Benzin und Diesel aus dem Netz

(c) Clemens Fabry
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Der Spot-Handel mit Kraftstoffen ist für Unternehmen noch so langwierig wie in den 1950er-Jahren. Eine Onlinebörse aus Österreich will das ändern.

Wien. Wirklich große technologische Sprünge haben Österreichs Kraftstoffhändler in den vergangenen sechzig Jahren nicht gemacht. 1956 wurden die ersten Benzinfässer über das Scheibentelefon verkauft. 2016 haben die Händler der Ölkonzerne und ihre Kunden zwar Smartphones in der Hand, am Ablauf des Geschäfts selbst hat sich aber nichts geändert.

Im Schnitt sind vier Telefonate notwendig, wenn ein heimischer Tankstellenpächter, Spediteur oder Industriebetrieb einen Tanklaster voll Sprit kaufen will. Denn jeder einzelne Händler muss einzeln kontaktiert werden, um den jeweils gültigen Preis zu recherchieren – und gegebenenfalls nachzuverhandeln. Dennoch wickeln heimische Unternehmen jeden Tag zwischen 1000 und 1500 derartige Geschäfte ab.

Für sie könnte es in Zukunft etwas leichter werden. Denn der langjährige OMV- und Mol-Mitarbeiter Peter Pongratz hat gemeinsam mit vier Entwicklern die Ölbörse entwickelt, eine Internetplattform, die den heimischen Kraftstoffhandel deutlich schneller und einfacher machen soll. Die Börse ist seit Kurzem unter www.oelboerse.com im Internet zu erreichen und steht allen Unternehmen offen, die in Österreich Benzin, Diesel und Heizöl kaufen oder verkaufen.

Wer Sprit kaufen will, muss dazu nur gewünschte Menge, Lieferdatum, -ort und präferierte Lieferanten angeben – und abwarten. Ölkonzerne wie OMV, Shell, BP, aber auch österreichische Kraftstoffhändler wie Doppler oder MMM senden bei Interesse ihren Preis retour. Ist der Wunschpreis erreicht, genügt ein Klick, um den Deal abzuschließen. Für jedes erfolgreiche Geschäft über 30.000 Liter (etwa ein Tanklaster) bezahlt der Verkäufer 30 Euro an oelboerse.com.

Ausspähen der Konkurrenz

Auch das Ausspähen der Konkurrenz wird mit dem Tool erleichtert. Verkäufer können – gegen einen Aufpreis – jederzeit nachsehen, gegen welche Preise sie konkurrieren. Nicht aber, wer welchen Preis geboten hat.

„Die Branche hat verstanden, dass dieser Trend nicht aufzuhalten ist“, sagt Pongratz zur „Presse“. Kaum ein Unternehmen habe ihm im Vorfeld abgesagt. Ganz verdrängen will der Jungunternehmer den Telefonhandel aber nicht. Er strebt zehn Prozent der 1300 Deals am Tag an. Regelmäßiger Kontakt mit den Kunden sei wichtig für die Händler. Auch, um ein Gespür für den Markt zu behalten. „Es ist aber nicht notwendig, dass hochintelligente Menschen den halben Tag nur Preise am Telefon durchgeben. Sie können die Zeit nutzen, um Großkunden intensiver zu betreuen.“

("Die Presse", Print-Ausgabe, 19.10.2016)

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