Teilerfolg für deutsche AKW-Betreiber

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Die Energiekonzerne können den Bund auf Entschädigung klagen. Das entschied das deutsche Bundesverfassungsgericht. Bis Geld fließt, wird es jedoch dauern.

Wien. 2011, nach dem Reaktorunfall im japanischen Kraftwerk Fukushima, entschied sich in Deutschland die damals schwarz-gelbe Koalition für einen beschleunigten Ausstieg aus der Kernenergie. Sieben Atomkraftwerke ließ sie sofort abschalten. Das letzte wird 2022 von Netz gehen. Die kurz zuvor beschlossene Laufzeitverlängerung, von der 17 Kraftwerke betroffen gewesen wären, wurde ratzfatz zurückgenommen.

Diese Entscheidung brachte der Bundesrepublik postwendend Klagen der Energiekonzerne E.On, RWE und Vattenfall ein. Sie habe nämlich im Ergebnis zu einer unzulässigen Enteignung geführt, so ihre Begründung.

Aufrund der unerwarteten Wendung seien massive wirtschaftliche Schäden entstanden, deshalb stünden ihnen Entschädigungen in Milliardenhöhe (gesamt etwa 19 Mrd. Euro) zu. Fünf Jahre lang berieten die Richter des Bundesverfassungsgerichts über die Beschwerde. Am Dienstag verkündeten sie ihre Entscheidung: Im Wesentlichen sei der Atomausstieg 2011 mit dem deutschen Grundgesetz vereinbar und stelle keine Enteignung dar. Aber: Mit der Verfassung nicht vereinbar sei, dass die Konzerne keinen Ausgleich für ihre Investitionen erhalten sollten, soweit diese im Vertrauen auf zusätzliche Strommengen von 2010 vorgenommen wurden.

Bis zum 30. Juni 2018 ist das Gesetz, das die Energiewende besiegelt hat, nun nachzubessern.

Kein Geld zugesprochen

Doch was bedeutet der Spruch des ersten Senats nun für RWE, E.On und Vattenfall konkret? Geld sehen sie alle vorerst keines. Das Urteil schafft lediglich die rechtliche Grundlage dafür, ihre Ansprüche gerichtlich oder außergerichtlich geltend zu machen.

Allerdings dürften die Entschädigungen weit geringer ausfallen, nachdem das Gericht in Karlsruhe ihren Verfassungsbeschwerden nur teilweise stattgegeben hat. Die Konzerne sind von der Republik nur für jene Strommengen zu entschädigen, die ihnen beim ersten Ausstiegsszenario im Jahr 2002 zugesagt worden sind, und die sie nun nicht mehr produzieren können.

Dementsprechend gedämpft ist die Euphorie auf ihrer Seite, obwohl die Aktienkurse bei E.On und RWE gestern gleich um bis zu sechs Prozent anzogen: „Wir werden jetzt einmal abwarten, wie die Bundesregierung beziehungsweise der Gesetzgeber eine Verfassungskonformität herstellt“, sagte eine Konzernsprecherin des Energiekonzerns RWE nach der Urteilsverkündung. „Dass es dabei nicht um die Milliardenentschädigungen geht, wie in den Medien so häufig kolportiert worden ist, das ist mit Sicherheit richtig.“ E.On erklärte, der Konzern habe ab Ende 2010 Hunderte Millionen Euro in einen längeren Betrieb der Kernkraftwerke investiert. Man sei zu konstruktiven Gesprächen mit der Bundesregierung über die Umsetzung des Urteils bereit. Das könnte jedoch einige Zeit in Anspruch nehmen. „Mit kurzfristigen Zahlungen rechnet das Unternehmen daher nicht.“ Zufriedener klang da schon die Bundesregierung: „Die Milliardenforderungen, wie sie den Konzernen vorgeschwebt haben, sind damit vom Tisch“, sagte der Staatssekretär im Bundesumweltministerium, Jochen Flasbarth.

Vattenfall kämpft an zweiter Front

Womöglich ist sein Optimismus unangebracht. Vattenfall hat Deutschland nämlich auch vor ein internationales Schiedsgericht in den USA geklagt. Dort geht es um eine Entschädigungssumme von 4,7 Mrd. Euro. Nachdem es sich bei dem Konzern um einen ausländischen Investor handelt, war ihm – anders als RWE und E.On – dieser rechtliche Schachzug möglich. Die ersten Verhandlungen haben schon stattgefunden. Vattenfalls Erfolgsaussichten seien durchaus vielversprechend, heißt es in Expertenkreisen.

Auf einen Blick

Nach der Fukushima-Katastrophe entschied die deutsche Bundesregierung 2011, den Atomausstieg zu beschleunigen. Die drei AKW-Betreiber E.On, RWE und Vattenfall klagten den Bund daraufhin auf Entschädigungen in Milliardenhöhe. Nach einem fünfjährigen Verfahren entschied der Karlsruher Gerichtshof nun: Den Energiekonzernen steht eine Entschädigung zu. Allerdings müssen sie den Bund erst darauf klagen.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 07.12.2016)

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