Ölpreis: "Da haben alle kapiert, dass wir handeln müssen"

Erschöpft, aber erleichtert nach den Marathonsitzungen am Wochenende in Wien: der Energieminister Russlands, Alexandr Nowak, beim Interview mit der „Presse“.
Erschöpft, aber erleichtert nach den Marathonsitzungen am Wochenende in Wien: der Energieminister Russlands, Alexandr Nowak, beim Interview mit der „Presse“.(c) REUTERS (SERGEI KARPUKHIN)
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Am Samstag hat sich die Opec mit elf anderen Ölstaaten geeinigt, weniger zu fördern, um den Preis zu stabilisieren. Wie das gelang, erzählt Russlands Energieminister, Alexandr Nowak.

Die Presse: Warum wird die Einigung der elf Nicht-Opec-Staaten auf Förderkürzungen vom Samstag als derart historisch gefeiert?

Alexandr Nowak: Es war noch nie zuvor der Fall, dass die Opec und elf Nicht-Opec-Staaten ihre Aktivitäten auf dem Markt koordiniert haben.

Wenige Stunden vor dem Abkommen sagten Sie: „Wir müssen uns einigen.“ Warum?

Das hat zwei Gründe. Zum einen ist es wichtig für den Markt und die Erwartungen, die damit verbunden waren. Denn die vorausgehende Einigung der Opec-Staaten auf eine Förderkürzung Ende November wurde auf weite Strecken mit dem Ausblick darauf erzielt, dass es auch ein Abkommen der Nicht-Opec-Staaten gibt. Hätten wir uns am Samstag also nicht geeinigt, wäre auch die Vereinbarung der Opec-Staaten in sich zusammengefallen.

Aber die Vereinbarung der Opec war ja schon durch Unterschriften besiegelt.

Ja, aber mit der Klausel, dass auch die Nicht-Opec-Staaten ihren Beitrag leisten. Hätten wir uns also nicht geeinigt, hätten wir plötzlich wieder eine Situation gehabt wie im April 2016 in Doha, als die Vereinbarung platzte. Allen Experteneinschätzungen zufolge wäre der Ölpreis wieder dramatisch abgesackt, und der spekulative Faktor hätte wieder starken Einfluss auf die Preisbildung bekommen.

Der eine Grund war also das Aufrechterhalten des Opec-Deals. Und der zweite?

Die Frage des Vertrauens. Wir hatten uns ja mit den Partnern innerhalb und außerhalb der Opec darauf geeinigt, dass wir unsere Aktivitäten koordinieren. Hätten wir es nicht bis zur Unterschrift geschafft, wäre dieses Vertrauen abermals im Eimer und in absehbarer Zeit nicht mehr wieder herzustellen gewesen.

Russland als Nicht-Opec-Staat hat schon 2001 einmal eine Vereinbarung zur Förderkürzung mit der Opec abgeschlossen und sich dann – wie die Opec-Staaten so oft – nicht daran gehalten. Warum soll das jetzt anders sein?

Erstens sind alle innerhalb und außerhalb des Kartells an schnellen Veränderungen auf dem Markt interessiert, denn wir befinden uns in der schwersten Krise unserer Branche. 2001 war ja die Situation eine ganz andere und der Preisverfall vom Einbruch der Nachfrage nach einer Reihe von Ereignissen wie dem Platzen der Dotcom-Blase verursacht; die Nachfrage stellte sich damals relativ schnell wieder ein.

Aber das muss als Grund noch nicht reichen, dass sich alle an die Vereinbarung halten.

Es gibt noch andere Gründe: Unter anderem haben sich besondere persönliche und vertrauensvolle Beziehungen zu Saudiarabien und anderen Ländern herausgebildet.

Es gibt aber keine Sanktionen, so sich jemand nicht daran hält.

Stimmt. Aber es gibt moralische Verpflichtungen und politische Beziehungen. Und es gibt die Frage eines künftigen Vertrauens in Entscheidungen und Worte. Wer den Deal mit einer Verletzung der Vereinbarung gefährdet, macht die Lage auch für sich selbst schlechter.

Was war für Sie der schwierigste Moment bei den Verhandlungen?

Zu den Verhandlungen überhaupt wieder zurückzukehren, nachdem sich nach Doha im April gegenseitiges Misstrauen breitgemacht hatte. Im Juli begannen wir wieder intensiver miteinander zu reden. Dazu hat auch beigetragen, dass in Saudiarabien mein Kollege Khalid al-Falih zum neuen Ölminister ernannt wurde. Außerdem gab es dafür politische Unterstützung seitens der Chefs mehrerer Länder.

Durch Russlands Teilnahme an der Förderkürzung und die Vermittlerrolle zwischen Opec-Staaten scheint es, dass Ihr Land im Nahen Osten an Einfluss gewonnen hat. Ist das so?

Russland ist ein Großplayer auf dem Ölmarkt.

Das war Russland auch vorher.

Aus dem Wissen, dass die Opec im Unterschied zu früher heute kaum allein imstande ist, den Ölmarkt wiederherzustellen, ist es nötig, dass die Nicht-Opec-Staaten an solchen Deals teilnehmen.

Aber die Opec braucht offenbar Vermittler, um intern zu einer Einigung zu kommen.

Wir haben sowohl mit Opec-Staaten als auch Nicht-Opec-Staaten verhandelt. Und ich hoffe, dass unser Teilnahme hier geholfen hat, zu einem Konsens zu gelangen.

Hat Wladimir Putin eine wichtige Rolle bei der Einigung gespielt?

Präsident Putin spielte überhaupt eine Schlüsselrolle bei der Erzielung der Vereinbarung. Er hat die Entscheidung zur Förderkürzung durch die russischen Unternehmen unterstützt. Letztlich hat seine Beziehung zu den Chefs der entscheidenden Staaten geholfen, dass wir unsere Positionen angenähert und die Vereinbarung getroffen haben.

Dennoch mussten Sie den saudischen Ölminister noch am 29. November in der Nacht vor der Einigung anrufen. Hat das dann den Ausschlag gegeben?

Es gab sehr viele Telefonate, auch in der Früh und spät am Abend. Saudiarabien hatte ja in vielem die Rolle des Koordinators in der Opec übernommen. Ich muss sagen, dass Saudiarabien einen sehr klugen und pragmatischen Zugang hatte und eine sehr wichtige Rolle spielte.

Was wollte denn Saudiarabien von Ihnen am Telefon noch hören? Dass Sie wirklich bei der Förderkürzung mitmachen?

Auch das, ja.

Russland stemmt die Hälfte der Förderkürzung seitens der Nicht-Opec-Länder – nämlich 300.000 Barrel weniger Tagesförderung. Wann werden Sie das erreichen?

Wir werden bis Ende des ersten Quartals 2017 eine Kürzung um 200.000 erzielen. Bis Juni werden wir dann 300.000 erreichen.

Warum nicht sofort 300.000?

Das war nie das Ziel, denn es gibt technische Grenzen. Wir haben ja im Moment viele neue Bohrungen laufen, die in einem Zeitraum von 20 bis 25 Tagen abgeschlossen sind. Ein Teil dieser Bohrlöcher wird im Jänner in Betrieb genommen.

Welchen Effekt auf den Ölpreis soll die jetzigen Einigung haben?

Alle haben im Vorfeld schon gesehen, welchen Effekt auf den Markt allein Gerüchte haben, dass es eine Einigung geben könnte.

Deshalb haben alle Seiten auch kräftig Gerüchte gestreut. Sollen durch die Einigung die Gerüchte einfach auch bestätigt werden?

Sehen Sie, Gerüchte vor der Vertragsunterzeichnung, der Deal könnte nicht stattfinden, hätten den Ölpreis von vornherein um sieben bis acht Dollar auf 45 bis 46 Dollar absacken lassen. Und wenn es dann keinen Deal gegeben hätte, auf unter 40 Dollar. Das haben wir schon im Sommer gesagt. Die Beruhigung im Sommer war ja nur dadurch kurz hervorgerufen worden, dass in Kanada Brände wüteten und im Irak, Libyen und Nigeria die Förderung wegen innerer Probleme gekürzt wurde. Zu Herbstbeginn kehrten deren Volumina wieder auf den Markt zurück. Und da haben alle kapiert, dass wir handeln müssen.

Zur Person

Alexandr Nowak (45), gebürtig aus der Ostukraine, ist seit 2012 Energieminister Russlands und sitzt in den Aufsichtsräten des Gaskonzerns Gazprom, des landesweit größten Ölkonzerns Rosneft und des Ölpipeline-Monopolisten Transneft. Vor seiner Ernennung zum Energieminister war er vier Jahre stellvertretender Finanzminister. Beruflich groß geworden ist er in der Metallurgie. Von 2002 bis 2008 war Nowak Vizegouverneur im Gebiet Krasnojarsk.

("Die Presse", Print-Ausgabe, 13.12.2016)

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