur (IEA) in ihrem Gasbericht fest. Die IEA warnt vor mangelnden Investitionen in den Sektor.

Die Ölpreise haben gestern übrigens neue mehrmonatige Höchststände erreicht. Die Sorte Brent notierte am späten Nachmittag bei über 52,5 Dollar je Fass.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 09.06.2016)

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